# taz.de -- Absturz der Deutschen Bank: Die Melkkuh von Wall Street & Co. | |
> Die Deutsche Bank ist in der Krise. Ihr größter Fehler war der Einstieg | |
> ins internationale Investmentbanking. Es gibt Zweifel, ob sie noch zu | |
> retten ist. | |
Bild: Unklare Zukunft: Deutsche Bank | |
BERLIN taz | Die Deutsche Bank ist zu Ramschpreisen zu haben. Am Montag | |
kostete die Aktie weniger als 10 Euro. Zum Vergleich: Vor dem Ausbruch der | |
Finanzkrise, im Juli 2007, war eine Aktie noch 109 Euro wert. Dieser | |
Wertverlust ist ein Desaster für die Deutsche Bank, denn sie kann sich an | |
den Börsen kaum noch mit frischem Geld versorgen, falls sie neues Kapital | |
benötigt. Was also ist schiefgelaufen? | |
Der vielleicht größte Fehler war, dass die Deutsche Bank überhaupt ins | |
Investmentbanking eingestiegen ist. Diese Fehlentscheidung lässt sich genau | |
datieren: Ende 1989 erwarb die Deutsche Bank die Investmentbank Morgan | |
Grenfell in London, um auch „international“ zu sein und an den scheinbar | |
lukrativen Spekulationsgeschäften an den globalen Finanzmärkten | |
teilzuhaben. | |
Bis dahin war die Deutsche Bank das Symbol der „Deutschland AG“ gewesen. | |
Sie war mit fast allen großen Firmen verflochten, hatte die meisten | |
Unternehmen seit mehr als hundert Jahren finanziert. Gleichzeitig betreute | |
sie aber auch viele Sparer und Vermögende. Doch dieses deutsche Nest war | |
dem damaligen Vorstandssprecher Alfred Herrhausen zu eng. Nur wenige Tage | |
bevor er von der RAF ermordet wurde, kündigte er am 27. November 1989 den | |
Kauf von Morgan Grenfell an. Seine Nachfolger setzten den Kurs fort: 1999 | |
kam die amerikanische Bankers Trust Company hinzu. | |
## Ahnungslos und abgezockt | |
Die Deutsche Bank besaß jetzt zwar große Investmentzentren in New York und | |
in London – doch von dem Geschäft auf den Finanzmärkten verstand man | |
nichts. Dies Ahnungslosigkeit war allerdings nicht nur bei den | |
Deutschbankern zu beobachten; auch in allen anderen deutschen Banken wusste | |
fast niemand, wie das Investmentbanking funktioniert. An der Wall Street | |
war es daher ein gängiger Witz, sich über „Herman, the German“ lustig zu | |
machen, weil man den Deutschen angeblich jedes Schrottpapier andrehen | |
konnte. | |
Die Ignoranz in Frankfurt haben die Investmentbanker an der Wall Street und | |
vor allem in London gründlich ausgenutzt. Unkontrolliert haben sie nur ihre | |
Eigeninteressen verfolgt – und üppigste Boni verlangt. „Die | |
angelsächsischen Investmentbanker melken die Deutsche Bank, bis die Kuh tot | |
umfällt“, beobachtet Bankanalyst Dieter Hein von dem unabhängigen | |
Analysehaus Fairesearch. Auch die Finanzkrise ab 2008 war keine Zäsur – | |
zumindest nicht für das persönliche Portemonnaie der Investmentbanker. Sie | |
kassierten weiterhin üppige Boni, obwohl die Gewinne der Deutschen Bank | |
schrumpften. Wie Hein ausgerechnet hat, beliefen sich die Boni von 2015 bis | |
2017 auf 5,3 Milliarden Euro. Doch in der gleichen Zeit mussten die | |
Aktionäre einen Gesamtverlust von 9,75 Milliarden verkraften. Das | |
Gesamtergebnis ist bizarr, wie Hein herausstreicht: „Die Deutsche Bank | |
zahlt Erfolgsboni dafür, dass die Bank Minus macht!“ | |
Die Aktionäre wurden ärmer, obwohl ihnen die Bank gehört. Denn von den | |
