| # taz.de -- Parteitag der Linken in Leipzig: Herz, Seele und Oktoberrevolution | |
| > Katja Kipping und Bernd Riexinger wurden wiedergewählt, aber mit einem | |
| > deutlichen Dämpfer für die Parteichefin. Und sonst? | |
| Bild: Der neue, alte Parteivorsitz: Bernd Riexinger und Katja Kipping | |
| Leipzig taz | Die Linke hat ihre Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd | |
| Riexinger im Amt bestätigt. Kipping erhielt jedoch nur 64,6 Prozent, | |
| Riexinger 73,8 Prozent. Bei der Wahl 2016 hatte Kipping 74 Prozent | |
| erhalten, Riexinger 78,5 Prozent. Gegenkandidaturen gab es nicht. | |
| Bereits bei den Reden von Kipping und Riexinger am Samstagmorgen und | |
| [1][Freitagabend] hatte sich abgezeichnet, dass die Entscheidung trotz | |
| monatelanger Querelen zwischen Fraktion und Partei zugunsten einer | |
| Bestätigung der Parteichefs verlaufen würde. Beide erhielten nach ihrer | |
| Rede Standing Ovations von rund zwei Dritteln bis drei Vierteln der | |
| Delegierten. Ein erheblicher Teil blieb allerdings sitzen. | |
| Der Beifall war immer dann am stärksten, wenn beide die | |
| [2][flüchtlingspolitischen Positionen] der Partei bekräftigten. „Das Treten | |
| nach unten ist alltäglich geworden, über Geflüchtete wird nur noch als | |
| Problem gesprochen“, sagte Kipping. „Die Grenzen verlaufen nicht zwischen | |
| Deutschen und Nicht-Deutschen, die Grenzen verlaufen zwischen Klassen.“ Sie | |
| machte Sahra Wagenknecht ein Versöhnungsangebot – „wir sind alle Teil der | |
| Linken, und das ist gut so. In unserer Partei gibt es weder Rassisten noch | |
| Neoliberale“ –, griff aber Wagenknechts Mann Oskar Lafontaine an: „Ich | |
| möchte Oskar Lafontaine persönlich ansprechen. Nach dem Parteitag muss | |
| Schluss damit sein, dass die demokratische Beschlusslage zur | |
| Flüchtlingspolitik in Frage gestellt wird.“ | |
| „Die Linke verliert Herz und ihre Seele, wenn wir uns nur auf | |
| nationalstaatliche Verteilungskämpfe beschränken“, hatte Riexinger am Abend | |
| zuvor gesagt. Lafontaine und Wagenknecht hatten beide seit 2015 die | |
| flüchtlingsfreundliche Position der Partei kritisiert, die „offene Grenzen | |
| für alle“ fordert. „Mit großer ideologischer Hartnäckigkeit“ werde „… | |
| Lohn- und Mietkonkurrenz geleugnet, die entsteht, wenn sehr viele Menschen | |
| zu uns kommen“, hatte Lafontaine zuletzt im [3][taz-Interview] gesagt. | |
| Gregor Gysi schlug sich in seiner Rede am Nachmittag auf die Seite des | |
| Parteivorstands, ohne Wagenknecht und Lafontaine namentlich zu erwähnen. | |
| „Auch rechte Bewegungen können sich für soziale Gerechtigkeit innerhalb | |
| einer Nation einsetzen. Deshalb ist der Internationalismus Kernfrage der | |
| Linken“, sagte er. „Probleme können mit Abschottung niemals gelöst werden. | |
| Bevor die Flüchtlinge in Deutschland waren, gab es kein höheres Hartz IV | |
| und seitdem gibt es kein niedrigeres Hartz IV.“ 2016 seien 60 Prozent der | |
| Zugewanderten in Deutschland aus Europa gekommen. „Spricht das gegen die | |
| Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU? Das kann nicht unsere Forderung sein“, | |
| sagte Gysi. | |
| ## Große Mehrheit für Leitantrag zu „offenen Grenzen“ | |
| Der Leitantrag des Parteitages, in dem auch die Flüchtlingspolitik | |
| angesprochen wird, wurde mit großer Mehrheit verabschiedet. In ihm ist | |
| allerdings nicht von „offenen Grenzen“ für alle wie im Grundsatzprogramm | |
| die Rede, sondern nur von „offenen Grenzen“ im Zusammenhang mit | |
| Fluchtbewegungen. „Wir wollen das Sterben im Mittelmeer und an den | |
| europäischen Außengrenzen beenden. Dafür brauchen wir sichere, legale | |
| Fluchtwege, offene Grenzen und ein menschenwürdiges, faires System der | |
| Aufnahme von Geflüchteten und einen Lastenausgleich in Europa“, heißt es | |
| wörtlich. | |
| Parteivorstand und Wagenknecht machten deutlich, dass sie diesen Absatz | |
| verschieden zu interpretieren gedenken. „Alle Parteien diskutieren die | |
| Flüchtlingspolitik, niemand hat abschließende Positionen, deshalb wird die | |
| Debatte auch nicht nach unserem Parteitag beendet sein“, sagte Wagenknecht | |
| dem Fernsehsender phoenix. „Es muss offene Grenzen für Verfolgte geben, | |
| aber wir dürfen auf keinen Fall sagen, dass jeder, der möchte, nach | |
| Deutschland kommen kann, hier Anspruch auf Sozialleistungen hat und sich | |
| hier nach Arbeit umsehen kann.“ Für Kipping und Riexinger bedeutet der | |
| Leitantrag allerdings keine Abkehr von Grenzen für alle, wie sie schon vor | |
| dem Parteitag in einem Interview mit dem Neuen Deutschland gesagt hatten. | |
| Über Stunden hatte der Parteitag am Samstag den Leitantrag debattiert. | |
| Dabei ging es kaum um Flüchtlingspolitik. Vor allem der orthodoxe, | |
| papiergläubige Flügel nutzte die Gelegenheit zu zahlreichen | |
| Änderungsanträgen und hatte mit zwei wichtigen Erfolg. So wurde der | |
| unkritische Bezug auf die Oktoberrevolution gegen den Parteivorstand | |
| hineingestimmt: „Die Oktoberrevolution war die erste siegreiche Revolution | |
| mit sozialistischer Orientierung“, heißt es nun im Leitantrag. | |
| Auch die Verstaatlichung oder die Überführung in „andere gesellschaftliche | |
| Eigentumsformen“ von „Unternehmen der Daseinsvorsorge, Banken und | |
| Versicherungen, Energiekonzernen, Unternehmen der Pharma- und medizinischen | |
| Industrie, der Telekommunikation und weiterer Schlüsselindustrien“ wurde | |
| gegen den Parteivorstand beschlossen. Am späten Nachmittag lehnte der | |
| Parteitag zwei russlandfreundliche Anträge mit großer Mehrheit ab. | |
| 9 Jun 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Reeh | |
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