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# taz.de -- SPD-Landesvorsitzende über ihre Pläne: „Mehr Raum für Beteilig…
> Nach 100 Tagen Amtszeit spricht Hamburgs SPD-Vorsitzende Melanie Leonhard
> über das linke Profil ihrer Partei und Nachholbedarf bei der
> Gleichstellung.
Bild: Die Landesvorsitzende der SPD Hamburg und Sozialsenatorin Melanie Leonhard
taz: Frau Leonhard, Sie sind jetzt seit 100 Tagen Landesvorsitzende der SPD
in Hamburg. Wann dürfen wir von Ihnen erste neue Impulse erwarten?
Melanie Leonhard: Die gibt es schon. Das betrifft vor allem interne
Abläufe, denn viele GenossInnen wollten, dass verstärkt wieder
Meinungsbildung stattfindet.
Fand die unter ihrem Vorgänger Olaf Scholz nicht statt? Oder nur von oben
nach unten?
Vor allem neuen Mitglieder wollen mehr Raum für Beteiligung, und den haben
wir mit neuen Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden geschaffen.
Auf dem Wahlparteitag am 9. Juni mussten Sie Kritik einstecken. „Mangelnde
Selbstkritik“ und „Schönfärberei“ wurde Ihnen vorgeworfen und ein
„Erneuerungsprozess“ gefordert. Ihre Antwort?
Leonhard: Erneuerung geht nur gemeinsam. Da müssen die Kreise und Distrikte
sich einbringen, das geht nicht von oben. Dazu gehört, Aufgaben breiter zu
verteilen. Niemand muss drei oder vier Posten innehaben. Eben das haben wir
ja an der Spitze vorgemacht: Landesvorsitz und Bürgermeisteramt sind wieder
getrennt worden.
Das sind jetzt alles Interna. Wie soll die inhaltliche Ausrichtung nach
Olaf Scholz aussehen? Muss die Hamburger SPD linker werden?
Links, linker, nicht links genug … das sind kaum aussagekräftige Etiketten.
Man muss sich besser um die Fragen kümmern, die die Menschen in der Stadt
bewegen, ohne ihnen etwas aufzuzwingen. Das betrifft den Zusammenhalt in
der Stadt, den Bildungsbereich, die Gleichstellung, die Zuwanderung, und
auch die Mobilität.
Sie sind ausgewiesene Sozialpolitikerin. Muss die Sozialpolitik, die
Chancengleichheit unabhängig von der Herkunft, die Bekämpfung von Armut in
einer der reichsten Städte, die Integration Benachteiligter, die
Bezahlbarkeit von Wohnraum wieder zum Markenkern der SPD werden?
War es doch immer. Seit die SPD seit 2011 in Hamburg wieder regiert, geht
es um Zugang zu Wohnraum, zu Bildung, zum Arbeitsmarkt. Da bleiben wir
dran. Im Übrigen geht es um Chancengerechtigkeit – und nicht
Gleichmacherei. Ja, es ist noch viel zu tun, aber wir arbeiten schon die
ganze Zeit an diesen großen Themen.
Nicht immer erfolgreich. Kinder- und Altersarmut in Hamburg sind eher noch
gestiegen.
Leonhard: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Wege, die wir
beschritten haben, konsequent weiter gehen müssen. Gleichwohl müssen wir an
bestimmten Stellen die Bemühungen noch intensivieren. Wir haben als erstes
Bundesland den Rechtsanspruch auf kostenfreie Kitaplätze eingeführt. Die
ersten dieser Kinder sind jetzt eingeschult worden und haben nachweislich
weniger Förderbedarf. Da müssen wir sicher noch mehr machen, aber der Weg
ist offensichtlich richtig.
Was muss sich am Schulsystem verändern, damit Chancengleichheit nicht ein
leeres Versprechen bleibt?
Leonhard: Wir müssen den Anspruch auf Ganztagsschule konsequent
durchsetzen. Davon profitieren massiv die Kinder, die aus einem nicht so
ganz lernfreundlichen Umfeld stammen. Da müssen wir ganz konsequent sein,
damit die SchülerInnen von heute morgen eine qualifizierte Ausbildung haben
und ihr Leben selbstbestimmt gestalten können.
Ihr neuer Stellvertreter Matthias Bartke tritt für eine Solidarrente für
Geringverdienende ein, für ein Recht auf Arbeit für Langzeitarbeitslose und
die Entschärfung der Hartz-IV-Sanktionen. Stimmen Sie dem zu?
