| # taz.de -- Kommentar Wahlen in der Türkei: Auf dem Höhepunkt der Macht | |
| > Erdoğan hat alles erreicht, was er erreichen wollte. Was nun kommt, ist | |
| > das quälende Warten auf die Implosion seines Systems. | |
| Bild: Erdoğan-Anhänger feiern den Wahlsieg ihres Idols | |
| Es sind Wahlen in der Türkei und am Ende ist es wie immer: [1][Erdoğan ist | |
| der Sieger]. Wer am Samstag mit Millionen anderen Menschen an der | |
| Abschlusskundgebung des Oppositionskandidaten Muharrem İnce in Istanbul | |
| teilgenommen hatte, konnte es nicht glauben, als am frühen Sonntagabend die | |
| ersten Ergebnisse über die Bildschirme flimmerten. Mehr als 60 Prozent für | |
| Erdoğan, hieß es da. Wer soll das glauben? | |
| Am Ende war es keine Glaubensfrage. Erdoğans Ergebnis stabilisierte sich | |
| bei knapp 53 Prozent, und auch die alternative Zählung der Wählerstimmen | |
| durch eine von der Opposition gegründete Plattform zur Überwachung der | |
| Wahlergebnisse bestätigte am späten Abend den Sieg Erdoğans. | |
| Sicher hat es viele Manipulationen gegeben, und ganz sicher waren es keine | |
| fairen Wahlen, die da gestern in der Türkei stattgefunden haben, doch die | |
| Opposition hat sich darauf eingelassen. Trotz des Ausnahmezustandes, der | |
| sie behindert hat, trotz der geballten Medienmacht, die die Regierung ihr | |
| in völlig undemokratischer Weise entgegenstellte trotz der ungenierten | |
| Inanspruchnahme staatlicher Ressourcen, die Erdoğan für seinen Wahlkampf | |
| nutzte – die Opposition hat mitgemacht und muss nun mit dem Ergebnis leben. | |
| Zwar steht Erdoğan nun im Zenit seiner Macht, hat alles erreicht, was er in | |
| 16 Jahren an der Regierung erreichen wollte, und dennoch ist er nun in der | |
| Defensive. Schon sein Wahlkampf war völlig uninspiriert und konnte auch | |
| seine eigenen Leute nicht mehr mitreißen. Ihm fiel nichts anderes ein, als | |
| seine vermeintlichen Erfolge aus der Vergangenheit aufzuzählen. Was nun | |
| kommen soll, was er in der Türkei noch anstellen will, weiß keiner. | |
| Erdoğan hat gewonnen, weil seine Anhänger Angst vor Veränderungen haben, | |
| weil er ihnen erfolgreich eingehämmert hat, dass ein neuer Mann ihnen das | |
| wegnehmen werde, was er ihnen in den Jahren seiner Regierung gegeben habe. | |
| Doch Angst ist keine gute Basis für die Zukunft. Die türkische Wirtschaft | |
| wird weiter den Bach heruntergehen, gerade weil Erdoğan wieder gesiegt hat. | |
| ## Meinungsfreiheit noch mehr unter Druck | |
| Außenpolitisch ist die Türkei unter Erdogan isoliert und wird es auch | |
| bleiben, denn niemand in Europa und unter den Nachbarn der Türkei traut | |
| diesem Präsidenten. Im Niedergang werden sich Erdoğan und seine Anhänger | |
| umso mehr an die Macht klammern. Demokratische Rechte, Meinungsfreiheit, | |
| Gewerkschaftsrechte, das alles wird wahrscheinlich noch mehr unter Druck | |
| geraten, als es eh schon der Fall ist. | |
| Seit Sonntag ist klar: Mit Wahlen wird Recep Tayyip Erdoğan nicht mehr von | |
| der Macht abgelöst werden können. Das von ihm errichtete System wird das | |
| verhindern. Was nun kommt, ist ein quälendes Warten auf den inneren | |
| Zusammenbruch der Erdoğan-Republik. Niemand kann vorhersehen, wie lange das | |
| dauert und ob es sich durch innere Aufzehrung erledigt oder gewaltsam | |
| explodiert. Die Zukunft der Türkei ist vor allem eins: ungewiss. | |
| Die Entwicklungen am Wahltag können Sie [2][in unserem Liveticker] | |
| nachlesen. | |
| 25 Jun 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wolf Wittenfeld | |
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