# taz.de -- Kommentar Die WM geht weiter: Schöne Aussichten | |
> Mit dem Ausscheiden der DFB-Elf ist der Blick frei auf ausbalancierte | |
> Schweden und wagemutige Russen. Eines steht fest: Das Turnier geht gerade | |
> erst los. | |
Bild: Erstaunlich stabile Schweden feiern ihren Sieg gegen Mexiko | |
Was wurde über die Schweden gelästert! Unbeweglich, uninspiriert, im Grunde | |
sturmlos; ein Haufen Holzer, ohne Sinn für den Ball; eine limitierte | |
Mannschaft, ohne Glanz und Perspektive. Auch an dieser Stelle hieß es: | |
hüftsteif wie ein Flipboard, ungelenk und unterzuckert. Tannen, Lärchen, | |
Fichten! So stand es hier. Es focht sie nicht an. | |
Gegen Mexiko haben sie ein herausragend realistisches Spiel gemacht. Fünf | |
Mal haben sie aufs Tor geschossen, drei Tore daraus destilliert. Der erste | |
Treffer, kaum zu glauben, fiel obendrein aus dem Spiel heraus, und es soll | |
sogar zu einem Fallrückzieher gekommen sein. Zu einem Fallrückzieher! Von | |
Schweden! Das hat man ja seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen. | |
Die schwedische Mannschaft steht sinnbildlich dafür, [1][was man nicht hat | |
erwarten können – oder eben auch nicht hat erwarten wollen]. Es gab nicht | |
diese Fülle an Überraschungen, wie sie die WM 2014 bereithielt, dieses | |
Underdog-Turnier. Man hat in Deutschland etwas aus den Augen verloren, wie | |
viele Wundertütengeschichten dort geschrieben wurden, weil wegen Mario | |
Götze usw. Triumphe sind Balken im eigenen Auge. Beim jetzigen Turnier aber | |
haben die Fans der deutschen Mannschaft die Gelegenheit, sich all den | |
Phänomenen zu widmen, die vorauszusehen die Fixierung auf nur ein Team | |
verhinderte. | |
Es ist freilich nicht nur das erstaunlich stabile, ausbalancierte Schweden, | |
sondern auch Mexiko, das einen fein geschliffenen Konterfußball zu | |
zelebrieren in der Lage ist und mit Ochoa einen Torhüter hat, dessen | |
Paraden die Eleganz und Extravaganz eines Ballkleides haben. Es gibt auch | |
Russland, selbstverständlich, das vorher (auch hier!) als mutmaßlich | |
schwächster Gastgeber aller Zeiten galt und sich dann mit Wagemut und | |
Entschlossenheit in das Turnier hineinrammte, als gäbe es dahinter | |
Freibier. | |
Und da ist auch das ungeheuer kultivierte, gut abgehangene Japan, das in | |
großer Ruhe einen Ballbesitzfußball praktiziert, der dahinfließt wie ein | |
auengesäumter Fluss. Kolumbien vielleicht, das ein Haufen Granit ist, wie | |
die Notre-Dame in Paris auch. Oder eben Senegal, mit seiner schnörkellosen | |
Zielstrebigkeit. Vor allem aber auch England, das endlich seine | |
Körperlichkeits-Obsession in Dynamik übersetzt bekommt; jahrzehntelang war | |
Englands berühmtestes Fußballbild jenes von Terry Butcher, wie er nach | |
einem Spiel mit blutdurchtränktem Mullturban, feine rote Rinnsale im | |
Gesicht, den Blick zur Seite lenkte. | |
## „Seht euch die Spiele selbst an“ | |
Es illustrierte, was der Journalist Simon Kuper meinte, als er sagte, | |
England versuche bei jedem Spiel, die Schlacht von Dünkirchen | |
nachzustellen. Man wird, das verspricht diese Vorrunde, für die Three Lions | |
neue Bilder finden müssen. | |
Und es sind auch die Spieler: [2][Isco, der wilde Kerl, der den | |
arrivierteren Spielern Spaniens] das Spiel aus der Hand gerissen hat. Er, | |
als Mittelfeldspieler, ist der Herzschrittmacher dieser Maschine, die | |
Spanien ist. Romelu Lukaku, über den Schiller einst schrieb: „Vor | |
Unwürdigem kann dich der Wille, der ernste, bewahren, alles Höchste, es | |
kommt frei von den Göttern herab.“ Und werden die Gebrüder Blattschuss da | |
im kroatischen Mittelfeld weiterhin mit Präzision Tackling und Torschuss | |
verbinden? | |
Aber es sind freilich nicht nur die unerwarteten Siege, es ist obendrein | |
das Scheitern jener, die auf dem Thron sitzen. Wie oft wird Neymar es noch | |
schaffen, über den Boden zu rollen, ohne dass sich seine Beine verknoten? | |
Und wird Ronaldo seiner Mannschaft etwas Glamour verpassen können? Wird | |
Frankreich aus seiner Pomadigkeit erwachen, wird Argentinien ein System | |
finden, das nicht wie in einem wirren Fiebertraum ersonnen wirkt? | |
Vieles davon wurde vorab beantwortet (auch hier!), und vieles davon falsch. | |
Dieses Spiel ist unvorhersehbar, und die Spiele jetzt werden es umso mehr. | |
„Liebe Leser“, schrieb ein gewisser F. Richard bereits 1923 im kicker, | |
„habt Mißtrauen zu euren Sportkritikern! Seht euch die Spiele selbst an.“ | |
Eben, eben. | |
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der deutschen Mannschaft Sandro Wagner | |
gutgetan hätte. | |
29 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Frederic Valin | |
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