| # taz.de -- Literaturverfilmung von „Am Strand“: Vor der Ehe, nach dem Sex | |
| > Ungute Spannung zwischen Körpern: Dominik Cooke verfilmt Ian McEwans | |
| > Novelle „Am Strand“ mit einer brillanten Saoirse Ronan. | |
| Bild: Unbedarft auch hier: Florence und Edward | |
| Zwei Frischvermählte: Florence (Saoirse Ronan) und Edward (Billy Howle) | |
| sitzen nach der Trauung in ihrem Hotelzimmer am Chesil Beach. Die Musik aus | |
| dem Radio ist flotter als die gediegen-biedere Einrichtung. Man blickt | |
| einander erwartungsvoll an. Erst müssen aber die invasiven Kellner | |
| überstanden werden, die dem Paar das Hochzeitsessen eher aufnötigen als | |
| servieren. Trotz silberner Gloschen auf den Tellern eine recht triste | |
| Angelegenheit. | |
| Vor dem Verlassen des Zimmers macht einer der Kellner zu Edward noch eine | |
| anzügliche Bemerkung, die anspielt auf das Gelingen der Hochzeitsnacht, dem | |
| unmittelbar bevorstehenden nächsten Tagesordnungspunkt. Man ahnt schon zu | |
| Beginn von „Am Strand“, der Verfilmung [1][der gleichnamigen Novelle] des | |
| britischen [2][Schriftstellers Ian McEwan], dass diese Beiwohnung nicht | |
| ganz nach Wunsch gelingen wird. | |
| Ironisch im Tonfall und unnachgiebig in der Sache ist McEwans Vorlage, und | |
| die Leinwandversion von Dominik Cooke, einem Theaterregisseur, der hier | |
| sein Spielfilmdebüt gibt, hält sich mit ihrer Vorliebe für | |
| situationskomische Peinlichkeiten weitgehend an diese Koordinaten. | |
| Cooke vertraut bei der Inszenierung des Ungenügens und der Unbeholfenheit | |
| des Paars vor allem der virtuosen Körperarbeit von Saoirse Ronan und Billy | |
| Howle. Sie stocksteif, mit seitlich wegrutschenden Blicken, die der | |
| Situation entfliehen zu wollen scheinen, und Händen, die verzweifelt Stoff | |
| knüllen, er mit einer ungeschlachten Rechteckigkeit, die eines | |
| Kleiderschranks würdig wäre. | |
| Ein bisschen erinnert die Konstellation an die gern missverstandene These | |
| des Psychoanalytikers Jacques Lacan, für den galt: „Es gibt kein | |
| Geschlechtsverhältnis.“ Tatsächlich fehlt zwischen Florence und Edward | |
| etwas. Und genau das, was bei ihnen fehlt, ist die Sprache für das, was mit | |
| ihnen passieren soll: der erste eheliche – und mutmaßlich überhaupt erste �… | |
| „Vollzug“. Dass die Handlung im Jahr 1962 spielt und die sexuelle | |
| Revolution erst noch stattgefunden haben wird, macht die Lage nicht | |
| einfacher. | |
| ## Nicht nur ein intimer Misserfolg | |
| Während die These zum Geschlechtsverhältnis für Lacan eine theoretische | |
| Zuspitzung dessen ist, wie sich die Beziehung zwischen Frau und Mann | |
| sprachlich darstellen oder eben gerade nicht darstellen lässt, führt die | |
| Geschichte von „Am Strand“ in schmerzhafter Form vor, wie so ein | |
| Nichtverhältnis nicht nur den Sex als solchen weitgehend verhindern, | |
| sondern gleich eine ganze Beziehung in Schieflage bringen kann. Die Sache | |
| wird nicht bloß zum intimen Misserfolg, sie hat auch weitreichende | |
| Konsequenzen für das Paar. | |
| Die Entwicklung hin zur matrimonialen Katastrophe unterbricht Cooke immer | |
| wieder mit Rückblenden, was dem Film seinen Rhythmus zwischen Szenen | |
| höchster Anspannung und größerer Gelöstheit gibt. Florence und Edward | |
| erinnern im Wechsel ihre gemeinsame Vergangenheit, die, soweit die Umstände | |
| der Zeit erlaubten, hoffnungsvoll begann. | |
| Auch Kindheitserinnerungen des ungleichen Paars mischen sich ins Bild. Und | |
| deutliche Hinweise auf den Klassenunterschied – Florence ist Upperclass, | |
| spielt als Violinistin im Streichquartett, der Vater ist Fabrikbesitzer, | |
| die Mutter Philosophieprofessorin in Cambridge (tiefkühldistinguiert: Emily | |
| Watson). Edwards Vater hingegen arbeitet als Lehrer auf dem Land, die | |
| Mutter ist nach einem Unfall schwer verwirrt. | |
| Diese Ebenen, aus denen sich ein Gesellschaftsporträt im Kleinen ergibt, | |
| verlässt der Film gegen Ende, als die Erzählung über die siebziger Jahre in | |
| die Gegenwart gelangt. An diesem Punkt verliert der Film dann leider auch | |
| seine Form, die ihn so interessant macht. Die fragile Zärtlichkeit zwischen | |
| Florence und Edward will sich nicht mehr einstellen, wenn sie sich im hohen | |
| Alter, anders als in der Vorlage, noch einmal wiedersehen. Fein beobachtete | |
| Verzweiflung schlägt dann unversehens um in bittersüßen Kitsch. Wäre als | |
| Coda nicht nötig gewesen. | |
| 26 Jun 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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