# taz.de -- Biobauer in Not: Nach der Sintflut kommt die Dürre | |
> Erst wird sein Hof von giftigem Schlamm überschwemmt, weil die Böden der | |
> Maisfelder den Starkregen nicht halten. Jetzt trifft ihn die Hitze. | |
Bild: Maismonokultur – vor der Dürre | |
Dudeldorf taz | Manfred Simon macht die Hitze zu schaffen. Der Roggen ist | |
wegen der Trockenheit notgereift, das heißt, die Körner sind vorzeitig | |
verhärtet und winzig klein. Der Biobauer muss ernten, obwohl die Wicken, | |
die er zusammen mit dem Getreide aussät, um den Boden zu verbessern, noch | |
nicht reif sind und den Mähdrescher verkleben. In diesem Jahr läuft | |
wirklich vieles nicht gut: erst die Sintflut, jetzt die Dürre. | |
Simon ist Handwerker und betreibt den Hof vor allem aus Leidenschaft. „Da | |
kann ich noch einigermaßen flexibel arbeiten“, sagt er. Andere Ökobauern | |
wollten ihre Äcker schon verkaufen. Im Ergebnis würden wohl die großen | |
Betriebe noch größer werden. Paradox, denn es seien doch „gerade deren | |
Anbaumethoden, die Extremereignisse begünstigen“. Wenn jetzt ein starkes | |
Gewitter komme, werde es noch schlimmer, fürchtet er. Denn die Böden sind | |
komplett zu, „die würden das Wasser nicht aufnehmen können“. | |
Vor gerade mal acht Wochen hat Simon schon eine Flut erlebt, Haus und Hof | |
waren von Geröll, Schlamm und Wasser überspült. In der Nacht vom 9. auf den | |
10. Juni ist es, als er ein „komisches Geräusch“ hört. Als er aus dem | |
Fenster blickt, rollt die erste Flutwelle an, „zwei bis drei Meter hoch“. | |
Der Biohof liegt an einer abschüssigen Straße im rheinland-pfälzischen | |
Dudeldorf, einem kleinen Ort nahe Bitburg. Der 50 Meter entfernte Langbach | |
ist sonst eher ein kleines Rinnsal. Anfang Juni trat er gewaltig über die | |
Ufer, brachte Schlamm und Geröll ins Tal, überschwemmte Höfe, Häuser, | |
Bahngleise und Straßen. Simon hatte gerade das Erdgeschoss des Wohnhauses | |
saniert, neues Bad, neue Versorgungsleitungen, Fußböden. | |
Zweimal erreichte die Flutwelle den Hof, einmal kam gleichzeitig eine | |
zweite Welle von oben, von den hochgelegenen Feldern über die Dorfstraße. | |
In den Strudeln der braunen Brühe seien mehrere Autos geschwommen, auch der | |
Familien-Volvo, berichtet Simon. Immerhin sei das Auto nicht mit anderen | |
zusammengekracht. | |
## „Schuld ist der Maisanbau“ | |
Seit mehr als 170 Jahren ist der Hof im Familienbesitz. „Noch nie hatten | |
wir hier Hochwasser“, sagt Simon. Dabei gab es auch früher schon ähnliche | |
Starkregen. „Schuld ist die konventionelle Landwirtschaft, vor allem der | |
Maisanbau für die Biogasanlagen“, ist Simon sicher. Die Maisbauern | |
bearbeiten die Felder mit schweren Schleppern und verdichten damit den | |
Boden. Der in breiten Reihen gesäte Mais kann ihn nicht halten. „Die Wege | |
zu den Feldern sind geteert, auf denen rauscht das Wasser bergab und nimmt | |
die Erde von den Feldern mit“, sagt Simon. | |
Inzwischen hat die Familie den Dreck mit viel Nachbarschaftshilfe aus dem | |
Haus geschafft und die verschlammte Dämmung und die aufgequollenen | |
Bodendielen entsorgt. „Wenigstens die Heizung ist nicht kaputt und die | |
mehrfach durchgespülte Waschmaschine macht zwar komische Geräusche, läuft | |
aber“, sagt Barbara Simon. | |
Es gibt viele Hinweise darauf, dass der intensive Maisanbau in der Region | |
tatsächlich Überschwemmungen und Erdrutsche begünstigt. Schon im Juni 2016, | |
als das bayerische Simbach am Inn von einer vier Meter hohen Flutwelle | |
überrollt worden war, machte Josef Reichholf den Maisanbau dafür | |
verantwortlich. Der Ökologe ist Honorarprofessor der TU München, er gehörte | |
