# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Kolumbien: Polarisierende Stichwahl am 17.… | |
> Kolumbien bestimmt in einer Stichwahl über den neuen Präsidenten. Ins | |
> Rennen gehen der Rechte Iván Duque und der Linkspolitiker Gustavo Petro. | |
Bild: Anhänger des linken Kandidaten Petro, der mit 25,09 Prozent den zweiten … | |
BOGOTÁ taz | Das Theater Downtown Majestic im Zentrum von Bogotá platzte | |
aus allen Nähten, als Gustavo Petro am Sonntagabend mit | |
zweieinhalbstündiger Verspätung endlich eintraf. Auf der Straße hatten | |
seine Anhänger stundenlang im Regen ausgeharrt, um einen Blick von ihrem | |
Kandidaten zu erhaschen oder gar ein wackeliges Selfie mit ihm zu schießen. | |
Drinnen im leergeräumten Kinosaal tobte die Menge und feierte Petro mit | |
Sprechchören, als wäre er bereits Präsident. | |
Dabei hat er mit gerade einmal 25 Prozent der gültigen Stimmen nur den | |
Einzug in die Stichwahl am 17. Juni geschafft. Dort wird er auf den | |
erzkonservativen Iván Duque treffen, den Kandidaten des zweimaligen | |
Präsidenten Álvaro Uribe, der nichts unversucht lässt, um den | |
Friedensprozess mit der ehemaligen FARC-Guerilla zu sabotieren. | |
Als nach Schließung der Wahllokale um 16 Uhr Ortszeit die Auszählung | |
begann, zeichnete sich in der Hauptstadt ein klarer Sieg für den | |
Mathematikprofessor Sergio Fajardo ab. Der ehemalige Bürgermeister der | |
Millionenstadt Medellín und Kandidat einer Mitte-Links-Koalition aus | |
Grünen, Polo Democrático Alternativo und einer Bewegung, die er in Medellín | |
gegründet hat, gewann etwas überraschend die Hauptstadt vor Petro. In der | |
Provinz konnte der 61-jährige Intellektuelle allerdings nicht überzeugen. | |
Germán Vargas Lleras, Enkel des einstigen Präsidenten Carlos Lleras | |
Restrepo, der als mehrmaliger Minister und Sproß einer Politikerdynastie | |
wie kein anderer das überkommene System repräsentierte, erlitt mit nur | |
sieben Prozent der Stimmen eine krachende Niederlage. Und Humberto de la | |
Calle, der für Präsident Santos die Friedensverhandlungen mit den FARC | |
erfolgreich zu Ende gebracht hat, ging mit zwei Prozent richtiggehend | |
unter. | |
## „Wasser statt Öl“ | |
Gustavo Petro, der als Guerillero der Bewegung 19. April (M-19) zwei Jahre | |
im Kerker verbrachte und gefoltert wurde, weil er seine Kameraden nicht | |
verraten wollte, hat Wirtschaft studiert, mehrere Jahre als Abgeordneter im | |
Kongress und als Bürgermeister von Bogotá gedient. Als beharrlicher Kämpfer | |
gegen die ausufernde Korruption hat er sich einen Namen gemacht. Und dass | |
er ein begnadeter Redner ist, stellte er bei seinem Auftritt nach den | |
Wahlen einmal mehr unter Beweis. | |
„Wir sind unterschiedlich und darin liegt unser größter Reichtum“, gab er | |
sich überzeugt. Und er sieht in der Förderung dieser Diversität der | |
Kolumbianer das Gegenmodell zum althergebrachten autoritären System. Er | |
kündigte eine Bildungsoffensive an, sollte er Präsident werden, und trat | |
den von der Rechten gestreuten Angstparolen entgegen, er wolle die | |
Wirtschaft verstaatlichen. Vielmehr wolle er auf die kleine und mittlere | |
Industrie setzen, die Landwirtschaft fördern und vom bisher praktizierten | |
Modell der Ausbeutung von Rohstoffen abgehen. | |
„Wasser statt Öl“ heißt seine Devise. Petro erinnerte an die Allianz, die | |
er schon im Wahlkampf mit Fajardo und De la Calle geschlossen hatte. Wer | |
immer in die Stichwahl kommen würde, sollte die Unterstützung der | |
geschlagenen Kandidaten erhalten. Rein numerisch würde diese Allianz eine | |
Mehrheit ergeben. Doch die Angesprochenen ließen sich noch nicht in die | |
Karten blicken. Sie würden in den kommenden Tagen prüfen, ob sie eine | |
Empfehlung abgeben werden. | |
## Den Wählern die Angst nehmen | |
Auch Iván Duque, mit 41 Jahren der jüngste der Kandidaten, machte den | |
ausgeschiedenen Gegnern Avancen. Und er präsentierte sich neuerlich als | |
Garant für den Schutz der katholischen Familie. Er will sich für | |
lebenslange Strafen für Sexualstraftäter und Kindermörder einsetzen. Seine | |
Rede glich einem Bauchladen, in dem für Jeden etwas zu finden ist. Aber | |
seine Ankündigungen, die Wirtschaft zu stärken und sich um die Bauern zu | |
kümmern, blieben unkonkret. | |
Er würdigte die Rolle der Armee, will aber auch den kleinen Ex-Guerilleros | |
eine Chance geben. Nur die Kommandanten sollen mehr büßen, als im | |
Friedensabkommen vorgesehen ist. „Wir wollen das Friedensabkommen nicht | |
zerschlagen“, versuchte er jenen die Furcht zu nehmen, die eine Rückkehr | |
zum bewaffneten Konflikt fürchten. Die Schule sieht er als moralische | |
Anstalt, anders als Petro, der dort mündige Bürger heranwachsen sehen will. | |
Die Politanalystin Laura Gil meinte in einer Fernsehdebatte, es komme | |
darauf an, den Wählern die Angst zu nehmen. Und die Rechte, die Petro als | |
gefährlichen Linksextremisten verteufelt, sei weit erfolgreicher gewesen, | |
Ängste zu schüren. Für Ariel Ávila von der Stiftung für Frieden und | |
Versöhnung sind Petros Positionen vom Linksextremismus weit entfernt. | |
Vielmehr schienen sie von den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen | |
abgekupfert: „Es wundert mich, dass die ihr Urheberrecht nicht | |
reklamieren“. Umfragen prognostizieren für die zweite Runde einen Sieg | |
Duques. Es ist aber in der jüngeren Geschichte Kolumbiens mehr als einmal | |
vorgekommen, dass der Zweitplatzierte sich schließlich durchsetzte. | |
28 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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