# taz.de -- Folgen der Finanzkrise in Griechenland: Steuern, mehr Steuern, Sond… | |
> Nach acht grausamen Krisenjahren soll Griechenland bald aus dem | |
> Rettungsprogramm entlassen werden. Nicht nur Experten sind skeptisch. | |
Bild: Demonstration am Tag des Generalstreiks gegen das „ungerechte Steuersys… | |
ATHEN taz | Eigentlich läuft das Geschäft nicht schlecht, jedenfalls besser | |
als vor drei Jahren, auf dem Höhepunkt der Krise“, sagt Weinhändler | |
Dimitris Stamatopoulos. Seit den frühen Siebzigern betreibt seine Familie | |
einen Weinladen im Athener Stadtteil Psychikon, in der Nachbarschaft kennt | |
ihn jeder. Ob am Montagvormittag oder Samstagabend um elf Uhr, Dimitris | |
Stamatopoulos ist immer zur Stelle, wenn jemand einen guten Tropfen, einen | |
preiswerten Wein oder ein Partygeschenk braucht. | |
Auch sein Vater hilft an der Kasse oder füllt Regale auf, obwohl er das | |
Rentenalter längst erreicht hat und gesundheitlich angeschlagen ist. Noch | |
im Sommer 2015, als in Griechenland Kapitalkontrollen eingeführt wurden und | |
zudem neue Sparrunden bevorstanden, musste Dimitris Stamatopoulos um seine | |
berufliche und finanzielle Existenz kämpfen. Denn er war – und ist immer | |
noch – verpflichtet, seine Steuern und Sozialabgaben im Voraus zu | |
entrichten, obwohl viele Kunden ihre Rechnungen bei ihm erst verspätet | |
zahlen. „Aber jetzt ist wieder etwas mehr Geld im Umlauf, das merkt man | |
doch, die Leute gönnen sich mal wieder eine Flasche Wein“, sagt der | |
40-Jährige. | |
Nach der großen Krise normalisiert sich die Lage in Griechenland langsam. | |
Das hochverschuldete Land wird ein letztes Hilfspaket von EU-Institutionen | |
bekommen. Ab dem 21. August soll es dann finanziell wieder eigenständig | |
sein und selbst ermächtigt, Geld über die Kapitalmärkte zu besorgen. Das | |
haben die EU-Finanzminister in der Nacht zum Freitag beschlossen. | |
## Eine letzte Hilfstranche | |
Nach zähen Verhandlungen haben sie sich darauf verständigt, dem | |
hochverschuldeten Land um zehn Jahre verlängerte Laufzeiten für die | |
Kreditrückzahlungen zu gewähren. Außerdem bekommt das Land eine letzte | |
Hilfstranche von 15 Milliarden Euro. „Ich denke, das ist das Ende der | |
griechischen Krise“, [1][sagte der griechische Finanzminister Euklid | |
Tsakalotos]. Er sieht in der Einigung über das Auslaufen des Hilfsprogramms | |
einen „historischen Moment“. | |
Hinter Griechenland liegen dramatische Jahre. In den acht Jahren seit | |
Beginn der Rettungsaktionen sei das Land zweimal gefährlich nahe an einem | |
Ausschluss aus der Eurogruppe gewesen, resümierte EU-Finanzkommissar Pierre | |
Moscovici. Für die Kredite in Milliardenhöhe mussten die Griechinnen und | |
Griechen ein striktes Sparprogramm über sich ergehen lassen. Auch wurden | |
immer wieder die Steuern erhöht. Über 50 Prozent seines Bruttoeinkommens | |
muss Weinhändler Stamatopoulos an Steuern und Sozialbeiträgen abführen, | |
dazu kommt die hohe Mehrwertsteuer von 24 Prozent. Seit 2016 wird Wein in | |
Hellas auch noch mit einer zusätzlichen Sondersteuer belastet, als wäre er | |
ein Luxusgut. | |
Allzu oft hat die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras versprochen, | |
diese Steuer abzuschaffen, und hält trotzdem an ihr fest, wenn der nächste | |
Haushaltsentwurf ansteht und neue Einnahmen dringend nötig sind. Nach | |
Angaben von Oppositionspolitikern hat die Überbesteuerung der Branche zur | |
Folge, dass der illegale Weinverkauf um bis zu 70 Prozent zugenommen hat. | |
Allerdings können oder wollen Weinhändler nicht auf die Straße gehen, um | |
gegen Spardiktate zu demonstrieren. | |
Bei Staatsdienern ist das anders: Immer wieder bringen sie ihren Unmut | |
lautstark zum Ausdruck – zuletzt am 30. Mai, als die mächtige | |
Beamtengewerkschaft Adedy zum Generalstreik gegen das „ungerechte | |
Steuersystem“ und abermalige Einsparungen im öffentlichen Sektor aufrief | |
und das öffentliche Leben in Athen durch ihre Protestaktionen lahmlegte. | |
