# taz.de -- Machtkonflikt in der Linkspartei: Krisentreffen der Reformer | |
> Das Bündnis zwischen Bartsch und Wagenknecht stößt beim forum | |
> demokratischer sozialismus zunehmend auf Kritik. Jetzt will man sich | |
> aussprechen. | |
Bild: Dietmar Bartsch steht zunehmend unter Druck | |
Die Reformer in der Linkspartei reden nicht drumherum. Der Bundesparteitag | |
Anfang Juni „war für das fds eine deutliche Niederlage“, heißt es in der | |
Einladung. An diesem Sonntag trifft sich das forum demokratischer | |
sozialismus (fds) nun zum Krisentreffen in Berlin. | |
Das knapp 1.700 Mitglieder zählende forum ist unter den innerparteilichen | |
Strömungen innerhalb der Linkspartei eine der einflussreichsten, es besetzt | |
wichtige Posten und mit Dietmar Bartsch die Hälfte der Fraktionsspitze. | |
Doch der Einfluss schwindet: Auf dem Parteitag fielen Kandidaten für den | |
Parteivorstand durch, ein Grundsatzantrag wurde nicht behandelt. 24 Stunden | |
vor dem Parteitag hatten prominente Mitglieder das Forum verlassen. | |
Seitdem Bartsch zusammen mit der einst vom linken Flügel aufgestellten | |
Sahra Wagenknecht die Fraktion führt, rumort es im fds. Die machttaktische | |
Allianz der beiden, Hufeisen genannt, stößt zunehmend auf Kritik, erst | |
recht seit Wagenknecht in der Flüchtlings- und Migrationspolitik [1][die | |
Grenzen des Sagbaren innerhalb der Linkspartei austestet]. | |
Und Ko-Chef Bartsch? Schweigt öffentlich. Am Tag vor dem Parteitag reichte | |
es den Berliner Fraktionschefs, der Brandenburger Landeschefin und der | |
Berliner Vizevorsitzenden Sandra Brunner: Sie erklärten ihren Austritt und | |
begründeten dies mit fehlender Kritik an den „bewussten Regelverletzungen“ | |
von Wagenknecht und Oskar Lafontaine. | |
## Legendenbildung und Lügen | |
Auf dem Delegiertentreffen vor dem Parteitag musste sich ein erschöpft | |
wirkender Dietmar Bartsch einiges an Kritik anhören. Er reagierte | |
ungehalten, sprach von Legendenbildung und Lügen. Doch der Ausbruch konnte | |
nicht verdecken, dass der Fraktionschef unter Druck steht. Die Erklärung | |
der vier war ein Tritt vors Schienbein, sie sollte wehtun. | |
Das forum wurde 2002 von ostdeutschen PDS-Politikern gegründet und zwar als | |
Antwort auf die Linken aus den alten Bundesländer, die 2002, nachdem die | |
PDS aus dem Bundestag geflogen war, die Kontrolle übernahmen und der | |
rot-roten Landesregierung in Berlin die Schuld gaben für alles, was in der | |
PDS gerade schieflief. | |
Rund 100 Pragmatiker in der PDS trafen sich damals auf einer großen | |
Freitreppe vor dem Sitzungssaal und gründeten den fds-Vorläufer „Forum | |
Zweite Erneuerung“. Unter ihnen waren Brunner, aber auch Benjamin Hoff, | |
Stefan Liebich und Dietmar Bartsch. „Wir haben uns damals auf die Schulter | |
geklopft und uns vergewissert, dass wir noch da waren“, erinnert sich Hoff, | |
der heute die Thüringer Staatskanzlei leitet. | |
Für die Reformer gehören soziale Rechte und Bürgerrechte zusammen, sie | |
wollen die Globalisierung gestalten, statt sie zu bekämpfen, und sie legen | |
Wert auf eine Abgrenzung von jenen, „die im Zweifel für autoritäre Politik | |
oder für Sozialstaatspopulismus votieren“, wie Liebich zum zehnjährigen | |
Gründungsjubiläum erinnerte. Es klingt wie ein Gegenentwurf zu der von | |
Wagenknecht angekündigten Sammlungsbewegung. | |
## Emanzipation vom Hufeisen | |
Sie habe lange mit ihrem Austritt gerungen, erzählt Brunner. Der Gedanke | |
sei ihr schon am Abend der Bundestagswahl gekommen, als Wagenknecht | |
erklärte, es brauche Korrekturen in der Flüchtlingspolitik. „Was folgte, | |
war jedoch keine Kritik an Wagenknecht, sondern immer weitere Zumutungen | |
von ihrer Seite, die auf eine Aufweichung von Grund- und Freiheitsrechten | |
hinausliefen.“ | |
Bartschs Berater Stefan Hartmann stellt sich vor diesen. Die westdeutsche | |
Linke habe sich in der Abwägung zwischen Einheit und Klarheit immer für die | |
Klarheit entschieden. Bartsch setze hingegen auf die Einheit der Linken: | |
„Er hält den Laden zusammen.“Doch vielen reicht das nicht mehr als | |
Begründung. Er habe das fds immer als ein Diskussionsforum verstanden, sagt | |
Hoff. „Doch in der Wahrnehmung vieler Mitglieder ist das fds inzwischen die | |
Vorfeldorganisation, die das Machtbündnis von Dietmar Bartsch mit | |
Wagenknecht absichert.“ | |
Die Bundessprecherin des fds, Luise Neuhaus-Wartenberg, gibt als Ziel aus: | |
„Wir möchten als fds Debatten organisieren, die dringend nötig sind.“ | |
Selbstverständlich gehe es nicht nur um das Thema Migration, sondern weit | |
darüber hinaus. „Höchste Zeit ist es.“ | |
Für das fds könnte das heißen, sich von Bartsch und vom Hufeisen zu | |
emanzipieren. | |
21 Jun 2018 | |
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[1] /Kommentar-Parteitag-der-Linkspartei/!5511928 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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