# taz.de -- Geflüchtete in Deutschland: Kirchenasyl vor dem jüngsten Gericht | |
> Bundesinnenminister Seehofer lädt zur Klärung, wie es mit dem Kirchenasyl | |
> weitergehen soll. Die Innenminister der Länder machen Druck. | |
Bild: Unter dem Kreuz: Derzeit gibt es in Deutschland 445 aktive Kirchenasyle m… | |
BERLIN taz | Der Streit schwelt seit längerem: Wann darf die Kirche einen | |
Flüchtling, der abgeschoben werden soll, in ihre Räume aufnehmen? | |
Vorläufige Klärung soll ein Gespräch am Freitag bei Bundesinnenminister | |
Horst Seehofer (CSU) bringen. „Wir wollen dafür werben, dass die bestehende | |
Praxis des Kirchenasyls weiter Bestand hat,“ sagt Prälat Karl Jüsten, | |
Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, eine Art | |
Verhandlungsführer der Kirche. | |
Im Februar 2015 hatten sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
(BAMF) auf ein Verfahren für das Kirchenasyl verständigt. Es regelt bis ins | |
Detail die Abläufe bei Kirchenasylen, von der sofortigen Meldung des | |
Schutzsuchenden bei den Behörden über die Einreichung eines Dossiers bis | |
hin zur nochmaligen Prüfung des jeweiligen Einzelfalls. | |
Einigen Bundesländern passte dies nicht: Sie sind zwar für die | |
Abschiebungen zuständig, spielen beim Prüfverfahren aber keine Rolle. Im | |
Dezember protestieren deshalb die Innenminister. Bei ihrer Sitzung in | |
Leipzig stellten sie fest, dass „bei der Anzahl von Kirchenasylen keine | |
grundlegende Verbesserung eingetreten ist“. Soll heißen: Es sind ihnen zu | |
viele. Dies werde „in Teilen der Öffentlichkeit zunehmend kritisch | |
betrachtet“. | |
Tatsächlich gibt es derzeit 445 aktive Kirchenasyle mit 674 Personen, davon | |
sind 125 Kinder. 375 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin-Fälle, also | |
Menschen, die nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen EU-Staat | |
abgeschoben werden sollen. Diese Zahl sei im Vergleich zur Gesamtzahl der | |
Schutzsuchenden „marginal“, sagt der Prälat Jüsten. | |
Doch die Innenminister machen schon länger Druck. Mehrfach wurden seit 2016 | |
in Bayern Strafverfahren gegen Pfarrer eingeleitet. Auch in Sachsen-Anhalt | |
und Schleswig-Holstein ermitteln Staatsanwälte gegen Geistliche. Zuletzt | |
musste sich im März ein Pfarrer in Rheinland-Pfalz wegen „Beihilfe zum | |
illegalen Aufenthalt“ verantworten. „Wir sind sehr verwundert, dass es zu | |
diesem Verfahren gekommen ist“, sagte der Sprecher der pfälzischen | |
Landeskirche, Wolfgang Schumacher. | |
## Der politische Druck nimmt zu | |
Das Oberlandesgericht München hatte Anfang Mai zwar die Praxis des | |
Kirchenasyls grundsätzlich bestätigt. Doch der politische Druck nimmt zu | |
und dürfte auch der Grund für die neue Gangart der Justiz gegen die Pfarrer | |
sein. | |
Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) etwa sagte, die | |
Kirchen hätten sich „auf einen besonders sensiblen Umgang mit dem | |
Instrument verständigt“, doch die Praxis erwecke „den Eindruck, dass dies | |
nicht von allen Gemeinden verinnerlicht wurde“. | |
Über dem Gespräch am Freitag schwebt die Drohung der von Ländern und | |
Innenministerium, die so genannte Überstellungsfrist von sechs auf 18 | |
Monate zu erhöhen. Das würde die meisten Kirchenasyle faktisch aushebeln. | |
Hintergrund ist, dass die Behörden derzeit sechs Monate Zeit haben, einen | |
Flüchtling in einen anderen EU-Staat zurück zu schieben. Verstreicht diese | |
Frist, darf er sein Verfahren in Deutschland betreiben – es sei denn, er | |
ist untergetaucht. Bislang wertet das BAMF ein gemeldetes Kirchenasyl nicht | |
als untertauchen. Doch das könnte sich ändern, hat das | |
Bundesinnenministerium offenbar angedroht. | |
Die Kirchen hoffen, dies abzuwenden, indem die Bundesländer stärker am | |
Verfahren beteiligt werden. „Wir wollen in gutem Einvernehmen mit den | |
Ländern sein,“ sagt der Prälat Jüsten. | |
Doch das wird nicht so einfach. „Wir wollen auf keinen Fall am Kirchenasyl | |
rütteln“, sagt etwa ein Sprecher von Schleswig-Holsteins Innenminister | |
Grote. Die Kirchen sollten bloß „die Vereinbarung einhalten“. Nach Lesart | |
Grotes schließt dies Kirchenasyl vor allem für Dublin-Fälle aus. „Da geht | |
es um Rückschiebungen in demokratische Staaten, das kann ja gar kein | |
Härtefall sein“, sagt Grotes Sprecher. | |
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche besteht hingegen darauf, | |
auch Dublin-Fälle schützen zu dürfen. Teils drohe diesen in Staaten wie | |
Ungarn unmenschliche Behandlung, teils würden durch Dublin-Rückschiebungen | |
Familien auseinander gerissen und häufig drohe eine „Kettenabschiebung“ – | |
etwa erst nach Norwegen und dann weiter nach Afghanistan. | |
18 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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