Leonhard: Ja, klar. Das sind Fragen der Gerechtigkeit. Wir müssen mehr tun
für die, die es besonders nötig haben. Bevor wir aber lange ideologische
Großdebatten darüber führen, ob ein bedingungsloses oder ein solidarisches
Grundeinkommen richtiger und wichtiger ist, sollten wir erst einmal in dem
bestehenden Sozialsystem alle Verbesserungsmöglichkeiten ausschöpfen.
Kinderregelsätze erhöhen, Berufsbildung auch für ältere Arbeitnehmer
ermöglichen und anderes mehr. Mit diesen konkreten Lösungen muss die SPD
sich viel stärker beschäftigen, als sie es bislang getan hat.
Auf dem Parteitag haben Sie sich und die SPD deutlich vom grünen
Koalitionspartner abgegrenzt. Der müsse gelegentlich „untergehakt und auf
den richtigen Weg zurückgeführt“ werden, sagten Sie. Ist das Profilierung
auf Kosten des Regierungspartners?
Eine gute Koalition ist ein Marathonlauf. Und wenn da ein Partner abbiegen
will, um kurzfristig Beifall einzuheimsen, muss man ihn daran erinnern,
dass man nur gemeinsam zum Ziel kommt. Ich finde es nicht gut, wenn man
eine gut funktionierende Zusammenarbeit für kurzfristige Erfolge riskiert.
Sie halten die Grünen für populistisch?
Nein. Nicht die Grünen als solche. Aber einige ihrer PR-Aktionen haben
viele Leute in der SPD massiv geärgert. Natürlich will man als Partei
identifizierbar sein und ein erkennbares Profil haben. Aber das geht nicht
auf Kosten des Koalitionspartners.
Stehen Sie zu einer Fortsetzung von Rot-Grün nach der nächsten
Bürgerschaftswahl 2020?
Es gibt im Moment keine Notwendigkeit, sich Gedanken über Alternativen zu
machen – auch wenn wir uns manchmal ein bisschen zusammen raufen müssen.
Sie sind nach Traute Müller erst die zweite Frau als SPD-Landesvorsitzende
in Hamburg – fühlen Sie sich als Vorzeige- oder Quoten-Frau?
Ich brauchte keinen Versorgungsposten und habe auch keinen bekommen. Es war
eine bewusste Entscheidung: Ich wollte dieses Amt als Landesvorsitzende
gerne haben und fand dafür große Zustimmung, auch auf zwei Parteitagen. Das
Thema Gleichstellung ist in der Partei noch lange nicht am Ende. Ich habe
mich kürzlich mit Traute Müller unterhalten, und wir haben festgestellt,
dass sich viele Themen seit 25 Jahren nicht geändert haben.
Zum Beispiel?
Wie Sitzungen geleitet werden. Wann sie stattfinden und wie lange sie
dauern. Wer wie und wie oft das Wort ergreift und sich auf Kosten von wem
profiliert. Da gibt es weiterhin viel zu tun, auch für mich als neue
Vorsitzende.
Sie haben, ähnlich wie der damalige Fraktionschef Andreas Dressel, es im
März abgelehnt, Nachfolgerin von Olaf Scholz als Bürgermeisterin zu werden
– mit dem Hinweis auf ihre Familie. was muss auch in Hamburg noch
passieren, um Politik und Familie wirklich vereinbar zu machen?
Es gibt ein abstraktes Verständnis, dass Politik familienfreundlich sein
müsse, aber im realen Leben sieht das anders aus. Ich kann nicht zum
Beispiel abends im Familienausschuss der Bürgerschaft sagen, ich muss jetzt
nach Hause zu meinem Kind … was glauben Sie, was da los wäre?
Die taz würden Ihnen einen wohlwollenden Kommentar widmen.
Das ist nett. Ich komme bei Bedarf darauf zurück. In diesem
gesellschaftlichen Bereich haben wir noch richtig viel Nachholbedarf.
Und wann werden Sie nun Bürgermeisterin?
Dieses Amt wurde noch nie von einer Frau bekleidet, das könnte also ein
Ziel sein. Bekanntlich soll man ja nie nie sagen. Aber kurzfristig ist das
keine Option.
2 Jul 2018
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
Marco Carini
## TAGS
Melanie Leonhard
SPD Hamburg
Soziale Gerechtigkeit
SPD Hamburg
SPD Hamburg
Führungspositionen
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