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# taz.de -- Arnd Zeigler über den Ernst im Fußball: „Ich will Fan bleiben k…
> Arnd Zeigler ist Anhänger und Stadionsprecher von Werder Bremen, aber
> seine TV-Fußballshow wird bundesweit geschätzt.
Bild: Lernte mit fünf Jahren den Fußball zu lieben: Arnd Zeigler
taz: Herr Zeigler, wann begann Ihre Liebe zum Fußball?
Arndt Zeigler: Während der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko durften meine
beiden großen Brüder auch die späten Übertragungen sehen. Ich war zwar erst
fünf Jahre alt, habe meinen Eltern aber so lange in den Ohren gelegen, bis
ich auch länger aufbleiben durfte. Da fing das an und mit der WM 1974 wurde
ich dann komplett infiziert.
Und wie sind Sie zum Radio gekommen?
Radio hat mich immer fasziniert. Mit zwölf Jahren habe ich mit Hilfe meines
Vaters, der Amateurfunker war, schon Antennen mit Drähten verlängert, um
entferntere Sender hören zu können – zum Beispiel AFN Bremerhaven, das
damals ganz schwer zu empfangen war. Oder WDR1, wo damals die beste
Bundesliga-Sendung gemacht wurde.
Wie wurden Sie dann vom Empfänger zum Sender?
Ein Redakteur von Radio Bremen hat in der Bremer Kneipe „Filz“ zufällig
gehört, wie ich mich mit einem Freund über das Radio unterhalten habe. Er
hat mich mitgenommen und es begann eine ewige Ochsentour als kleiner
Reporter. Meine große Stunde kam an einem letzten Bundesliga-Spieltag, als
der Sportkollege eine Lungenentzündung bekam und ich der einzig Verbliebene
war, der etwas von Fußball verstand. Ich habe die Sendung gemacht und war
drin.
Haben Sie jemals staubtrockene Fußballreportagen gemacht?
Das war lange ein Traum und ich bin sogar beim WDR in einem
Vorstellungsgespräch mit der Sportchefin Sabine Töpperwien gelandet. In dem
Gespräch habe ich gemerkt, dass ich nicht über Sachen berichten möchte, die
mir nicht am Herzen liegen. Ich will auch Fan bleiben können. Außerdem
wurde zu der Zeit mein Sohn geboren und ich war gerade Stadionsprecher bei
Werder Bremen geworden. Pendeln kam für mich nicht infrage und mein Herz
hat sich für das Stadion entschieden.
Kennen Sie schon die lange angekündigte neue Werder-Hymne von Jan Delay?
Nein, ich glaube die hat noch niemand gehört.
Befürchten Sie, dass die Hymne „Lebenslang grün-weiß“ vom Duo „Original
Deutschmacher“, dessen eine Hälfte Sie sind, künftig weniger gespielt
werden könnte?
Nein, es ist auch nicht so, dass ich irgendwelche Aktien darin hätte, ob
der Song gespielt wird. Er funktioniert und deswegen finde ich es okay,
dass er gespielt wird. Aber mir würde nicht das Herz bluten, wenn ein
anderer Song besser sein sollte. Der Erfolg eines Stadionsongs ergibt sich
immer aus der Situation heraus, wie bei „Lebenslang grün-weiß“ auch.
Wie ist der Song eigentlich entstanden?
Wir sind 2004 nach dem Sieg in München, mit dem die Meisterschaft für
Werder feststand, mit etwas Restalkohol ins Tonstudio gefahren und haben
den Text geschrieben. Wir haben überhaupt nicht daran gedacht, den Song
kommerziell zu veröffentlichen. Er lief dann aber im Radio und bei der
Meisterfeier am Rathaus kannte ihn schon halb Bremen.
Wie kommt es eigentlich, dass Sie als bekennender Werder-Fan mit Ihrer
Sendung „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ eine bundesweite
Fan-Gemeinde haben?
Meine Tätigkeiten bewegen sich in einer Zone, in der keine kritische
Distanz erwartet wird. Mir würde es schwerfallen, in meiner Rolle Werder
Bremen in die Pfanne zu hauen. Da habe ich Beißhemmung und bin denen
gegenüber loyal, mit denen ich zu tun habe. Ich versuche auch zu vermeiden,
jemanden zu denunzieren oder zu boshaft zu sein. Bei Live-Auftritten in
Dortmund oder Essen sind Fußball-Fans aus dem ganzen Ruhrgebiet im Publikum
– die ziehen sich ein bisschen auf, gehen aber nie gehässig miteinander um.
Das mag ich.
Sie haben außerdem mit Ihrer Rolle als Sidekick dem früher eher
hausbackenen „Sportschau Club“ in der ARD zu neuem Drive verholfen. Sind
Sie die zeitgenössische Alternative zum bierseligen
Waldemar-Hartmann-Humor, der früher die Sendung prägte?
Am Anfang wusste ich gar nicht genau, ob die Leute verstehen, was ich da in
meinen drei Minuten tue. Mittlerweile glaube ich, dass man den Zugang zu
den Gästen eher bekommt, wenn man nicht nur die journalistisch
naheliegenden Fragen stellt, sondern private Erinnerungen aufstöbert und
zum Beispiel Fotos aus der Kindheit zeigt. Ich kann andere Fragen stellen
als Alexander Bommes, der Moderator der Sendung. Dass ergänzt sich sehr
gut.
