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# taz.de -- Nach Kritik bei der Echo-Verleihung: Bundesverdienstkreuz für Camp…
> Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung will den
> Tote-Hosen-Sänger auszeichnen. Bei allem Respekt für die Echo-Rede ist
> das zu viel des Guten.
Bild: Starker Auftritt: Campino hält bei der Echo-Verleihung eine Rede gegen R…
Ein Bundesverdienstkreuz für Campino? Kann man machen, findet zumindest
Felix Klein, [1][seit Anfang Mai Antisemitismusbeauftragter der
Bundesregierung]. Wörtlich sagte Klein: „Campino sollte für sein Engagement
auf der Echo-Verleihung unbedingt gewürdigt werden, am besten mit dem
Bundesverdienstkreuz.“ Der Sänger der Toten Hosen habe „vielleicht sogar
langfristig unsere Gesellschaft verändert“, nannte Klein als Begründung.
[2][Bei der Echo-Verleihung hatte Campino] die antisemitischen Textzeilen
der Rapper Farid Bang und Kollegah scharf kritisiert. Die beiden waren mit
dem Echo in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet worden,
obwohl es schon im Vorfeld Diskussionen um die Texte ihres Albums „Jung,
brutal, gutaussehend 3“ gab. Umstritten war vor allem die Zeile „Mein
Körper definierter als der von Auschwitzinsassen“. Ein Satz, der witzig
provozieren sollte; die Echo-Jury glaubte sich bei der Entscheidung für das
Duo am Puls der Zeit.
Mit der ach so hippen Provokation zerschoss der Musikpreis erst mal sich
selbst: [3][Zahlreiche Künstler gaben ihren Echo zurück], der Preis wurde
ganz abgeschafft. Der Echo gab ein Bild ab wie Opa, der auch mal cool und
wild sein will und dafür mit den zwei größten Vollpfosten feiern geht. Die
ganze Echo-Verleihung sei ein kollektiver Blackout gewesen, „ein
gemeinschaftliches Versagen“, sagte jetzt Felix Klein.
Auf der Veranstaltung reagierte Campino direkt und reflektiert. Provokation
sei ein wichtiges Stilmittel, kommentierte der Tote-Hosen-Frontmann, als er
die Auszeichnung für die Kategorie Rock national entgegennahm. Habe
Provokation aber eine frauenfeindliche, homophobe, rechtsextreme oder
antisemitische Form, sei eine Grenze überschritten. „Wir sollten nicht
damit anfangen, einen tieferen Sinn in Dingen zu suchen, wo es keinen
tieferen Sinn gibt.“ Es gehe im Kern nicht um einen Rap-Text, „sondern viel
mehr um einen Geist, der zur Zeit überall präsent ist.“
Die Auszeichnung hat unfreiwillig für eine Politisierung rund um die
Echo-Verleihung gesorgt; selbst glattgebügelt unpolitische Schweiger wie
Helene Fischer waren gezwungen, auf ganz vage kritisch zu machen. Dass im
Vorfeld der Verleihung kaum einer empört gewesen sei, habe etwas mit der
Verrohung der Gesellschaft zu tun, sagte nun Felix Klein: „Provokation und
das Überschreiten roter Linien werden hingenommen, ohne sie zu
hinterfragen.“ Bei den Verantwortlichen der Echo-Verleihung habe ganz klar
der Kommerz im Vordergrund gestanden. „Aber wenn die Gefühle von
Holocaust-Überlebenden verletzt werden, muss Schluss sein mit dem
Geschäftemachen.“
## Lethargisch-kommerzielle Statementlosigkeit
Neben der späten Reaktion bleibt aber vor allem das Schweigen vieler in
Erinnerung. Das hat Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch scharf angeprangert:
„Viele junge Musiker sind feige Schweine“, sagte er. Sie hätten bei der
Echo-Verleihung keine Stellung bezogen, um sich nicht die Finger zu
verbrennen.
Mit der aktuellen Reflexion haben der Echo und die deutsche Musik
unfreiwillig eine hoch interessante Diskussion verursacht. Die Verleihung
an die Herren Farid Bang und Kollegah, die mittlerweile auf
[4][Bildungsreise nach Auschwitz] gehen wollen, war eine schlechte Idee.
Die Folgen aber haben Mainstream-Musik-Deutschland zumindest für ein paar
Sekunden aus seiner lethargisch-kommerziellen Statementlosigkeit geholt.
Campino hat dabei seine Authenzität gewahrt, weil er, im Gegensatz zu
vielen Musikkollegen, den Mumm hatte, direkt bei der Verleihung zu
sprechen, und nicht als sichere Nummer Sieben hinter sechs anderen Stars,
oder nach wochenlangem Zaudern, damit niemand blöd bei Facebook nachfragt.
Dafür gebührt ihm Anerkennung. Dafür gebührt ihm vielleicht sogar eine
Auszeichnung.
Wenn aber nun die Kernaussage, man finde Antisemitismus und Sexismus doof,
zu einem Bundesverdienstkreuz führen sollte, wäre das ein Zeichen eines
wirklich erschreckenden Zustands in Deutschland. Und außerdem Hohn für
andere Gruppen, die sich seit langem viel gezielter gegen Rechtsextremismus
einsetzen. Und sich dabei, wie „Feine Sahne Fischfilet“, schon mal vom
Verfassungsschutz beobachten lassen müssen.
7 May 2018
## LINKS
[1] /Neuer-Antisemitismusbeauftragter/!5488410
[2] /Echo-fuer-antisemitische-Rapper/!5495864
[3] /Antisemitismus-Vorwuerfe-beim-Echo/!5498681
[4] /Nach-Antisemitismus-Kritik-an-Rappern/!5502398
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Echo
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