# taz.de -- App der identitären Bewegung: Rechtsextreme Scheinspielereien | |
> Mit „Patriot Peer“ will die identitäre Bewegung rechte Aktivist*innen per | |
> Smartphone vernetzen. Bald könnte die App fertig sein. | |
Bild: Die App von IBÖ-Chef Martin Sellner (links) ist kein Spiel, sondern eine… | |
Martin Sellner, Kopf der identitären Bewegung in Österreich, ist glücklich. | |
Wie ein Teenager sitzt er im Wiener Türkenschanzpark und spielt an seinem | |
Smartphone. Zwei Mitglieder der IB sind bei ihm und testen gerade den neuen | |
„Patrioten-Radar“ der identitären Bewegung. Am Ende des Videos auf Sellners | |
Youtube-Kanal, in dem sich diese Szene abspielt, geben beide ein scheinbar | |
auswendig gelerntes Statement darüber ab, wie toll sie die App „Patriot | |
Peer“ finden. | |
„Kräfte vernetzen“, die „schweigende Mehrheit visualisieren“ und den | |
„Widerstand als Spiel“ aufbereiten: Laut offizieller Website soll die App, | |
an der die IB um Martin Sellner seit über einem Jahr arbeitet, all das | |
können. Finanziert wird das Projekt durch Spenden, die über das Portal | |
kickstarter gesammelt wurden. Die Produktion dauerte deutlich länger als | |
erwartet, eine [1][Anklage gegen 17 österreichische Identitäre] | |
verkomplizierte die Veröffentlichung der App um ein Weiteres. Nach einem | |
Aufruf über den Vlog von Martin Sellner, der selbst angeklagt ist, hat sich | |
nun jemand anderes gefunden, der die App auf den Markt bringt: Kai | |
Alexander Naggert, IT-Manager und Mitglied der Identitären Bewegung in | |
Nordrhein-Westfalen. Sobald die Anwendung fertig getestet und | |
DSGVO-tauglich ist, soll sie in den jeweiligen App-Stores erhältlich sein. | |
„Patriot Peer“ ist zunächst eine für Jede*n zugängliche Netzwerk-App mit | |
Ortungsfunktion. Nutzer*innen erstellen ein Profil, entscheiden, wann und | |
für wen sie sichtbar sein wollen und sehen andere auf einer Karte. Die | |
können dann „gepingt“ und „gepeert“ (angestupst und durch gegenseitigen | |
QR-Code-Scan befreundet) werden und mit anderen User*innen Kontakt | |
aufnehmen. Zusätzlich baut die App auf spielerische Weise Hierarchien auf: | |
Nutzer*innen sammeln mit jedem neuen „Peer“ Punkte und steigen je nach | |
Punktzahl in höhere Levels auf. „Peers“ aus höheren Levels geben mehr | |
Punkte. Für wen man sichtbar ist, kann dabei je nach Level eingestellt | |
werden. | |
Was wie eine sinnlose, aber herkömmliche App klingt, wollen die „Patrioten“ | |
von der identitären Bewegung für ihre rechten politischen Zwecke nutzen. | |
Auf IB-Veranstaltungen und bei politischen Aktionen soll es dann QR-Codes | |
geben, die Punkte einbringen. Wenn man sich ansieht, was die IB sonst so | |
macht, gibt es wohl bald auch Punkte dafür, [2][Boote von | |
Hilfsorganisationen im Mittelmeer an ihrer Arbeit zu hindern] oder | |
kulturelle und politische Veranstaltungen zu stören. Die App, die die IB | |
entworfen hat, wirkt wie eine spielerisch aufbereitete Kaderschmiede, die | |
rechtes und völkisches Gedankengut hip, smartphone- und wettbewerbsfähig | |
machen soll. Der Hass, der durch die IB verbreitet wird, soll nun auch noch | |
Punkte und Spaß bringen und die Hierarchien unter einander festigen. Schon | |
jetzt misst Sellner sich in seinen Videos mit anderen Identitären an seinen | |
Punkten. | |
## Reaktionen zwischen Angst und Begeisterung | |
Auf Youtube erhalten Sellners Videos über Patriot Peer viel Zuspruch. | |
IB-Sympathisant*innen meinen, es sei endlich Zeit, sichtbar zu machen, dass | |
Identitäre und „Patrioten“ in der Mehrheit seien. Andere stellen | |
befremdliche Fragen zu den Funktionen der App: „Kann man sich | |
Single-Patriotinnen zwischen 18 und 25 im Umkreis explizit anzeigen | |
lassen?“, fragt Youtube-Nutzer Forleon unter dem Video, in dem Patriot Peer | |
angekündigt wird. Sucht da jemand nach einer Art identitärem Tinder? | |
Vor einer Sache haben viele IB-Anhänger*innen aber jetzt schon große Angst, | |
wenn es um „Patriot Peer“ geht: der Antifa. Niemand könne garantieren, dass | |
auch Menschen, die etwas gegen die identitäre Bewegung haben, sich die App | |
herunterladen und anfangen, Identitäre zu tracken. In einer Antwort auf die | |
Kommentare zur „Angst vor der Antifa“ behauptet Martin Sellner, durch die | |
Levelstruktur und die „unsichtbar“-Funktion könnten Antifaschist*innen | |
daran gehindert werden, den Aufenthaltsort Identitärer zu ermitteln. | |
Außerdem könne die App nur auf einige Meter genau orten, im urbanen Raum | |
wüsste man häufig nicht genau, bei welcher Person es sich um ein Mitglied | |
der IB handelt. | |
Ganz überzeugend klingt das alles jedoch nicht: Wer sagt, dass sich nicht | |
auch Menschen, die etwas gegen die Identitären haben, untereinander in | |
höhere Level peeren können? Rein hypothetisch scheint auch das möglich. | |
Sellner kennt dagegen ein letztes Mittel: „Wenn du einen Verdacht hast, | |
nimmst du einfach zwei Freunde mit“. Das ist also die „schweigende | |
Mehrheit“, die die IB hinter sich sieht. | |
Aus rein technischer Sicht wird die App bald fertig sein. Es bleibt | |
abzuwarten, ob und wann „Patriot Peer“ auf den Markt kommt und wer die | |
Anwendung dann nutzt. Sellner jedenfalls ist vorfreudig und verspricht sich | |
und anderen Identitären vieles von der App: „Wenn ihr Nichts habt, worin | |
ihr gut seid, im ganzen Leben versagt habt, könnt ihr immer noch (…) bei | |
Patriot Peer der höchste Level-Patriot werden.“ | |
7 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Identitaere-Bewegung-in-Oesterreich/!5506253 | |
[2] /Crew-des-Identitaeren-Schiffs-C-Star/!5452901 | |
## AUTOREN | |
Susanne Brust | |
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