# taz.de -- Amtseinführung Erdoğans in der Türkei: Auf dem Gipfel seiner Kar… | |
> Der alte und neue Präsident der Türkei ist nun in seinem Amt vereidigt. | |
> Auch nach dem Notstand kann er weiter per Dekret regieren. | |
Bild: Zweite Amtszeit, mehr Befugnisse: Präsident Recep Tayyip Erdoğan legt i… | |
Istanbul taz | Mit einer pompösen Inaugurationsfeier im Präsidentenpalast | |
in Ankara ist am Montagabend Recep Tayyip Erdoğan, der alte und neue | |
Präsident der Türkei, in sein künftiges Amt als Staats- und Regierungschef | |
eingeführt worden. Altkanzler Gerhard Schröder, der schon bei Wladimir | |
Putins Siegesfeier vor einigen Wochen in der ersten Reihe im Kreml stand, | |
vertrat auch in Ankara als spezieller Freund Erdoğans die Bundesregierung. | |
Was für die einen eine historische Zäsur und die Gründung der zweiten | |
Türkischen Republik ist, ist für die anderen das endgültige Ende einer | |
demokratischen pluralistischen Türkei. Mit dem Amtseid, den Erdogan am | |
Nachmittag im Parlament ablegte, tritt nun die [1][vor einem Jahr per | |
Referendum] angenommene neue Präsidial-verfassung in Kraft. Präsident | |
Erdoğan ist ab sofort alleiniger Chef der Exekutive, er ist | |
Oberbefehlshaber der Streitkräfte, die Geheimdienste berichten ihm direkt | |
und die Polizei versteht sich als „Polizei Erdoğans“. | |
Erstmals seit Gründung der Republik 1923 gibt es keinen Ministerpräsidenten | |
mehr. Die Minister sind nicht mehr dem Parlament rechenschaftspflichtig, | |
sondern arbeiten im Auftrag Erdoğans. Sie werden vom Präsidenten ernannt | |
und gefeuert. | |
Bereits in den letzten beiden Jahren hat Erdoğan während des | |
Ausnahmezustands per Dekret regiert und damit quasi als Alleinherrscher, da | |
das Parlament schon weitgehend ausgeschaltet war und seine Dekrete vor | |
Gericht nicht angefochten werden konnten. Der Ausnahmezustand soll jetzt am | |
18. Juli auslaufen, viel ändern wird sich dadurch nicht. Erdoğan wird | |
weiter per Präsidialdekreten regieren, die mit Veröffentlichung im | |
Amtsanzeiger Gesetzeskraft erlangen. | |
Eine Zustimmung des Parlaments ist nicht notwendig. Das Parlament kann ein | |
Dekret nur aufheben, falls es mehrheitlich ein neues Gesetz zum selben | |
Thema verabschiedet. Da Erdoğan aber als Parteichef auch die | |
AKP-Mehrheitsfraktion im Parlament kontrolliert, wird das voraussichtlich | |
nicht passieren. | |
Auch die dritte Gewalt, die Justiz, wird indirekt vom Präsidenten | |
kontrolliert. Formal werden alle Richter und Staatsanwälte durch den „Rat | |
der Richter und Staatsanwälte“ ernannt. Doch dieser Rat ist nicht länger | |
unabhängig. Vier seiner 13 Mitglieder werden direkt vom Präsidenten | |
ernannt, sieben Mitglieder durch das vom Präsidenten kontrollierte | |
Parlament. Dazu kommen der vom Präsidenten ernannte Justizminister und | |
dessen Staatssekretär. | |
Erdoğan hat in seinen jüngsten Reden angekündigt, dass er seine neue Macht | |
vor allem dazu nutzen wird, die „Bürokratie-Oligarchie“ abzuschaffen, um so | |
das handeln der Regierung zu beschleunigen. Künftig soll es keine | |
eigenständigen Institutionen im Staat mehr geben, die sich gegen | |
Entscheidungen des Präsidenten stellen könnten. | |
Diese Machtfülle hat aber für Erdoğan den Nachteil, dass er nun für jede | |
negative Entwicklung im Land direkt verantwortlich ist. Vor der Wahl haben | |
seine Anhänger die Erwartung geäußert, dass Erdoğan mit uneingeschränkter | |
Macht die kriselnde Wirtschaft stabilisieren wird. Auf die Ökonomie, | |
verbreiteten jetzt Erdoğan nahe Medien, wird der Präsident jetzt sein | |
Hauptaugenmerk richten. | |
Für die Bürger der Türkei ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht. | |
Schon vor Wochen hatten internationale Finanzanalysten gewarnt, dass die | |
Person des Präsidenten selbst die Hauptursache für die anhaltende | |
Kapitalflucht und die damit verbundene Schwächung der türkischen Lira sei. | |
Haben sie recht, muss sich das Land auf schwierige Zeiten einstellen. | |
9 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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