# taz.de -- Wahlen in der Türkei: Erdoğan gewinnt auf ganzer Linie | |
> Über 52 Prozent stimmen für Erdoğan. Mit dem neuen Präsidialsystem baut | |
> er seine Macht aus. Auch im Parlament hat er die Mehrheit. | |
Bild: Trotz Sieg gab sich Erdoğan seltsam verhalten und trat eher als verstän… | |
ISTANBUL taz | Recep Tayyip Erdoğan ist der Gewinner der historischen Wahl | |
in der Türkei. Er gewinnt die Präsidentschaftswahl mit 52,5 Prozent, vor | |
Muharrem İnce mit 30,7 Prozent, Selahattin Demirtaş 8,4 Prozent und Meral | |
Aksener mit 7,3 Prozent. Der unterlegene CHP-Kandidat Muharrem İnce hat am | |
Montag in Ankara Erdoğans Sieg anerkannt. | |
Auch die Mehrheit im Parlament bleibt Erdoğan erhalten. Zwar holt die AKP | |
nur 42,5 Prozent, doch die mit ihr verbündete rechtsnationalistische MHP | |
schaffte zur allgemeinen Überraschung 11,1 Prozent und sichert so dem | |
Bündnis 53,6 Prozent, was für eine stabile absolute Mehrheit der Sitze im | |
Parlament reicht. | |
Das Oppositionsbündnis aus der sozialdemokratisch-kemalistischen CHP, der | |
rechtskonservativen IYi Partei und der islamischen Saadet kam dagegen nur | |
auf 34 Prozent. Selbst wenn man die hervorragenden 11,6 Prozent der | |
kurdisch-linken HDP noch dazurechnet, ist die absolute Mehrheit von | |
Erdoğans Koalition nicht gefährdet. | |
Recep Tayyip Erdoğan ist damit am Ziel seiner Wünsche. Er ist nach dem am | |
Sonntag mit der Wahl in Kraft getretenen neuen Präsidialsystem sowohl | |
Regierungschef als auch Staatsoberhaupt und verfügt damit über eine | |
Machtfülle wie noch kein türkischer Präsident vor ihm. Mit seiner Mehrheit | |
im Parlament wird er darüber hinaus auch die Gesetzgebung und die Justiz | |
kontrollieren. | |
## Muharrem İnce blieb den Wahlabend über unsichtbar | |
Den gesamten Wahltag über war immer wieder von Unregelmäßigkeiten und teils | |
gewaltsamen Auseinandersetzungen berichtet worden, vor allem in den | |
kurdischen Gebieten im Südosten des Landes. Die Opposition beharrte nahezu | |
den gesamten Wahlabend darauf, dass die staatseigene Nachrichtenagentur | |
Anadolu Ajansi die Zahlen aus den Wahllokalen manipuliert hätte. | |
Laut Anadolu Ajansi hatte Erdoğan zunächst sogar mehr als 60 Prozent der | |
Stimmen, was dann im Laufe des Abends immer mehr abnahm. Die Auszählung der | |
Stimmen bei Anadolu Ajansi und der von der Opposition geschaffenen | |
Wahlplattform „Adil Seçim Platformu“ (Plattform für faire Wahlen) nähert… | |
sich immer stärker an. | |
Hatte Adil Seçim zunächst bei 43 und İnce bei 34 Prozent gelegen, stiegen | |
auch bei der Oppositionszählung, die auf konkreten Meldungen aus den | |
Wahllokalen beruhte, die Zahlen für Erdoğan immer mehr an. Zuletzt kam | |
Recep Tayyip Erdoğan auf 52,5 Prozent bei 99 Prozent der ausgezählten | |
Stimmen. | |
Das nahm dem Vorwurf der Wahlfälschung dann doch etwas den Wind aus den | |
Segeln. Während Erdoğan bereits seinen Sieg in Istanbul und später dann | |
noch in Ankara feierte, blieb Muharrem İnce den Abend über unsichtbar. Erst | |
diesen Montagmittag will der Präsidentschaftskandidat der CHP vor die | |
Presse treten. | |
## Erdogan, der verständnisvolle Landesvater | |
Erdoğan blieb im Triumph seltsam verhalten. Er sprach von einem Sieg der | |
Demokratie für alle Türken und gab sich in seiner ersten Reaktion als | |
verständnisvoller Landesvater. | |
Neben Erdoğan ist die kurdisch-linke HDP der kleine Sieger der Wahlen. Ihr | |
Präsidentschaftskandidat Selahattin Demirtaş wurde mit 8,4 Prozent Dritter, | |
und die Partei kam mit 11,6 Prozent ebenfalls auf den dritten Platz und | |
damit sicher über die 10-Prozent Hürde. Dass Erdoğan dennoch auf eine | |
absolute Mehrheit im Parlament bauen kann, liegt nicht an seiner AKP, die | |
mit 42,5 Prozent eher enttäuschte, sondern an der rechtsradikalen MHP, die | |
es wider alle Prognosen und Umfragen im Vorfeld auf 11,1 Prozent brachte. | |
Dieses Ergebnis ist das eigentliche Rätsel der türkischen Wahl. Obwohl sich | |
die IYI Partei unter Meral Akşener von der MHP abgespalten hat und selbst | |
gut 10 Prozent erzielte, schaffte die MHP praktisch ihr Ergebnis der Wahlen | |
von November 2015 zu wiederholen. Die harte Rechte hat damit, obwohl sie zu | |
konkurrierenden Wahlbündnissen gehörte, zusammen mehr als 21 Prozent der | |
Stimmen. | |
Das gute Ergebnis der MHP wird dazu führen, dass Erdoğan auch zukünftig auf | |
die Zustimmung des MHP Führers Devlet Bahçeli angewiesen ist, der vor allem | |
einen harten Kurs gegen die kurdische Bewegung fordert. | |
Lesen Sie hier noch einmal die Entwicklungen des Tages in unserem | |
Liveticker zur Wahl nach: [1][http://www.taz.de/!5515193/] | |
25 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Wolf Wittenfeld | |
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