zu den Gründungsmitgliedern des Umweltverbands BUND und war | |
Präsidiumsmitglied des WWF. Reichholf argumentiert, früher sei der Boden im | |
Frühsommer begrünt gewesen und habe deshalb das Wasser festhalten und | |
aufnehmen können. Die verdichteten und verkrusteten Flächen zwischen den | |
Maispflanzen könnten das nicht, schrieb er damals. | |
Zwei Jahre später sagt er der taz, seine Mahnungen seien ungehört | |
geblieben. „Die Lobby der Landwirte und die Politiker, zumal in Bayern, | |
wollen das nicht zur Kenntnis nehmen“, so Reichholf. „Dabei ist es | |
offensichtlich: Regenwasser ist klar, die Flutwellen sind milchkaffeebraun, | |
weil die Maispflanzen die Erde nicht halten können und sie weggeschwemmt | |
wird.“ | |
## Keine Untersuchung auf Giftstoffe | |
Unbegreiflich ist ihm, dass niemand untersucht, welche Giftstoffe und | |
Pestizide diese Flutwellen auf Feldern, Gärten, Straßen und in Wohnungen | |
hinterlassen. „Wenn in der chemischen Industrie irgendwo giftige Stoffe | |
austreten, sind wir zu Recht alarmiert. Dabei ist das, was in der | |
Landwirtschaft heute verwendet wird, alles andere als harmlos.“ | |
Andreas Kaiser, promovierter Geograf, betreibt in Trier ein Unternehmen, | |
das Kommunen und Landwirte beim Bodenmanagement berät. Mit Drohnen gewinnt | |
er hochauflösende Daten, mit denen er Profile erstellen und Modelle der | |
Erosionsgefährdung berechnen kann. „Im Prinzip“, argumentiert er, „sind … | |
Starkregen alle Böden gefährdet, die eine späte Deckung aufweisen.“ Das | |
gelte für alle Ackerfrüchte, bei denen zu Beginn der Vegetation Flächen | |
unbegrünt sind. „Hier ist es nun mal vor allem der Mais, weil die | |
Biogasanlagen gefüttert werden wollen“, sagt er. | |
57 Biogasanlagen gibt es im Landkreis Bitburg-Prüm, gefördert nach den | |
Richtlinien des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. „Es sind keine | |
Naturgewalten, man kann etwas tun“, sagt Kaiser. Die freien Flächen | |
zwischen dem Mais zu begrünen ist allerdings keine leichte Sache. In | |
Konkurrenz mit Wildkräutern hat die kleine Getreidepflanze keine Chance. | |
Man müsse sich schon auskennen, sagt Kaiser. „Doch wir haben es mit einer | |
Generation von Landwirten zu tun, denen bei Unkraut nur noch das Spritzen | |
mit Pflanzengift einfällt.“ | |
Das FDP-geführte Mainzer Landwirtschaftsministerium sieht keinen | |
Zusammenhang zwischen Maisanbau und Überschwemmungen bei Starkregen: „Die | |
geschilderten Überschwemmungsschäden dem Anbau von Mais zuzuschreiben ist | |
fachlich nicht korrekt“, heißt es auf eine Anfrage der taz. Die zuständige | |
Kreisverwaltung ergänzt: „Rechtliche Möglichkeiten, den Maisanbau generell | |
zu beschränken oder gar zu verbieten, gibt es nicht.“ Allerdings müssten | |
sich die Landwirte an die Vorgaben des Erosionskatasters halten. Es könne | |
beispielsweise verfügen, dass ausschließlich quer zum Hang gepflügt oder | |
die Fläche im Winter begrünt werden müsse. Die Kommunen seien beauftragt, | |
Konzepte zur Hochwasser- und Starkregenvorsorge zu entwickeln, versichern | |
Land und Kreis. | |
## Furcht vor Boden-Erosion | |
Dabei werden sie wohl oder übel über den Maisanbau reden müssen. Michael | |
Horper jedenfalls, Präsident des Bauern- und Winzerverbands | |
Rheinland-Nassau, hat Diskussionsbedarf. „Wir müssen verhindern, dass | |
unsere Lebensgrundlage, und das sind die Böden, die seit Generationen | |
gepflegt worden sind, weggeschwemmt werden“, sagt er. Eine mögliche Lösung | |
seien alternative Anbaumethoden. „So sollte man an abschüssigen Stellen | |