Gewinnen sehen sie nichts, stattdessen müssen sie immerzu neues, frisches | |
Geld nachschießen. In den Jahren von 2007 bis 2017 mussten 37,5 Milliarden | |
Euro neu aufgebracht werden, um sie ausreichend mit Kapital auszustatten. | |
In der gleichen Zeit haben die Investmentbanker aber Boni von insgesamt | |
35,7 Milliarden Euro kassiert. Hein kommt zu dem Schluss: „Für die | |
Aktionäre wäre es billiger gewesen, man hätte die Deutsche Bank einfach | |
pleitegehen lassen.“ Dies illustriert auch eine andere Zahl: In der Bilanz | |
steht noch ein Eigenkapital von 61 Milliarden Euro, doch an der Börse sind | |
alle Aktien des Instituts nur noch knapp 20 Milliarden Euro wert. | |
Trotzdem glaubt Hein nicht, dass es zu einem Aufstand der Eigentümer kommt: | |
„Die Aktionäre werden nicht den Stecker ziehen.“ Denn wie die Deutsche Bank | |
selbst ausweist, liegen 81 Prozent der Aktien bei institutionellen | |
Investoren wie Fonds und Versicherungen. Diese arbeiten nach dem Prinzip | |
der Risikostreuung, halten also meist einen Mix aus unterschiedlichen | |
Aktien, Anleihen oder Währungen. Da die Aktie der Deutschen Bank nur eines | |
von vielen Investments ist, würden sich die allermeisten Fondsmanager | |
niemals auf einer Hauptversammlung engagieren – und beispielsweise | |
verlangen, dass der Aufsichtsrat zurücktritt. Eher verkauft man leise die | |
Aktien der Deutschen Bank, statt sich öffentlich aufzuregen. | |
## Aufsicht strenger | |
Anderen Investmentbanken geht es deutlich besser als der Deutschen Bank, | |
aber auch dort schrumpft das Geschäft tendenziell. Wie die Ratingagentur | |
Moody’s errechnet hat, verdienten die großen Investmentbanken im vierten | |
Quartal 2009 mit dem Handel von Anleihen, Devisen und Rohstoffen noch 134 | |
Milliarden Dollar. Im dritten Quartal 2017 waren es „nur“ noch 63 | |
Milliarden Dollar. Ein Grund ist, dass die Aufsicht strenger geworden ist. | |
Die Banken müssen jetzt mehr Eigenkapital hinterlegen. Sie können also | |
nicht mehr beliebig „hebeln“ und fast nur mit fremden Geld spekulieren, um | |
das große Rad zu drehen. | |
Hein rät der Deutschen Bank seit 2012, ihr Investmentbanking abzuwickeln | |
und die hohen Boni zu streichen. Doch räumt er ein: „Ich weiß nicht, ob die | |
Bank noch zu retten ist.“ Denn das Investmentbanking lässt sich nicht | |
abschalten wie eine kaputte Hängelampe. In der Bilanz der Deutschen Bank | |
könnten enorme Risiken schlummern, so dass es durchaus wahrscheinlich ist, | |
dass es zu neuen Verlusten kommt. | |
Sicher ist allerdings, dass der Staat die Deutsche Bank retten würde, falls | |
sie kollabiert. Das Institut ist Deutschlands größte Bank, viele Sparer | |
haben dort ihr Konto, und keine Regierung würde den Volksaufstand | |
überleben, falls das Geld futsch ist. Zudem hat die ungeordnete Pleite von | |
Lehman Brothers 2008 gezeigt, dass der Zusammenbruch einer Bank sehr teuer | |
werden kann – weil dann die gesamte Wirtschaft stockt und die | |
Arbeitslosigkeit steigt. | |
Noch ist die Deutsche Bank nicht bankrott. Aber es ist ein Alarmzeichen, | |
dass es niemand seltsam findet, über den möglichen Konkurs der größten | |
Bank Deutschlands nachzudenken. | |
4 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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