| # taz.de -- Drogenberaterin über Handel auf St. Pauli: „Sie suchen sich ande… | |
| > Wenn Drogenhändler und Konsument*innen vertrieben werden, ziehen sie eben | |
| > weiter. Ein Gespräch über die Drogenszene und die Polizeipräsenz auf St. | |
| > Pauli. | |
| Bild: Seit Jahren versucht die Taskforce vergeblich, Geflüchtete und Dealer au… | |
| taz: Hat Hamburg ein Drogenproblem, Frau Tügel? | |
| Christine Tügel: Ja, sicher. Ganz Deutschland hat ein Drogenproblem. Nicht | |
| nur mit illegalisierten Drogen, sondern auch mit Alkohol und Nikotin, | |
| beides ist viel verbreiteter als die illegalisierten Drogen. | |
| Wie würden Sie das Drogenproblem auf St. Pauli beschreiben? | |
| Wir haben da eine besondere Konzentration von legalen und illegalen Drogen, | |
| die besonders in Partyzusammenhängen konsumiert werden. Der geringste Teil | |
| davon ist auf sogenannte randständige Gruppen, die abhängig und oft auch | |
| obdachlos sind, zurückzuführen, der überwiegende Teil kommt, um den Kiez | |
| als Erlebnismeile zu nutzen. | |
| Wie hat sich die Drogenszene auf St. Pauli verändert? | |
| Offenen Drogenkonsum gab es an wechselnden Orten auf St. Pauli immer. Aber | |
| in den letzten Jahren gibt es eine deutliche Zunahme an der Verfügbarkeit | |
| von illegalisierten Drogen. Viele Jahre lang gab es auf der Straßenszene | |
| kein Kokainpulver, sondern nur Kokain in Form von Crack zu kaufen. In | |
| wohlhabenderen Szenen war das Pulver aber verfügbar. Das hat sich geändert, | |
| Kokain in Form von Crack ist wieder weitestgehend verschwunden, die Leute | |
| müssen es sich selber herstellen. | |
| Hat sich die Nachfrage verändert oder das Angebot? | |
| Ich glaube eher, dass sich das Angebot verändert hat. Das Kokainangebot auf | |
| der Straße hat sich deutlich vergrößert. Darüber hinaus wird das | |
| konsumiert, was eben verfügbar ist. Das macht ja die Abhängigkeit aus. | |
| Wie hat sich der Umzug des Stay Alive auf St. Pauli ausgewirkt? | |
| Wir sind jetzt nur 800 Meter vom vorherigen Ort in der Davidstraße | |
| entfernt, das Angebot erreicht die Klientel, die auf St. Pauli lebt oder | |
| sich dort aufhält, immer noch. Die Nutzung der Drogenkonsumräume ist sogar | |
| deutlich gestiegen. | |
| Was macht eine offene Drogenszene und die permanente Polizeipräsenz mit dem | |
| Stadtteil? | |
| Was Anwohner belastet, ist offener Drogenkonsum, insbesondere, wenn er | |
| intravenös stattfindet. Also wenn Spritzen herumliegen oder Leute in | |
| Hauseingängen liegen. Dem kann man nur entgegenwirken, indem man diese | |
| schwerstabhängige Klientel motiviert, die vorhandenen | |
| Drogenhilfeeinrichtungen anzunehmen. Das findet ja auch statt. Es wird aber | |
| teilweise erschwert, wenn die Klientel aufgrund polizeilicher Maßnahmen | |
| vertrieben wird und nicht mehr anzutreffen ist. Die permanente | |
| Polizeipräsenz verändert auch das Straßenbild und die Atmosphäre im | |
| Stadtteil. Bei dem einen erzeugt das Sicherheit, bei dem anderen wirkt es | |
| bedrohlich. Diese Gemengelage wird man immer haben. Da hilft nur, | |
| miteinander im Gespräch zu bleiben und nach sozialverträglichen Lösungen zu | |
| suchen. | |
| Ist die Drogenpolitik der Stadt erfolgreich? | |
| Woran misst man Erfolg? Die Zahl der Drogentoten ist 2017 um 20 Prozent | |
| zurückgegangen. Die Überlebenshilfeangebote für Drogenabhängige sind also | |
| erfolgreich. Ob sie ausreichen, ist eine andere Frage. Herr Tschentscher | |
| hat kürzlich angekündigt, den Etat der Drogenhilfe um fünf Prozent | |
| aufzustocken. Das wäre das erste Mal seit 2010. Im Zuge der Task Force hat | |
| der Senat entschieden, nicht nur auf Repression zu setzen, sondern auch | |
| Hilfeeinrichtungen zu stärken. Das Drob In hat seitdem samstags geöffnet, | |
| im Stay Alive haben wir zwei Stellen für die Straßensozialarbeit auf St. | |
| Pauli bekommen und unsere Öffnungszeiten erweitert. | |
| Was bringt die hohe Polizeipräsenz? | |
| Das ist schwer zu sagen. Letztlich haben wir ja einen Rechtsstaat, von dem | |
| die Polizei Teil ist, und die Gesetzeslage lässt bestimmte Dinge nicht zu. | |
| Aber es ist immer eine Frage des Maßes, denn wenn die Polizei auf St. Pauli | |
| aktiv ist, ploppt es woanders auf. | |
| Was passiert dann? | |
| Es gibt dann Szenewanderungen. Wenn Menschen nicht mehr an den Orten sein | |
| können, wo sie normalerweise sind, verschwinden sie ja nicht, sondern | |
| suchen sich andere Orte. Wir haben auch einen hohen Anteil an obdachlosen | |
| Drogenabhängigen, die wirklich Tag und Nacht draußen sind. | |
| Wandern die Dealer mit? | |
| Auch die Dealer sind sehr flexibel und passen sich der Situation an. Aber | |
| St. Pauli hat eine besondere Lage – der Markt dort bedient beides, die | |
| Nachfrage von unserer Klientel und dem Partypublikum. | |
| Was fordern Sie von der Stadt? | |
| Man muss sich fragen, ob man eine Einrichtung braucht, die obdachlose | |
| Drogenabhängige tagsüber und nachts betreut. Und man müsste sich damit | |
| auseinandersetzen, ob es zumindest in einem ersten Schritt eine | |
| Legalisierung und damit einen regulierten Markt für Cannabisprodukte geben | |
| kann. | |
| Sollte man alles legalisieren? | |
| Ich denke, das ist unrealistisch. Aber mit der Legalisierung von Cannabis | |
| wäre schon vieles gewonnen. | |
| 18 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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