| # taz.de -- Aus für „Interview Magazine“: Kein Hochglanz-Smalltalk mehr | |
| > Das einst von Andy Warhol gegründete Magazin wird eingestellt. Zu | |
| > finanziellen Nöten kamen Vorwürfe wegen sexueller Belästigung hinzu. | |
| Bild: Im Juni 1979 veröffentlichte das Magazin ein Interview mit Debbie Harry … | |
| Mit welcher berühmten Person würde ich gern einmal zu Abend essen? Ein | |
| kurzes Gedankenspiel, das jedem bekannt sein dürfte. Beim Lesen des | |
| US-amerikanischen Interview Magazine wirkt es, als würde diese | |
| Wunschvorstellung für kurze Zeit in Erfüllung gehen. Denn hier kamen die | |
| ganz großen Prominenten aus der Musik-, Film-, Kunst- und Modebranche zu | |
| Wort und unterhielten sich über ihr Lieblingsrestaurant oder ihre extremste | |
| Drogenerfahrung. Der Small Talk, der sich meist über mehrere Seiten zog, | |
| gab den Leser*innen das Gefühl, ihren Lieblingsstars einmal wirklich nah zu | |
| sein. | |
| Laut Medienberichten wird das von Andy Warhol gegründete Lifestylemagazin | |
| nun nach fast 50 Jahren eingestellt. Am vergangenen Mittwoch bestätigte ein | |
| Redakteur gegenüber CNN, dass das Magazin aus finanziellen Gründen mit | |
| sofortiger Wirkung seine Print- und Onlineausgabe stoppt. | |
| In den vergangenen Monaten ist das Hochglanzmagazin vor allem negativ | |
| aufgefallen. Im Februar musste die Redaktion ihr Büro in SoHo in New York | |
| verlassen, angeblich wegen nicht gezahlter Miete. Der ehemalige Redakteur | |
| Fabien Baron und Stylistin Ludivine Poiblnac verklagen den | |
| Herausgeberverlag Brand Publications, da ihnen Honorare in Höhe von 600.000 | |
| Dollar nicht ausgezahlt worden sein sollen. | |
| Doch nicht nur finanzielle Schwierigkeiten belasteten das Magazin. Anfang | |
| des Jahres erschien ein Artikel in The Boston Globe, in dem verschiedene | |
| Models Fotografen, Stylisten und Casting-Direktoren der sexuellen | |
| Belästigung beschuldigten. Einer von ihnen war der Stylist und Creative | |
| Director des Magazins, Karl Templer. In einem offenen Brief wies er die | |
| Vorwürfe zurück und bezeichnete sich selbst als einen Unterstützer der | |
| #MeToo-Bewegung. Kurz darauf trat er jedoch von seinem Posten beim | |
| Interview Magazine zurück. | |
| ## Gespräche wurden aufgenommen und abgetippt | |
| In den ersten Jahren führte Warhol die Interviews selbst – meist auf Partys | |
| im Studio 54. Bei den dortigen Gesprächen ließ er einfach das Tonband | |
| mitlaufen. Gemeinsam mit dem britischen Journalisten John Wilcock gründete | |
| er 1969 das Magazin, in dem die Aufnahmen schriftlich veröffentlicht | |
| wurden. Das Besondere daran: Die Gespräche wurden bloß abgetippt und dann | |
| ungekürzt und unredigiert ins Heft übernommen. | |
| Später wurde das Prinzip so verändert, dass Prominente nun andere | |
| Prominente interviewten. Heraus kamen interessante Gespräche voller | |
| Nichtigkeiten. So unterhielt sich Warhol 1982 einfach mit Michael Jackson | |
| über andere berühmte Menschen. 2017 verglichen Beyoncé und ihre Schwester | |
| Solange die lustigsten SMS ihrer Mutter. | |
| Von Beginn an bestand das Magazin weitgehend aus Werbung, der redaktionelle | |
| Inhalt füllte bloß 30 Prozent. Doch die aufwendig gestalteten Anzeigen | |
| unterschieden sich kaum von den Modestrecken im Blatt. Auffallend waren | |
| dabei immer die Cover – ob künstlerisch gestaltet oder provozierend. Viele | |
| der Abgebildeten wurden erst zu Stars, weil Warhol sie zu solchen erklärte. | |
| Seit 2011 erscheint in Russland eine Lizenzausgabe des Hochglanzmagazins. | |
| Nur ein Jahr später folgte eine deutsche Ausgabe. Auf Anfrage der taz werde | |
| die Einstellung der amerikanischen Ausgabe keine Auswirkung auf die | |
| deutsche haben. „Wir sind juristisch und verlegerisch absolut eigenständig, | |
| und auch unsere Markenrechte sind nicht betroffen“, sagte Geschäftsführer | |
| und Chefredakteur Bernd Runge. | |
| ## Heute gibt es Instagram | |
| Die deutsche Ausgabe syndizierte laut Runge zuletzt nur noch sporadisch | |
| Inhalte aus der amerikanischen Ausgabe; ein Grund, warum im deutschen Heft | |
| die ganz großen Stars etwas weniger werden. | |
| An diese heranzukommen wird zudem immer schwieriger: Hinter jedem Superstar | |
| steht mittlerweile ein großes Management, Interviews finden meist nur noch | |
| für 20 Minuten im Hotelzimmer statt. Mit dem Fortschritt der | |
| Digitalisierung wird es gerade für Magazine wie dem Interview Magazine | |
| schwer. Denn Einblicke in den Alltag der Superstars liefert heute | |
| Instagram. | |
| 29 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Carolina Schwarz | |
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