# taz.de -- Debatte Doping im Fußball: Die Könige sind sauber | |
> Voodoo-Politik, Heilsversprechen, Omertà: Der Profifußball ist ein Safe | |
> Space, der bestens funktioniert – obwohl es alle besser wissen müssten. | |
Bild: Sähe der Hochleistungsfußball ohne Doping etwa so aus? | |
Cristiano Ronaldo kann nicht nur Tore schießen, er kann auch singen. Zur | |
Feier [1][des Sieges in der Champions League] krächzte er mit heiserer | |
Stimme vor Tausenden Fans in Madrid: „Somos los reyes de Europa, los que se | |
dopan.“ Wir sind die Könige von Europa, die dopen. Tja, wie war das wohl | |
gemeint? Ist ihm im Gefühl der Unantastbarkeit etwas Unüberlegtes | |
herausgerutscht? War es nur ein Scherz, über den immerhin seine | |
Teamkollegen herzlich lachen konnten? Oder offenbarte einer der besten | |
Fußballspieler der Gegenwart eine tiefere Wahrheit? | |
Ronaldos Gesangseinlage war sicherlich nicht die Ouvertüre zu einem groß | |
angelegten Bekenntnismarathon der Spieler und Mannschaftsärzte von Real | |
Madrid, sondern nur die Sottise eines überdrehten Superhelden. Der Fußball | |
hat, was Fragen des Dopings anbelangt, nichts Substanzielles mitzuteilen. | |
Null. Nada. Niente. | |
Wenn das Thema doch einmal, dios mio, angeschnitten wird, dann heißt es | |
schnell: Doping bringt im Fußball nichts. So etwas gibt es in der Branche | |
nicht. Wer anderes behauptet, ist ein Nestbeschmutzer. Das ist in etwa so | |
elaboriert wie die Behauptung, ein beherzter Tritt auf die Mietpreisbremse | |
sorge für bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen. | |
Das ist nichts anderes als Voodoo-Politik, und auch im Fußball gibt es viel | |
Voodoo: Man glaubt an Heilsversprechen und an die Macht der Worte von | |
Hohepriestern, die es eigentlich besser wissen müssten. Als da wäre | |
Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Medizinmann des FC Bayern München. Der | |
Sportarzt ist 75, taucht aber anscheinend jeden Morgen in einen Jungbrunnen | |
und kann deshalb jugendlich-frisch in einem Interview mit der Zeit | |
behaupten, Doping bringe im Fußball nichts. | |
## Eklatante Leistungssprünge | |
Das sagt ein Mann, der mit dem Kälberblutmittel Actovegin erstaunliche | |
Behandlungserfolge hart am Rande der Legalität erzielte. Ein Mann, der | |
schon mit Spritzen hantierte, als noch die berüchtigten Sportdopingärzte | |
Klümper und Keul ihr Unwesen im westdeutschen Spitzensport und nachweislich | |
auch in der Fußball-Bundesliga beim SC Freiburg und dem VfB Stuttgart | |
trieben. | |
Der „Doc“ hat also zumindest Kenntnis davon, was man mit | |
Muskelaufbaupräparaten wie Anabolika alles anstellen kann – und was mit | |
Blutdopingmitteln wie Epo möglich ist. Die Leistungssprünge sind so | |
eklatant, der Einsatz ist so verbreitet, dass man eigentlich nicht auf die | |
Wirkung der Mittelchen verweisen müsste. Nur so viel: Anabolika, clever | |
verabreicht, verkürzen die Rekonvaleszenz nach einer Verletzung, Epo | |
verbessert die Ausdauerleistung, was bei Fußballern, die in einem Spiel bis | |
zu 14 Kilometer rennen und zu Dutzenden Sprints ansetzen, eine fluffige | |
Wirkung hat. | |
Der Kick hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten derart dynamisiert, | |
und die Klubs sind dabei so reich geworden, dass der bestimmende Sport der | |
Gegenwart als die Dopingsportart Nummer eins gelten darf. | |
