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# taz.de -- Alarmierende Klima-Studie: Warnung vor der Heißzeit
> Dem Planeten drohten bis fünf Grad Erwärmung und 60 Meter höhere
> Meeresspiegel, sagen Forscher – selbst wenn die Paris-Ziele erreicht
> werden.
Bild: „Ich möchte ein Eisbär sein“? Das war einmal
BERLIN taz | „Kippelement“ – ein technokratisches Wort. Aber dahinter
verbirgt sich eine grauenhafte Gefahr. „Kippelemente könnten sich wie
Dominosteine verhalten“, sagt Johan Rockström, Direktor des Umweltinstituts
Stockholm Resilience Centre. „Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses
Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu.“ Rockström und weitere
Klimaforscher kommen in einer neuen Studie zu dem Schluss, dass der Planet
so in eine „Heißzeit“ schlittern könnte.
Und zwar selbst dann, wenn die Pariser Klimaziele erreicht werden: „Wir
wissen derzeit nicht, ob das Klimasystem sicher bei etwa 2 Grad über dem
vorindustriellen Niveau ‚geparkt‘ werden kann“, sagt Hans Joachim
Schellnhuber, einer der Studienautoren und Direktor des Potsdam-Instituts
für Klimafolgenforschung. Langfristig könnte sich dann die Erde sogar um
etwa vier bis fünf Grad Celsius erwärmen und der Meeresspiegel um zehn bis
60 Meter ansteigen, warnen die Wissenschaftler in der renommierten
US-Zeitschrift Proceedings. Ihr Fazit: Der Übergang zu einer
emissionsfreien Wirtschaft müsse deutlich beschleunigt werden.
Eines der gefährlichsten Kippelemente sind die Permafrostböden: Unter der
dauergefrorenen Erde Sibiriens, Nordkanadas und Alaskas sind riesige
Kohlenstoffvorräte eingesperrt. Allein im oberen Bereich dieser Böden
stecken bis zu 1.500 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, fast doppelt so viel,
wie es derzeit in der gesamten Erdatmosphäre gibt.
## Apokalyptisch
„Der Permafrost birgt das Potential, die Klimaziele deutlich zu
übertreffen“, sagt Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und
Meeresforschung. Weil die Erderwärmung an den Polen deutlich schneller als
beispielsweise am Äquator verläuft, taut der Boden dort bereits jetzt: die
Dauerfrost-Regionen sind in Sibirien und Nordamerika bereits um bis zu 100
Kilometer zurückgewichen.
Die Wissenschaft hat 16 der „Kippelemente“ ausgemacht. Jenseits von zwei
Grad Temperaturanstieg wird beispielsweise der Amazonas-Regenwald, einer
der größten Kohlendioxidspeicher der Welt, schwer geschädigt. Das im Holz
gebundene Treibhausgas könnte so die Atmosphäre unaufhaltsam anheizen. Dann
wird es egal, ob der Mensch bei der energetischen Gebäudesanierung oder
beim Umstieg der Energieversorgung durch Sonne und Wind Fortschritte macht.
Auch eine um zwei Grad wärmere Welt könnte apokalyptisch werden: Eisschilde
schmelzen, Wettersysteme werden instabil, Treibhausgase, die heute noch die
Natur speichert, könnten frei werden und die Atmosphäre weiter anheizen.
Das 2015 von 196 Staaten in Paris unterzeichnete Ziel, die Erde um nicht
mehr als zwei Grad zu erwärmen, stammt noch aus den 90er Jahren. Allerdings
kann die Wissenschaft lediglich zu etwa zwei Dritteln garantieren, dass die
Erde den Temperaturanstieg verträgt. „Wir verstehen das Klimasystem
keineswegs bis in jede Einzelheit, es verbleiben Unsicherheiten, zum
Beispiel bei den Rückkopplungen in der Vegetation“, erklärt Andreas
Fischlin, Systemökologe an der ETH Zürich.
„Rückkopplung“ bedeutet: Pflanzen speichern Treibhausgase, die Frage ist
aber: Wie lange? Das Beispiel aus Amazonien verdeutlicht die Gefahr. „Um
sicherzugehen, sollte der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzt werden“,
betont Fischlin. Dann – so die Wissenschaftler – blieben schwere
Verwerfungen im weltweiten Wettersystem und ihre Folgen wahrscheinlich aus:
Flut-Tote, Dürren, untergegangene Inseln, Hunger- und Klimaflüchtlinge,
Krieg um Wasserressourcen und sichere Siedlungsplätze. Allerdings: Bereits
jetzt ist die Erde im Durchschnitt um 1,1 Grad wärmer als vor Beginn der
Industrialisierung.
7 Aug 2018
## AUTOREN
Nick Reimer
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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