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# taz.de -- Externe Wahlkampfanalyse: Warum die SPD die Wahl verlor
> Die SPD krankt an Widersprüchen und Beliebigkeit. Das ist das Ergebnis
> einer Studie, die die Partei selbst zur Wahl 2017 beauftragt hatte.
Bild: Wenn der Ballon steigt, aber die Umfragewerte nicht
Die SPD hat nach dem Wahldesaster 2017 ein externes Team beauftragt, um die
Niederlage zu untersuchen. Die gut 100 Seiten starke Analyse hat es in
sich. Verfasst haben sie unter anderem der Wahlkampfmanager und
Politberater Frank Stauss und der Ex-Spiegel-Redakteur Horand Knaup. Die
Studie wertet nicht nur die üblichen Daten aus – sie fußt auf Befragungen
von mehr als hundert SozialdemokratInnen.
Rückblickende Wahlkampfanalysen sind eigentlich Sache der Parteizentrale.
Doch das Willy-Brandt-Haus ist laut der Studie eher Kern des Problem als
dessen Lösung. Kluge, weitsichtige Kommunikation, so das vernichtende
Urteil, habe es „im Willy-Brandt-Haus seit 20 Jahren nicht mehr“ gegeben.
Im Wahlkampf 2017 hätten Landesverbände verzweifelt in der Zentrale
nachgefragt, „welche Geschichte“ die SPD eigentlich erzähle – ohne eine
Antwort zu bekommen. Zudem habe vor allem Sigmar Gabriel, der sieben Jahre
Parteichef war, die wechselnden Generalsekretärinnen systematisch
beschädigt und sich mit eigenen klandestinen Beraterzirkeln umgeben. Die –
so die mokante Anmerkung – so klandestin waren, dass noch nicht mal „die
BeraterInnen wussten, dass sie dazugehören“. Offenbar hat das
Willy-Brandt-Haus mitunter etwas Kremlartiges.
Doch das Desaster der SPD wurzelt längst nicht nur in einem schwerfälligen
Apparat, der sich selbst zu genügen scheint. Kernproblem ist, so das
Urteil, dass die Führung nicht weiß, wo es langgehen soll, und das
Parteiboot mal nach hier, mal nach dort treiben lässt. Die SPD leide „seit
Jahren an umfassender Profillosigkeit“. Die Haltung der Partei zu zentralen
Fragen sei „beliebig“ geworden. „Die SPD ist für Frieden und genehmigt
Rüstungsexporte. Die SPD ist für sichere Arbeitsverträge und schränkt die
Leiharbeit nicht ein.“ Das sei kein Zufall, sondern das Ergebnis des
Versuchs, „möglichst viele Schichten“ einzubinden. „Keine Haltung erkenn…
werden zu lassen, um niemanden zu verschrecken“, so das Resümee, „führt
dazu, am Ende alle zu verlieren.“
Die SPD, so die naheliegende Schlussfolgerung, funktioniert nicht mehr als
Volkspartei. Sie sendet alle möglichen Botschaften an alle möglichen
Gruppen gleichzeitig – ohne Erfolg. Denn das wirkt nicht offen, sondern
konturlos. Die AutorInnen, darunter auch die Soziologin Yvonne Schroth,
zitieren einen anonymen Mitarbeiter der Parteizentrale: „Die SPD will die
Sowohl-als-auch-Partei sein, ist aber zur Weder-noch-Partei verkommen.“
## Gehütet wie ein Staatsgeheimnis
Die Analyse wurde bis Montagmittag wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Der
inner circle der SPD-Spitze bekam die Analyse nicht per Mail, sondern per
Post. Wohl um zu verhindern, dass die Studie vorschnell über soziale Medien
verbreitet werde.
Andrea Nahles gab am Sonntag vorsichtshalber vorab [1][Spiegel Online] ein
Interview, das unschwer als Versuch erkennbar ist, die Deutungshoheit über
dieses in der SPD-Geschichte einmalige Experiment zu behalten. „Da wird
nichts beschönigt“, erklärte Nahles.
Die SPD-Chefin hat dieses Projekt von Martin Schulz geerbt. Im Interview
versucht sie, der Studie, die sich zumindest passagenweise wie eine
Abrechnung liest, die Spitze zu nehmen. Laut Nahles naht schon Rettung: Das
Willy-Brandt-Haus, dem „klare Führungsstrukturen“ fehlen würden, werde in
den nächsten Wochen „neu aufgestellt“.
Doch was das konkret heißt, ist unklar. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil
kündigte Montag bei der Vorstellung der Studie vollmundig einen Umbau der
Parteizentrale an. Allerdings ist damit erst mal nur gemeint, mit den
Mitarbeitern über neue Strukturen zu reden.
## Das Ziel: mehr Profil
Die SPD, so Nahles, habe es im Wahlkampf 2017 versäumt, „fünf Ziele zu
nennen, für die wir kämpfen“. Das werde sie jetzt, bei Migration und
Klimapolitik, nachholen.
Mehr Profil also. Aber das ist das Mantra jeder Partei nach jeder
Wahlniederlage. Wenn man die Studie „Aus Fehlern lernen – Eine Analyse der
Bundestagswahl 2017“ kritisch liest, lautet die Botschaft indes: In dem
Desaster 2017 kumulierten Fehlentwicklungen, die die SPD seit Schröders
Agenda-Politik machte. Wie das diffuse Image der Partei ausgerechnet in der
Großen Koalition klarer werden soll, bleibt einstweilen ein Geheimnis. Denn
das Problem der GenossInnen, die im Sommer 2017 nicht zu sagen wussten, was
die SPD will, war ja auch: Es ist schwierig, als Dauerjuniorpartner der
Union Angriffsziele zu finden, die nicht im eigenen Laden einschlagen.
11 Jun 2018
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-andrea-nahles-warnt-vor-zerfa…
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
SPD
Andrea Nahles
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
SPD-Basis
SPD
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