zumindest Grünstreifen stehen lassen.“ Horper warnt davor, „eine der | |
wichtigsten Kulturpflanzen zu verteufeln“, kann sich aber auch vorstellen, | |
auf besonders erosionsgefährdeten Feldern auf den Maisanbau zu verzichten. | |
Auf dem Roggenfeld, oberhalb des Dorfes, kann man den Unterschied zwischen | |
konventionellem und biologischem Anbau noch sehen. Mit dem Getreidesamen | |
hatte Simon nicht nur die Wicken, sondern auch Klee ausgesät. Die Wurzeln | |
der Pflanzen schlingen sich ineinander. „So kann der Regen in den Boden | |
eindringen“, sagt Simon. „Meine wichtigsten Mitarbeiter sind die | |
Regenwürmer und die anderen Kleinlebewesen im Boden.“ Nebenan stehen in | |
Reih und Glied die Maispflanzen, dazwischen nackte Erde, auch dank des | |
Pflazengifts Glyphosat. „Diese Böden sind tot“, sagt Simon. | |
Zwanzig Hektar bewirtschaften die Simons. Vor 13 Jahren haben sie von | |
konventioneller auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Das Futter für | |
die Ziegenherde erzeugen sie selbst. Die Rinderzucht haben sie vor zwei | |
Jahren aufgeben müssen. So arbeitet Barbara Simon nach wie vor in Vollzeit | |
als Ingenieurin für Versorgungstechnik. | |
## 1.500 Euro Soforthilfe | |
Die Familie hatte geplant, nach der Renovierung des Wohnhauses in eine | |
Hühnerzucht zu investieren. Doch wegen der Flut brauchen sie das Geld | |
zunächst für die erneute Reparatur und Sanierung des Gebäudes. Einstweilen | |
teilen sich im Obergeschoss je zwei Kinder ein Zimmer, im Bad ist eine | |
Notküche eingerichtet. Von der öffentlich angekündigten unbürokratischen | |
Hilfe haben sie nicht viel bemerkt. 1.500 Euro Soforthilfe habe es bislang | |
gegeben. Barbaras Arbeitgeber, das Land Rheinland-Pfalz, habe ihr nach | |
langem Hin und her drei Tage Sonderurlaub gewährt. | |
Die Liste der Flutschäden summiert sich auf 50.000 Euro. Simons hoffen, | |
dass sie wenigstens einen Teil ersetzt bekommen. Voraussetzung dafür sei | |
allerdings der Abschluss einer Elementarschadenversicherung – zusätzliche | |
Kosten, die der Hof nicht hergibt. Ans Aufgeben denken beide trotzdem | |
nicht, auch wenn sie als Biobauern noch ein ganz anderes Problem haben nach | |
Flut und Dürre: Das Schlammwasser hat auf den Feldern und Wiesen Geröll, | |
Müll, aber auch Pestizide hinterlassen. | |
Es wird dauern, bis dort wieder Bioqualität wachsen kann. „Ich muss sowieso | |
an den Rändern meiner Äcker einen Streifen frei lassen, denn die Nachbarn | |
spritzen Dünger und Gift bis an die Grenze. Wind und Regen tragen die | |
Stoffe auch auf meine Felder und die Kontrolleure machen mich und nicht die | |
Nachbarn dafür verantwortlich.“ | |
Jetzt soll erst mal die Wohnung fertig werden, dann kommen die Hühner, und | |
da ist ja die 30-köpfige Herde der Thüringischen Waldziegen mit ihren | |
eindrucksvollen Hörnern, die sich vor der Flut in Sicherheit gebracht | |
hatten. Mit ihnen soll bald die Fleischvermarktung wieder neu beginnen, | |
Käse werden sie nur für den Eigenbedarf produzieren können. „Die | |
Investitionen für eine Käserei wären wegen der vielen Vorschriften viel zu | |
hoch; sie wollen uns kleine Betriebe nicht“, klagt Manfred Simon. Er habe | |
die Leidenschaft für die natürliche Landwirtschaft von seinem Opa gelernt. | |
Der zehnjährige Sohn Bastian möchte den Biohof am liebsten irgendwann | |
einmal übernehmen, sagt er heute. Vorerst besucht er das Gymnasium und | |
hofft, wie die ganze Familie, dass die Bauarbeiten im Erdgeschoss ihres | |
Hauses bald abgeschlossen sind. | |
8 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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