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# taz.de -- Halbfinale Frankreich – Belgien: Eine Stunde Fußball
> 60 Minuten lang ist es ein ganz vorzügliches Halbfinale. Dann zieht
> Samuel Umtiti den Belgiern mit seinem Tor die Schwanzfedern.
Bild: Umtiti, olala: Frankreich gewinnt 1:0
Die Voraussetzungen: Sportlich ist es das vorgezogene Finale. Beide haben
gegen Argentinien bzw. Brasilien hervorragende Partien gezeigt, mit die
besten des Turniers. Zwei enorm starke Offensiven treffen auf
Innenverteidiger, die nicht immer das allerhöchste Niveau haben halten
können. Halbfinals sind sehr selten schöne Spiele, aber es wäre
enttäuschend, wenn das kacke würde.
Und dann der kulturelle Aspekt: Frankreich und Belgien verbindet eine Art
Hassliebe. Die Belgier sind in Frankreich Ziel des Spottes, sie seien
langsam, einfältig, verfressen, davon erzählen hunderte Witze. Die
Franzosen hingegen gelten den Belgiern als arrogant, selbstherrlich,
triebhaft.
Das Ergebnis: 1:0 (0:0).
Das Spiel: [1][Es geht munter los], Belgien nimmt – putain de merde – das
Heft in die Hand, weil Frankreich seine Bälle nicht ordentlich spielt.
Allein Pavard packt in zehn Minuten zwei Fehlpässe aus, die hätten weh tun
können. Überhaupt sah Pavard bei Dribblings von Hazard und De Bruyne
bisweilen so aus, als hätte er keine Kniegelenke. Selbst wenn Frankreich in
die Konter kommt, lässt sich Belgien davon überhaupt nicht beeindrucken;
Hazard tänzelt, Lukaku lauert, Chadli schlägt Ecken. It was a matter of
time, wie der Frankophile sagt.
Aber hey, Mbappé, dieser [2][homme pressé]. Zur Not reicht auch ein
Steilpass. Der Typ rennt ja sogar dem Licht davon. Kommt ein Ball günstig
nach vorne, haut's der Kuh die Hörner weg. Oder Griezmann. Oder ein
Standard. Soweit, nach 25 Minuten, zur Theorie. Aber was wäre Frankreich,
wenn es nicht auch Theorien materialisieren könnte! Es wäre nichts, rien de
rien. Und so schicken sie sich an, ein bisschen mitzuspielen. Griezmann und
Giroud nahmen sich Abschlüsse der Kategorie „fällt rein, wenn Uranus und
Merkur zusammen im dritten Haus stehen“; Pavard hatte dann die große
Chance, aber Courtois fährt die Teleskop-Fußspitze aus.
Und dann: Eckball Frankreich, putarelle, und wahnwitzigerweise verliert
Fellaini bei einem Eckball sein drittes Kopfballduell en suite, und
sacrebleu, Samuel Umtiti köpft den Ball ins Tor. Macron auf der
Ehrentribüne schüttelt Hände, in der Disziplin hatte er ja neulich eine
Fortbildung in Washington. In der Folge bestand Frankreich
bedauerlicherweise darauf, seine fürderhin vorgetragenen Angriffe von
Giroud abschließen zu lassen; dommage, dommage, [3][wie Desireless einst
sang]. Es könnte sonst leicht 2:0 stehen. Belgien versucht es in der Folge
mit dem Rezept, nach dem die Oma schon gekocht hat: hohe Bälle auf Lukaku
und Fellaini.
Das schmeckt den Franzosen: [4][Ah, c'est si bon] (Yves Montand). Die
letzte halbe Stunde beweist Frankreich Eigenschaften, für die
Vorgängermannschaften nicht bekannt wurden: Disziplin und Cleverness. Sie
können Abwehr, und das reicht dann, und dem Zuschauer reicht es dann auch
mal.
Die historische Anekdote des Spiels: In Lüttich dachte man um 1870 über
innovative Methoden nach, wie Post in die anliegenden Dörfer zuzustellen
sei. Sie nahmen wasserfeste Behälter und hingen sie 37 Viechern um, und
diese Viecher waren – Katzen. Ja, Katzen. Man gab sich optimistisch: „Wenn
nicht die kriminelle Kaste der Hunde die Katzen bestiehlt, werden die
Nachrichten schnell und sicher zugestellt werden.“ Das erwies sich als
Irrtum, wie jeder ahnt, der schon einmal eine Katze von nahem gesehen hat.
Der Kulturtipp des Spiels: Klar hat es im Vorfeld dutzende
Comic-Anspielungen gegeben, Asterix hier, Hergé dort. Seltener erwähnt
wurde der großartige, fantastische, fabulöse Franquin, nicht nur Schöpfer
des lustigsten aller Comichelden, [5][Gaston Lagaffe], sondern der auch mit
seinen [6][Idées noires] einen bitteren, melancholischen Band gezeichnet
hat, der heute wieder einen Nerv trifft.
Und nun? Finale! Das dritte der Geschichte. Das erste war spektakulär
schön, der erste Gewinn einer WM für Frankreich überhaupt; das zweite war
brutal spektakulär, mit dem Kopfstoß Zidanes; fürs dritte müssen sich die
jungen Blauen jetzt was einfallen lassen.
10 Jul 2018
## LINKS
[1] /Liveticker-Frankreich--Belgien/!5521640
[2] https://www.youtube.com/watch?v=by1RRP9wa_Y
[3] https://www.youtube.com/watch?v=6PDmZnG8KsM
[4] https://www.youtube.com/watch?v=RjqlLgycDRs
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Gaston_(Comic)
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Gedanken
## AUTOREN
Frederic Valin
## TAGS
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