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# taz.de -- Amed Sherwan und sein CSD-Shirt: „Ein bisschen Selbstironie wäre…
> Für ein T-Shirt, mit dem der Ex-Muslim am Samstag auf den Berliner CSD
> gehen will, wird er bedroht. Amed Sherwan über Solidarität, Religion und
> Selbstkritik.
Bild: Das Shirt des Anstoßes: Amed Sherwan mit selbstgebastelter CSD-Ausrüstu…
Herr Sherwan, Sie leben in Flensburg und kommen zum CSD nach Berlin – so
ganz unbeschwert wird dieser Tag für Sie aber nicht. Was ist passiert?
Ursprünglich wollte ich nur ein Zeichen für Oriental Diversity auf dem CSD
setzen. Ich habe viele schwule Freunde, und weil ich als Ex-Muslim weiß,
wie es sich anfühlt, wenn man aus der muslimischen Community verstoßen
wird, wollte ich mich mit muslimischen LGBTTIQ*s solidarisieren und zeigen,
dass nicht alle Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis engstirnige,
fundamentalistische Spinner sind. Ich habe ein Shirt mit „Allah is gay“
gemacht und Schilder mit Solidaritätsbekundungen. Ein Foto davon habe ich
auf Facebook gepostet.
Daraufhin haben andere Nutzer Sie massiv bedroht und angekündigt, Sie
würden wegen dieser Aktion sterben.
Dass den meisten Muslimen in Sachen Religion der Humor fehlt, ist mir klar,
aber dass es so krasse Reaktionen gibt, habe ich nicht erwartet. Einige
Drohungen waren schon sehr angsteinflößend. Interessanterweise hat mich
jetzt anscheinend auch noch ein Deutscher unter Berufung auf §166 StGB
angezeigt. Wie „Allah is gay“ den Straftatbestand der „Beschimpfung von
Religionsgesellschaften“ erfüllen kann, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel.
Ein bisschen provokant ist der Spruch ja.
Das war mir schon klar. Aber wenn man etwas bewegen will, muss man auch mal
Grenzen überschreiten. Und „gay“ ist für mich definitiv keine Beleidigung.
Wer an Allah glaubt, muss die Logik darin akzeptieren, dass Allah die
Menschen vielfältig geschaffen hat und Allah selber auch alles sein kann.
Der muslimischen Community würde etwas mehr Selbstironie und Selbstkritik
nicht schaden. Ich weiß, dass das in Zeiten mit so viel Islamhass schwer
ist – aber gerade jetzt darf man den Extremist*innen nicht das Feld
überlassen, sondern muss gemeinsam für Toleranz und Vielfalt einstehen.
Sie sagen verständlicherweise, dass solche Drohungen Angst machen. Wie
gehen Sie jetzt konkret damit um?
Ich erlebe solche Anfeindungen ja schon seit meinem Outing als Ex-Muslim
und habe auch schon vorher Morddrohungen erhalten, viele im Irak, einige
auch in Deutschland. Jetzt beim CSD hoffe ich natürlich, dass ich niemanden
in Gefahr bringe. Aber dank der großen Aufmerksamkeit, die mein Fall durch
die sozialen Medien bekommen hat, vertraue ich darauf, dass die Polizei
mich schützen wird.
Werden Sie Anzeige erstatten?
Gegen die heftigen Drohungen ja. Ich finde es wichtig zu zeigen, dass wir
in einem Land leben, in dem Vielfalt erlaubt ist und Religionsfreiheit
herrscht – und dazu gehört, dass man sich über die Engstirnigkeit im Islam
lustig machen darf, ohne bedroht zu werden. Viele Deutsche haben gar keine
Vorstellung davon, wie heftig strenggläubige Muslime auf Ex-Muslime
reagieren können. Meine Mutter schämt sich so für mich, wie eine
linksalternative Mutter sich schämen würde, wenn ihr Sohn bekennender Nazi
wäre.
Sie kommen aus einer streng religiösen Familie in Irakisch-Kurdistan.
Ja. Mit 14 Jahren bin ich vom Glauben abgefallen und wurde dafür inhaftiert
und gefoltert. Mein Fall hat damals viel Aufmerksamkeit erzeugt und ich
musste flüchten, weil ich in Lebensgefahr war. In Deutschland habe ich
übrigens mein Weltbild erst mal einfach umgedreht. So wie ich früher
Ungläubige verachtet hatte, habe ich nun Muslime gehasst, und wie der Koran
für mich einmal das Gute war, war er jetzt der Inbegriff des Bösen. Ich
hatte panische Angst vor der Islamisierung und dachte, dass alle
Islamhasser meine Freund*innen sind.
Und heute?
Angst habe ich immer noch, aber nicht nur vor dem politischen Islam,
sondern vor totalitären Ideologien jeder Art. Mit meinem Flüchtlingsgesicht
erlebe ich ja jeden Tag den Rassismus, der von den Rechtspopulist*innen
befeuert wird. Und viele meine Freunde haben weniger Glück als ich und
leiden unter der aktuellen Flüchtlingspolitik. Dagegen, dass
Rechtspopulisten meine negativen Erlebnisse mit dem Islam nutzen, um ihren
Fremdenhass zu legitimieren, wehre ich mich.
Und das sagen Sie auch offen?
Ich habe bei meiner CSD-Teilnahme von Anfang an deutlich gemacht, dass es
mir nicht darum geht, Hass gegen Muslime zu fördern – im Gegenteil. Mir ist
die Solidarität mit progressiven Kräften im Islam wichtig. Aber es muss
möglich sein, den Islam zu kritisieren. Es gibt da sehr viel
Kritikwürdiges, und es ist furchtbar, wenn man sich nicht mehr damit
auseinandersetzen kann, ohne den Rechten in die Hände zu spielen.
27 Jul 2018
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Christopher Street Day (CSD)
Ex-Muslime
Schwerpunkt Meta
Flensburg
Homosexualität
Disco
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