Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Putschversuch in der Türkei: 104 lebenslängliche Haftstrafen
> In einem Massenprozess gegen angebliche Putschisten in der Türkei sind
> sehr hohe Strafen verhängt worden. Vor allem Militärs standen vor
> Gericht.
Bild: Akin Oztürk, Ex-Chef der türkischen Luftwaffe, bei seiner Festnahme am …
ISTANBUL taz | Am Montagabend ist einer der Massenprozesse gegen angebliche
Putschisten des 15. Juli 2016 mit drakonischen Strafen zu Ende gegangen.
Von 280 Angeklagten erhielten 104 eine lebenslange erschwerte Haftstrafe,
das bedeutet, sie dürfen nicht vorzeitig entlassen werden.
In dem Prozess in Izmir waren vor allem Militärs der Ägäis-Armee und Marine
angeklagt, darunter auch eine ganze Reihe von Generälen und Admirälen.
Einer der zu lebenslanger Haft verurteilten ist Memduh Hakbilen, der bis
zum Putsch kommandierende General der Armee.
Einundzwanzig der zu lebenslänglicher Haft verurteilten Angeklagten bekamen
noch einmal 20 Jahre obendrauf, weil sie in ein direktes Mordkomplott gegen
Präsident Erdogan verwickelt gewesen sein sollen.
Hintergrund dieser Anschuldigung ist, dass von einem Militärflughafen bei
Izmir das Kommando gestartet sein soll, das in der Putschnacht den an der
Ägäisküste in einem Ferienressort weilenden Staatschef festnehmen sollten.
Die unmittelbar an dem Kommando beteiligten Soldaten sind schon im letzten
Herbst zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt worden.
## Insgesamt 285 Prozesse
Die meisten Prozesse zur Aufarbeitung des gescheiterten Putsches, bei dem
fast 250 Menschen getötet und 2.200 weitere verletzt wurde, gehen jetzt in
ihre finale Phase oder sind bereits beendet. In insgesamt 285 Prozessen
sind mehrere tausend Menschen angeklagt, Militärs, Polizisten,
Geheimdienstler Bürokraten oder Zivilisten aus allen Teilen der
Gesellschaft.
Nach Überzeugung der Regierung wurde der Putsch von der islamischen
Gülen-Sekte initiiert, die zuvor das Militär, die Polizei und die Justiz
weiträumig unterwandert haben soll. Bis 2013 war die Gülen-Sekte ein enger
verbündeter von Erdogan. Dann kam es zu einem Machtkampf, der anscheinend
in den Putschversuch mündete.
Deshalb ist in allen diesen Prozessen auch immer der in den USA lebende
Sektenführer Fethullah Gülen der erste Angeklagte. Allerdings wurde er
bislang von den USA nicht ausgeliefert und wird deshalb jedesmal in
Abwesenheit verurteilt.
Von den 285 Prozessen sind rund 150 bereits beendet. Vor den Verurteilungen
am Montagabend hatte ein Gericht in Istanbul bereits am letzten Freitag 63
Soldaten, darunter über 50 junge Kadetten, zu lebenslanger Haft verurteilt.
Das waren die Soldaten, die auf Anordnung ihrer Vorgesetzten in der
Putschnacht die Bosporusbrücke sperren sollten, nach eigenen Angaben ohne
zu wissen, dass sie damit Teil eines Putschversuches waren.
## Massive Vorverurteilungen
Eine genaue Auflistung wie viele Angeklagte bislang die Höchststrafe
lebenslanger Haft erhalten haben gibt es offiziell nicht. Laut
Pressemeldungen waren es bis Ende April allein in den Hauptprozessen in
Ankara 604 Personen. Nimmt man die Verurteilungen im Mai dazu, summieren
sich die lebenslangen Haftstrafen wohl auf rund eintausend Angeklagte.
Unter Juristen ist die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren sehr umstritten.
Die Vorverurteilung ist massiv, kaum ein Anwalt traut sich, die Angeklagten
zu vertreten. Die Richter sind Sonderrichter, denen nach Abschluss des
Verfahrens eine Beförderung zu einem der höchsten Gerichte in Aussicht
steht.
Die Regierung drängt darauf, dass bis zur Wahl am 24. Juni möglichst alle
Verfahren abgeschlossen sind. Wegen dieser Bedingungen weigerte sich
beispielsweise die griechische Justiz türkische Offiziere, die nach dem
Putsch mit einem Helikopter ins Nachbarland geflohen waren, an die Türkei
auszuliefern.
22 May 2018
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
## TAGS
Türkei
Putschversuch Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Gülen-Gemeinde
Türkei
Putschversuch Türkei
Präsidentschaftswahl in der Türkei
Palästinenser
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Justiz in der Türkei: Drakonische Strafen
Das Hauptverfahren gegen angebliche oder tatsächliche Putschisten endet für
viele der Angeklagten mit hohen Gefängnisstrafen.
Neues Anti-Terror-Gesetz in der Türkei: Der Putsch steht ihm gut
Mit dem Notstandsgesetz hat Präsident Erdoğan faktisch als Alleinherscher
regiert. Auch mit dem Anti-Terror-Gesetz bleibt die Macht konzentriert.
Türkei vor der Präsidentenwahl: Erdoğan kriegt die Wirtschaftskrise
In einem Monat ist Wahl in der Türkei. Präsident Erdoğan könnte scheitern �…
an Wirtschaftsdaten und an einem Anti-AKP-Bündnis.
Massenkundgebung in Istanbul: Erdoğan, der Palästinenser-Beschützer
Der türkische Präsident ruft zur Gewalt gegen Israel auf und beklagt die
Zurückhaltung der muslimischen Welt. Kritik kommt von der Opposition.
Wahlkampf in der Türkei: Der Blick aus dem Teehaus
Thrakien im Westen der Türkei ist eine CHP-Hochburg. Trotzdem hat die AKP
auch dort Anhänger. Ein Stimmungsbild vor der Wahl im Juni.
Demirtaş über die Wahl in der Türkei: „Ich bin eine politische Geisel“
Der Präsidentschaftskandidat der prokurdischen HDP organisiert den
Wahlkampf aus dem Gefängnis heraus. Er ist sich sicher, dass er die
Stichwahl erreicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.