Was ist im Fußball witzig?
Ich halte es für sehr wichtig, Fußball in der richtigen Relation zu sehen.
Nicht als todernste Sache, aber auch nicht als belanglosen Klamauk. Ich
habe vor Kurzem auf einer Bestattermessse die Ausstellung „Abpfiff – wenn
Fußball Trauer trägt“ eröffnet. Weinende und Trauernde sieht man nicht im
Theater oder im Konzert, aber auf dem Fußballplatz. Der frühere
brasilianische Nationaltrainer Claudio Coutinho hat gesagt, er sei es leid,
dass sich Leute an einem Tag wegen einer Niederlage erschießen und 14 Tage
später nach einem Sieg ein Kind nach ihm benannt wird. Diese Tragweite darf
es nicht bekommen, es ist aber auch kein Klamauk. Deshalb mache ich auch
keine Mario-Barth-Fußball-Witze.
Haben Sie für Ihren Umgang mit den komischen Dingen im Fußball Vorbilder?
Nicht direkt, was Humor angeht, aber der Frankfurter Schriftsteller Ror
Wolf hat schon in den 1970er-Jahren Fußball-Hörspiele gemacht, die ich als
Kind geliebt habe. Später habe ich seine Collage-Technik selbst angewendet.
Irgendwann hat er in einem taz-Interview mal gesagt, dass es mittlerweile
Leute gäbe, die seine Sachen kopieren. Seitdem habe ich ein schlechtes
Gewissen.
Wie haben Sie Ihre Technik im Laufe der Jahre entwickelt?
In meinen ersten Radiobeiträgen habe ich 1:1 gesendet, wenn jemand etwas
Lustiges gesagt hat. Mittlerweile versuche ich, den Witz selber
herzustellen, indem ich verschiedene Elemente zusammenbastele. Ich achte
auch auf die Phonetik und interessante Sprachmelodien und gehe weniger
journalistisch und mehr künstlerisch mit dem Material um.
Wie nützlich ist der Videobeweis für das Finden von spaßtauglichem
Material?
Vordergründig erleichterte der Videobeweis meine Arbeit, wir könnten jede
zweite Sendung darüber reden, so viel Stoff ist da drin. Das große Problem
ist, dass er – wie der Philosoph Wolfram Eilenberger gesagt hat – als
Beweis verkauft wurde. Aber er ist kein Beweis, sondern beinhaltet völlig
neue Fehlerquellen. Wenn dann etwas falsch entschieden wird, fühlen sich
die Betroffenen erst recht hintergangen.
Welchen Einfluss hat der Videobeweis auf die Stimmung im Stadion?
Für mich gab es ein Schlüsselerlebnis als Stadionsprecher im Derby von
Werder Bremen gegen den HSV. Zwei Minuten vor Schluss fällt das
entscheidende Tor, eine perfekte Dramaturgie, um das Stadion auf links zu
drehen. Wir wollen gerade die Tormusik einspielen, da schreien drei Leute:
„Mach das nicht, der Schiri hat noch den Finger am Ohr.“ Er nimmt den
Finger weg, wir wollen wieder anfangen, da rennen drei Hamburger zum
Assistenten und der hebt die Fahne. Es hat zwei Minuten gedauert, bis wir
den Jingle einspielen konnten und ich habe gedacht: Vorher war es irgendwie
schöner.
Andere unschöne Entwicklungen sind der Einfluss von Investoren und die
wachsende finanzielle Kluft zwischen den Vereinen. Kommen Sie sich da nicht
manchmal als Pausenclown fürs miese Geschäft vor?
Das sind alles Themen, die mir wichtig sind, aber auch die muss man in die
richtige Relation setzen. Ich habe zum Beispiel einen Freund, der Fan von
RB Leipzig ist. Wer bin ich denn, dem zu sagen, dass das ganz mies ist und
er doch lieber wegbleiben soll? Schon vor 40 Jahren sagte mein Vater zu
mir: „Der Beckenbauer verdient viel zu viel Geld, ich will mit Fußball
nichts mehr zu tun haben.“ Das sind alles keine neuen Phänomen, aber man
muss natürlich aufpassen, dass es nicht überdreht wird. Ich finde es
sympathisch, dass bei Werder niemand ist, der 200 Millionen Euro in den
Klub steckt und dafür das Sagen haben will.
Können Sie sich vorstellen, dass Ihnen zum Fußball mal nichts mehr
einfällt?
Nein, es tauchen immer neue Phänomene auf, mit dem Zeitgeist verändert sich
auch der Fußball. Für mich persönlich haben sich in den letzten Jahren
immer weitere Türen geöffnet, ich durfte Radio machen, ich durfte Fernsehen
machen und dann durfte ich irgendwann ins erste Programm. Jetzt darf ich
sogar auf die Bühne. Es ist alles lebendig und das hat alles mit Fußball zu
tun. Ich möchte einfach, dass alles so weitergeht.
28 May 2018
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
## TAGS
Werder Bremen
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Kabarett
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