Dazu kam die straff geführte Pame, die Gewerkschaft der orthodoxen | |
kommunistischen Partei, die immer noch an vorderster Front gegen „das | |
Kapital“ kämpft. Mit ihren weiß-blauen-roten Flaggen zeigen Pame-Leute | |
Präsenz bei allen Demos gegen die Sparpolitik, bestehen aber auch darauf, | |
dass sie an Streiktagen ihre eigenen Protestaktionen direkt vor dem | |
Parlament organisieren. Anderen Gewerkschaften werfen sie nämlich vor, mit | |
„dem Kapital“ unter einer Decke zu stecken. | |
## Sparzwänge durchsetzen | |
„Wir müssen die Arbeiterbewegung wieder stärken, während Tsipras und die | |
Konservativen immer näher kommen“, forderte Kommunistenchef Dimitris | |
Koutsoumbas bei der letzten Pame-Demo am 30. Mai. Immerhin sind die | |
orthodoxen Kommunisten fünfstärkste politische Kraft in Griechenland. Trotz | |
Gegenwind will Regierungschef Tsipras die Sparzwänge, einschließlich | |
neuer Rentenkürzungen, weiterhin durchsetzen. | |
Dadurch, so lautet sein Kalkül, würden die Geldgeber und vor allem die | |
Finanzmärkte endgültig überzeugt, dass Griechenland seine | |
Haushaltssanierung ernsthaft voranbringt. Dann winken weitere | |
Schuldenerleichterungen – auch wenn ein klassischer Schuldenschnitt, wie | |
ihn Tsipras in früheren Wahlkämpfen versprochen hat, nicht mehr infrage | |
kommt. | |
Der Linkspremier will den Abschluss des EU-Hilfsprogramms nun aber als das | |
„Ende der Spardiktate“ verkaufen und damit spätestens 2019 Wahlkampf | |
machen. Die Zahlen sprechen durchaus dafür: Nach acht scheinbar unendlichen | |
Krisenjahren erwartet die EU-Kommission in Griechenland ein Wachstum von | |
1,9 Prozent. Der sogenannte Primärüberschuss im Haushalt, also ohne | |
Berücksichtigung der Kosten für den Schuldendienst, beträgt über 7 | |
Milliarden Euro. Das bedeutet, dass der Fiskus mittlerweile deutlich mehr | |
einnimmt als ausgibt. | |
In ihrer mittelfristigen Finanzplanung für den Zeitraum 2019 bis 2022, die | |
Mitte Juni im Parlament verabschiedet wurde, verpflichtet sich die | |
Regierung Tsipras, auch in den nächsten Jahren hohe Überschüsse zu | |
erwirtschaften. „Ein hoher Überschuss ist immerhin ein sicheres Zeichen | |
dafür, dass die griechische Schuldenlast tragbar wird“, lobt Panagiotis | |
Petrakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen. | |
Doch die hohe Schuldenquote mache der Wirtschaft immer noch zu schaffen. | |
Höhere Wachstumsraten und neuer Reichtum müssten her, damit Griechenland | |
den Teufelskreis der Schulden durchbricht, sagt der Ökonom. | |
Weinhändler Stamatopoulos sieht vor allem im Tourismus noch großes | |
Wachstumspotenzial für Griechenland. Allerdings: „Selbst | |
Hotelübernachtungen und Tavernen werden hierzulande mit Sondersteuern | |
belegt. So etwas machen Konkurrenten wie Bulgarien oder die Türkei nicht“, | |
sagt er. | |
Große Chancen biete auch das Exportgeschäft. Die Qualität griechischer | |
Topweine, um nur ein Beispiel zu nennen, sei hervorragend, attestiert der | |
Fachmann. „Aber wir müssen einfach mehr aus unseren Möglichkeiten machen | |
und – soweit möglich – auch Kosten drücken und bessere Preise bieten“, … | |
er hinzu. | |
## Bedingungen verbessern | |
Wichtig ist nun auch, dass die Regierung die Investitionsbedingungen in | |
Griechenland verbessert. Beispiel Steuerpolitik: 2016 wurde das letzte | |
umfassende Steuergesetz verabschiedet und seitdem zwanzigmal geändert. Das | |
erschwert eine vernünftige Planung, mahnen Experten. | |
Auch Weinhändler Dimitris Stamatopoulos glaubt, es sei ganz wichtig, dass | |
die griechische Regierung Investitionsanreize bietet – und vor allem die | |
Steuern senkt. Ansonsten gälte: „Im August ist das griechische | |
Rettungsprogramm zwar zu Ende, aber es wird sich nicht viel ändern, | |
jedenfalls nicht sofort. In Griechenland braucht man eben den Mut zum | |
langen Atem.“ | |
22 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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