## Ammenmärchen vom dopingfreien Fußball | |
Aber Müller-Wohlfahrt ist in guter Gesellschaft von Verharmlosern und | |
Fanverdummern wie Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, der gleichfalls | |
der Meinung ist, Doping mache im Fußball „nicht wirklich Sinn“. Das sind | |
Fake News, wie sie im Buche stehen. Aber die Bullshitter kommen damit auch | |
deshalb durch, weil der Fußball eine Sonderrolle für sich reklamiert, einen | |
Status, der ihm von Fans und Öffentlichkeit auch zugebilligt wird. | |
Fußball, das wird die kommende [2][Weltmeisterschaft in Russland] zeigen, | |
ist der große globale Sport, der Fans in aller Welt in ihrer Begeisterung | |
für ein Megaevent eint. Diese Stadionromantik sorgt dafür, dass selbst | |
kritische Geister schwerste Symptome von Nachsicht und Indifferenz zeigen. | |
Diese Krankheit befällt so ziemlich alle: Intellektuelle, Journalisten, | |
Fans und Politiker. Die Kolportage des Ammenmärchens vom dopingfreien | |
Fußball funktioniert ebenso gut wie die Überführung des lebenswichtigen | |
Fußballs in einen Schutzraum, weil die einen in Verzückung schwelgen und | |
die anderen Geld und Einfluss haben, um ihre Narrative durchzudrücken. In | |
dieser Black Box mag dann allerhand passieren: Medikamentenmissbrauch, | |
Schwarzgeldzahlungen, Steuerbetrug. Aber was soll’s? Wird schon okay sein, | |
was die da treiben, oder? Und Doping, das machen eh nur die Ski-Langläufer, | |
Radfahrer und Leichtathleten! | |
## Das große Schweigegelübde | |
Doch trotz der Omertà, einem Schweigegelübde, dem sich fast alle ehemaligen | |
Fußballer verpflichtet fühlen, und trotz lächerlich lascher Dopingtests der | |
nationalen und internationalen Antidopingagenturen, die zum Beispiel | |
Spieler der deutschen dritten Liga gänzlich unbehelligt lassen, dringt | |
manchmal doch etwas nach außen. | |
So wissen wir vom [3][Epo-Missbrauch im italienischen Fußball], vom | |
Fußball-Doping in der BRD, der DDR und in Russland, wir wissen auch von der | |
Nähe der spanischen Liga zu [4][einem gewissen Eufemiano Fuentes]. Das war | |
jener Gynäkologe, der nicht nur Radsportler wie Jan Ullrich mit frischem | |
Eigenblut versorgte, sondern auch Verbindungen zu spanischen Großklubs | |
unterhielt. | |
Während der Radsport [5][als dopingverseucht gebrandmarkt wurde], kam der | |
spanische Fußball ohne Folgen davon. Eine Aufarbeitung fand nicht statt. | |
Als hätte sie einen Schutzheiligen mit galaktischer Energie, wurde die | |
Branche verschont. Dabei wäre es doch verdammt interessant zu erfahren, was | |
hinter der Erfolgsserie des spanischen Vereinsfußballs steckt. Klubs der | |
Primera División haben seit dem Jahr 2000 dreißig von 56 europäischen | |
Titeln gewonnen; nicht zu reden von den Erfolgen der spanischen | |
Nationalmannschaft. | |
„Somos los reyes de Europa, los que se dopan.“ Ronaldo hat womöglich jenen | |
Kritikern antworten wollen, die Reals Siegesserie in der Champions League – | |
drei Titel hintereinander – auch auf Doping zurückführen. Er machte sich | |
lustig über sie. Es war ein Spiel ohne Risiko. Was soll ihm schon | |
passieren? Cristiano Ronaldo ist eine Ikone. Ein Held im Safe Space des | |
Fußballs. Dort gibt es keine Dreckecken, sondern nur pure Verehrung. | |
2 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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