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# taz.de -- Wissenschaft für die Öffentlichkeit: Raus aus dem Elfenbeinturm
> Die Wissenschaft sucht neue Wege, um mit der Zivilgesellschaft in Dialog
> zu treten. In den Städten gibt es immer mehr „Häuser der Wissenschaft“.
Bild: Lange Nacht der Wissenschaften im Futurium Berlin. Offiziell eröffnet wi…
Die Wissenschaft sucht neue Wege, wie sie die Menschen außerhalb der
akademischen Elfenbeintürme erreichen kann. Die in den letzten Jahren stark
ausgebaute Wissenschaftskommunikation, die Forschung auf verständliche
Weise erklären will, hat offenbar ihren Zenit überschritten. Stärker auf
direkte Bürgerbeteiligung setzt die junge Bewegung der
„Wissenschaftshäuser“, die sich in dieser Woche auf einer Konferenz des
Stifterverbandes in Berlin vorstellte.
Der Stifterverband, der jene gemeinnützigen Stiftungen bündelt, die mit
Geld aus der Wirtschaft die Wissenschaft fördern, hatte bereits im Jahr
2005 einen Impuls in diese Richtung gegeben. Damals wurde der Wettbewerb
„Stadt der Wissenschaft“ gestartet, in dem jährlich eine Kommune
ausgezeichnet wurde, in der Wissenschaft einen stadtprägenden Charakter
einnahm und dabei von der Stadtpolitik aktiv unterstützt wurde. Den ersten
Preis erhielten Bremen und Bremerhaven, gefolgt von Dresden und
Braunschweig. Knappe 50 deutsche Städte, die das Interesse hatten,
wissenschaftliches Renommee für ihr Stadtmarketing einzusetzen, beteiligten
sich bis 2013.
Bemerkenswert selbstkritisch bilanzierte der stellvertretende
Generalsekretär des Stifterverbandes, Volker Meyer-Guckel, in seiner
Begrüßung, dass es heute darum gehen müsse, „sich von der Community der
Wissenschaftskommunikation zu lösen“. Derzeit würden darüber praktisch nur
jene Bürger erreicht, die ohnehin schon der Wissenschaft naheständen. „Wir
müssen aber viel mehr zum Teil der Gesellschaft werden und uns nicht als
Kreis der Erleuchteten darstellen“, so Meyer-Guckel. Dazu brauche es einen
„dialogorientierten Transfer“, der sich auch an „die Menschen am unteren
Ende der Gesellschaft“ richte – die im Übrigen nicht unwissend seien,
sondern auch über viele Erfahrungen verfügten, die den professoralen
Stätten abgehen. Die nächste Phase der Begegnung von Wissenschaft und
Gesellschaft sollte seiner Meinung nach davon geprägt sein, „gegenseitig
voneinander zu lernen“.
Dazu braucht es „neutrale Orte“, wie es die „Häuser der Wissenschaft“ …
wollen, die in einigen Städten bereits entstanden sind, zum Beispiel das
„Schlaue Haus“ in Oldenburg oder die „Wissenschaftsetage“ im Bildungsfo…
Potsdam. „Um der Rolle von Wissenschaft in der Gesellschaft gerecht zu
werden, sollten Häuser der Wissenschaft oder vergleichbare Orte – ähnlich
wie Theater oder Museen – zum selbstverständlichen kulturellen Angebot von
Städten gehören“, heißt es in einem Papier des „Strategiekreises Wista �…
Wissenschaft in der Stadt“, das von den Organisatoren bestehender
Wissenschaftshäuser verfasst wurde und den Anstoß zu der Berliner Konferenz
gab. „Häuser der Wissenschaft sind offene Orte, an denen Erkenntnisse der
Wissenschaft an die Stadtgesellschaft weitergegeben (‚Open Science‘) und
Impulse der Zivilgesellschaft aufgegriffen werden (‚Citizen Science‘)“,
beschreibt das Positionspapier den angestrebten Austausch zwischen
Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft.
