| # taz.de -- Abschiebung nach Tunesien: Terrorverdächtiger muss gehen | |
| > Verfassungsbeschwerde abgelehnt: Ein Tunesier, der einen IS-Anschlag | |
| > geplant haben soll, wird abgeschoben. Ihm drohe keine Todesstrafe. | |
| Bild: Bei einer Razzia in Frankfurt war der Terrorverdächtige Haikel S. 2017 f… | |
| KARLSRUHE taz | Der terrorverdächtige Tunesier Haikel S. kann in sein | |
| Heimatland abgeschoben werden. Das entschied jetzt das | |
| Bundesverfassungsgericht. Tunesien erfülle die rechtsstaatlichen | |
| Anforderungen, obwohl es deren Einhaltung im konkreten Fall nicht | |
| ausdrücklich zugesichert hat. | |
| Haikel S. lebte ab 2003 schon einmal als Student in Deutschland, er reiste | |
| 2013 aus, um einer Haftstrafe zu entgehen, nachdem er seine (inzwischen | |
| geschiedene) deutsche Ehefrau geschlagen hatte. 2015 reiste er als | |
| angeblicher syrischer Flüchtling wieder ein, wobei die falsche Identität | |
| bald aufflog. Er lebte in Frankfurt und galt als Gefährder, der | |
| möglicherweise einen IS-Anschlag in Deutschland plane. Tunesien forderte | |
| zudem die Auslieferung, weil er 2015 den IS-Anschlag auf das Bardo-Museum | |
| in Tunis mitgeplant haben soll, bei dem 24 Menschen starben. | |
| Nachdem eine Abschiebung wegen fehlendem Aufenthaltsrecht ebenso scheiterte | |
| wie eine Auslieferung an Tunesien, erließ der hessische Innenminister Peter | |
| Beuth (CDU) im August 2017 eine Abschiebungsanordnung nach Paragraph 58a | |
| des Aufenthaltsgesetzes. Das nun erstinstanzlich zuständige | |
| Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hielt die Abschiebung grundsätzlich für | |
| zulässig. | |
| Zwar werde gegen S. auf Grundlage des neuen tunesischen | |
| Anti-Terror-Gesetzes von 2015 vermutlich die Todesstrafe verhängt. Diese | |
| werde aber vermutlich nicht vollstreckt, weil es in Tunesien seit 1991 ein | |
| Moratorium gebe, das seit 27 Jahren eingehalten wurde. Die Todesstrafe | |
| werde regelmäßig in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt, bisher | |
| auch bei Terroristen. | |
| ## Anwältin kämpft weiter | |
| Schwieriger war die Erfüllung einer zweiten Anforderung, die von der | |
| deutschen Justiz regelmäßig geprüft wird. Bei einer lebenslangen | |
| Freiheitstrafe müsse der Verurteilte eine „praktische Chance“ haben, noch | |
| einmal frei zu kommen, sonst verstoße die Strafe gegen die Menschenwürde. | |
| Das Bundesverwaltungsgericht verlangte im September 2017 von Tunesien eine | |
| derartige Zusicherung, die aber ausblieb. | |
| Daraufhin änderte das Leipziger Gericht nach Intervention der | |
| Bundesregierung im März seinen Eil-Beschluss und ließ die Abschiebung ohne | |
| Auflage zu. S. wurde sofort zum Flughafen gefahren, doch seine Anwältin | |
| Seda Basay legte parallel eine Verfassungsbeschwerde ein. Karlsruhe erließ | |
| eine einstweilige Anordnung und verhinderte so zunächst die Abschiebung. | |
| Jetzt hat aber auch das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für die | |
| Abschiebung von Haikel S. gegeben. Es genüge, dass es im tunesischen Recht | |
| die Möglichkeit gebe, nach 15 Jahren eine Strafaussetzung zur Bewährung | |
| oder eine Begnadigung zu beantragen. Die Anwältin von S. habe „nicht | |
| hinreichend“ dargelegt, dass dies für verurteilte Terroristen nicht gelte. | |
| Zwar hatte das Auswärtige Amt im Januar 2017 in seinem Lagebericht noch | |
| erklärt, dass die Möglichkeit der Strafaussetzung für Terroristen nicht | |
| bestehe. | |
| Im Februar 2018 hatte das Auswärtige Amt jedoch seine Auskunft unter | |
| Berufung auf neue tunesische Auskünfte geändert. Über die Praxis könne man | |
| noch nichts sagen, da das Anti-Terror-Gesetz ja erst 2015 in Kraft trat. | |
| Dass der tunesische Staatspräsident eine Amnestie für Terroristen in | |
| Interviews ausdrücklich ausgeschlossen hat, sei unerheblich, da eine | |
| allgemein Amnestie etwas anderes sei, als eine individuelle Begnadigung, so | |
| die Argumentation der Verfassungsrichter. | |
| Die Anwältin stellte zwar noch einen Eilantrag an den Europäischen | |
| Gerichtshof für Menschenrechte. Doch der Straßburger Gerichtshof lehnte es | |
| am Montagabend ab, die Abschiebung zu stoppen. S. wird nun wohl kurzfristig | |
| nach Tunesien gebracht. | |
| 7 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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