| # taz.de -- Film „Vier Tage in Frankreich“: Die Dating-App bestimmt die Rei… | |
| > In „Vier Tage in Frankreich“ verlässt Pierre seinen Partner und reist | |
| > ohne Ziel durchs Land. Sein treuester Begleiter ist die Dating-App | |
| > Grindr. | |
| Bild: Pascal Cervo spielt den Professor Paul, der raus aus Paris und Frankreich… | |
| „Vier Tage in Frankreich“ ist ein Film, der sich zu einer Idee eine | |
| Geschichte gesucht hat. Im Original lautet der Titel „Jours de France“, | |
| Frankreich-Tage, ein Wortspiel, das man im Deutschen leider nicht | |
| nachmachen kann. Und nicht mit dem Rad, sondern mit dem Auto ist Pierre | |
| Thomas (Pascal Cervo) unterwegs, aber mehr oder weniger in ganz Frankreich | |
| kommt er dabei durchaus auch herum. | |
| Er fährt und fährt, und die Kamera, mal auf der Haube, mal im Innenraum des | |
| Autos, filmt und filmt, große Straßen, kleine Straßen, gerade Straßen, sehr | |
| viel häufiger aber kurvige Straßen, weite Landschaften in der Sonne, | |
| Alpenübergang in Nebel und Schnee, Idylle am Meer, karge Annäherungen ans | |
| Ende der Welt mitten in Frankreich. Dazu vom CD-Player viel klassische | |
| Musik, immer wieder vergisst der Film, dass er irgendwas will; oder | |
| vielleicht will er auch weiter gar nicht so viel, als durch die Landschaft | |
| zu gleiten. „Vier Tage in Frankreich“ ist ein Road-Movie, wenn es je eines | |
| gab. | |
| Aber es gibt auch eine Geschichte dazu: Pierre, Professor an der Sorbonne, | |
| verlässt Paul (Arthur Igual), den Mann, mit dem er in Paris in gehobenen | |
| Verhältnissen lebt. Betrachtet ihn ein letztes Mal im Licht der Handylampe, | |
| zärtlich gleitet der Spot über den Körper, dann setzt sich Pierre in seinen | |
| weißen Alfa Romeo und fährt davon. Ohne Plan, nur raus aus Paris, nur die | |
| Idee, die Höhen und Weiten von France profonde zu durchcruisen. | |
| Was ihn leitet, sind nur die Zufallschancen, die die [1][Instant-Dating-App | |
| Grindr] ihm bietet. Ein Mann hier, ein Mann da, manchmal ist eine | |
| Übernachtung mit drin, manchmal ein kurzer Blick in ein Leben. Da ist der | |
| sehr junge Matthieu, der sich aus der Provinz nach Paris sehnt, da ist der | |
| ältere Kneipenwirt, dem Pierre nach Tagen im Auto zu sehr stinkt und der, | |
| wenn er über den anderen zu viel weiß, keinen mehr hochkriegt. | |
| ## Traumverlorene Komödie | |
| Paul, verlassen, verzweifelt, aber nicht faul, mietet einen Volvo und setzt | |
| sich, die Grindr-App seinerseits im Blick, auf die Spur des Geliebten. Nun | |
| also Fahrten aus zwei Perspektiven, sie kommen sich nahe, sie verfehlen | |
| einander, sie werden sich am Ende begegnen, eine Komödie der | |
| Wiederverheiratung ist das, das kann man verraten, denn die Geschichte | |
| zieht keine Spannung daraus. | |
| Spannung will Regisseur Jerome Reybaud in seinem souverän traumverlorenen | |
| Spielfilmdebüt sowieso nicht. Eher etwas wie ein sanft über der | |
| Wirklichkeit schwebendes Frankreich-Porträt, wobei er in das für alles | |
| Draußen aufmerksame Driften immer wieder Begegnungen der eigenwilligen und | |
| aufs Schönste meist zu nichts führenden Art einflicht. | |
| Die Sex-Begegnungen sind dabei sekundär. Wobei: Wie sich Pierre und ein | |
| zufällig aufgegabelter Vertreter auf der einen und der anderen Seite einer | |
| Motelwand getrennt und gemeinsam einen runterholen, auch das ist sehr | |
| traurig und schön. | |
| Noch schöner und trauriger Pierres Gespräch und Fahrt mit einer Frau, die | |
| gerade zu einem Gesangsauftritt in einem Altenheim unterwegs ist. Oder die | |
| Buchhändlerin, die einst die Privatlehrerin des jungen Pierre war. Sie | |
| rezitieren gemeinsam Gedichte. Oder die junge Diebin, mit der sich Pierre | |
| auf ein spielerisch-ernstes Ringen um die gestohlenen Wert- und | |
| Nichts-wert-Sachen einlässt. | |
| Junge und alte, Männer, Frauen, feine und grobe, melancholische und wütende | |
| Menschen: „Vier Tage in Frankreich“ hat vieles zu bieten, bleibt selbst | |
| sehr fein und leise ironisch und gelassen und still dabei, hat den | |
| perfekten Helden dazu. Viel spricht er nicht, staunt, fährt, ist mehr der | |
| Agent unserer Blicke als einer, der irgendetwas vorantreibt. Aber sein | |
| Driften ist unser Gewinn, man kann nur hoffen, dass dieses Debüt der Beginn | |
| eines größeren Werks ist. | |
| 29 Jun 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ekkehard Knörer | |
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