Jenseits des hergebrachten Stadtmarketings wird die Wissenschaft für die
Zukunftsfähigkeit von Städten immer wichtiger, hebt Karen Minna Oltersdorf
als Koordinatorin der Wista-Gruppe hervor. Kommunale Entscheidungsträger
erwarteten immer stärker, „Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung für
gesellschaftliche Herausforderungen und wirtschaftliche Entwicklung im
Rahmen von innovativen Technologietransfers zu nutzen“. Stichworte sind die
lokalen Auswirkungen des Klimawandels, Migration, Digitalisierung,
Verkehrsplanung oder Wohnungsbau.
## Ohne Unterstützung geht es nicht
Die gegenwärtigen „Häuser der Wissenschaft“ sind in ihren Konstruktionen
breit gefächert. Häufig gibt es einen Trägerverein, an dem neben der
Kommune auch Unternehmen oder die IHK, wissenschaftliche Einrichtungen und
Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligt sind. Unerlässlich für den
Erfolg ist die Unterstützung durch die kommunalen Amtsträger, vor allem den
Oberbürgermeister. Wo dieses „Backing“ abhandenkommt, wie in Lübeck nach
einem Amtswechsel, kommt das Projekt ins Schlingern.
In Braunschweig ist das „Haus der Wissenschaft“ zwar mitten auf dem Campus
der TU angesiedelt. Für den neuen Geschäftsführer der GmbH, Thorsten Witt,
ist es darum wichtig, an andere Orte in der Stadt zu gehen, auch um neue
Zielgruppen zu erreichen. „Wir müssen schon aufpassen, dass unser Haus kein
Elfenbeinturm der Wissenschaft wird“, sagt Witt.
„Wir haben noch kein Haus, sind aber auf dem Weg“, berichtet Uta Kolano aus
Halle (Saale). Hier bündelt der Verein „Science2public“ die Aktivitäten,
darunter das Konzept für einen markanten Neubau, der 2020 fertig sein soll.
Partner für die Wissenschaft werden auch anderswo gesucht. Ende Juni hat in
der Saalestadt das „Silbersalz“-Filmfestival Premiere, das zwecks
Ideentransfer Forscher mit Filmproduzenten zusammenbringen will.
## Blütezeit er Wissenschaftsläden
In Bielefeld ist das „Wissenschaftsbüro“ mit zwei Personalstellen derzeit
beim kommunalen Stadtmarketing angegliedert. Im Auftrag des
Oberbürgermeisters wurde das Konzept für eine „WissensWerkStadt“
entwickelt, die in das Gebäude der ehemaligen Stadtbibliothek einziehen
soll. Mit Drittmitteln sollen 1,4 Millionen Euro zusammenkommen, um den
Betrieb zu finanzieren. Jetzt muss das Stadtparlament entscheiden, ob es
den kommunalen Anteil von 840.000 Euro jährlich freigibt. Viele Projekte
des bürgernahen Forschens erinnern an die Wissenschaftsläden, die in den
80er Jahren ihre Blütezeit hatten. Weitere Wissenschaftshäuser, die sich in
Berlin vorstellten, waren aus Bochum, Potsdam, Siegen, Regensburg und
Karlsruhe.
Auch für Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance
Platform, ist die öffentliche Kommunikation der Hochschulen „zu stark an
Mittel der PR angedockt“, um einseitig die Leistungen der Wissenschaft
darzustellen, während „die Probleme der Gesellschaft nicht angeschaut
werden“. Aber auch aus einem anderen Grund sei es für die Forscher wichtig,
den Dialog mit der Gesellschaft zu suchen: „Wissenschaft gelingt dann
besser“, so Schwan.
„Je mehr gesellschaftliche Perspektiven in den Forschungsprozess
einfließen, desto weniger kommen Partikularinteressen zum Tragen.“ Konkret
bot die Politikwissenschaftlerin an, ihre Erfahrungen mit der
„Stakeholder-Partizipation“, die sie in über 20 „Trialogen“ mit Vertre…
von Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft etwa zu Fragen der
Energiewende gewonnen hat, auch als Debattenformat der neuen
Wissenschaftshäuser einzubringen. „Wie wollen wir unsere Stadt in den
nächsten zehn Jahren weiterentwickeln?“, schlug Schwan als Thema vor, an
dem alle interessiert sind und das auch alle betrifft.
24 Jun 2018
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Wissenschaftskommunikation
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