Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Formel E in Berlin: Wenn Motoren leise surren
> In Zeiten vom Dieselskandal will der Motorsport nicht abgehängt werden.
> In Berlin präsentiert sich die Formel E – neben Flüchtlingscontainern.
Bild: Große Welt spielen auf einem früheren Flughafen: Die Formel E zu Gast i…
Berlin taz | Für einen Tag waren sich beide Gruppen ganz nah auf dem alten
Tempelhofer Flughafen. Und man könnte sagen, dass sowohl der
Formel-E-Zirkus als auch die in schmucklosen Containern untergebrachten
Flüchtlingsfamilien das frühere Flugfeld irgendwie mit Zukunft verbinden.
Doch ansonsten hätten die Gegensätze nicht größer sein können. Unter dem
Dach des Abfertigungsgebäudes herrschte Volksfeststimmung, die 20.000
Besucher des Formel-E-Rennens vergnügten sich in Rennsimulatoren, maßen
sich in der virtuellen Welt mit den Piloten, die auf der 2,376 Kilometer
langen Piste um den Sieg und Punkte fuhren.
Doch nur wenige Meter von der Strecke und den Tribünen entfernt,
interessierten sich die etwa 1.000 Geflüchteten in ihren temporären
Behausungen nicht sonderlich für den Auftrieb. Sie wollten nur eines wieder
haben: Ruhe.
Dabei versucht doch die erste vollelektrische Rennserie gerade mit dem
fehlenden Motorenlärm zu punkten. Vor allem wirbt Seriengründer Alejandro
Agag mit seinen leisen Flitzern dafür, dass er in Großstädten antreten
darf. Mit Erfolg. In Peking hat im September 2014 das erste Formel-E-Rennen
stattgefunden, seitdem machte der Tross in Hongkong, New York, Paris, Rom
oder Buenos Aires Station. Und sogar viermal in Berlin.
## 100 Kilojoule extra
Mit dem leisen Surren der Elektromotoren und dem Auftritt in den Städten
versucht Agag auch Motorsport-Nichtfans zu gewinnen. Dafür hat der Spanier
ein komplett neues Konzept erarbeitet: Training, Qualifying und Rennen
finden an einem Tag statt. Zudem können die Fans über die sozialen Medien
Einfluss aufs Rennen nehmen, indem sie für ihren Lieblingsfahrer abstimmen.
Die drei Piloten mit den meisten Stimmen erhalten in der zweiten Hälfte des
Rennens 100 Kilojoule zusätzliche Energie.
[1][Nach anfänglicher Skepsis] hat sich das Unternehmen Formel E gut
entwickelt. Dazu beigetragen hat auch der [2][Dieselskandal von VW], der
der Elektromobilität weltweit einen wahren Hype beschert. Nach Renault und
dem indischen Fahrzeughersteller Mahindra, die von Anfang an am Start
waren, gehören inzwischen auch Audi, Citroen, Jaguar und die chinesische
Firma Nio der Rennserie an. BMW wird im Herbst mit Beginn der kommenden
Saison einsteigen, Mercedes und Porsche folgen zwölf Monate später.
Groß ist auch das Interesse der Politik: Verkehrsminister Andreas Scheuer,
FDP-Chef Christian Lindner und Minister oder Staatssekretäre aus insgesamt
acht Ministerien wollten in Berlin von der ARD interviewt werden. Doch die
Fernsehmacher verzichteten zugunsten des Sports.
Für die Industrie ist die Elektroserie unter mehreren Gesichtspunkten
interessant: Es geht nicht nur um Präsenz bei dieser wichtigen Entwicklung.
Die großen Konzerne versuchen zudem, durch den Motorsport die
Elektromobilität emotional ein wenig aufzuladen. Und vor allem: es ist auch
ein technisches Entwicklungsfeld – so wie es die Formel 1 in ihren Anfängen
für die Verbrennungsmotoren auch einmal war –, denn nirgendwo wird so
schnell gelernt und umgesetzt wie im Sport. „Von Saison zwei bis jetzt hat
sich vor allem die Leistung mit dergleichen Batteriekapazität entscheidend
gesteigert“, sagt Simon Opel, Leiter Sonderprojekte bei dem Autozulieferer
Schaeffler.
## Kein Vergleich mit der Formel 1
Trotz der so gesteigerten Effektivität ist es eine weitere Besonderheit der
Formel E, dass die Piloten etwa zur Rennhälfte ihr Fahrzeug wechseln
müssen. Denn für eine Rennstunde reicht die Batteriekapazität noch nicht
aus. Dieser Schritt folgt zur nächsten Saison.
Nico Rosberg, Formel-1-Weltmeister von 2016, fuhr diesen neuen Flitzer am
Freitag schon einmal. Vom Brandenburger Tor surrte er bis Tempelhof und war
ganz begeistert. „Das ist ein richtiger Rennwagen, nur ohne
Motorengeräusche. Aber das stört nicht, denn das Fahrgefühl ist da“, sagt
Rosberg, der an Agags Firma Formula-E-Holdings beteiligt ist. Rosbergs
Kernbotschaft: „Die Batterien werden immer besser, denn das ist ja die
Sorge von uns allen, dass man mit einem E-Auto irgendwo liegen bleibt.“
Eines jedoch scheut die Formel E: einen Vergleich mit der Formel 1. Mit den
leistungsstärkeren Batterien wäre so ein Gegenüberstellen bei einem Rennen
in Monaco gut möglich. Dann wären beide Serien auf derselben Strecke
unterwegs, mit der Anfahrt zum Casino hinaus. Doch die Sorge der
Formel-E-Macher ist groß, dass die neue Serie beim Zeitenvergleich
gegenüber der Königsklasse zu schlecht abschneidet. Deshalb hat sich Jean
Todt, Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA, vehement dagegen
ausgesprochen, plädiert weiter für die kürzere Variante, wie sie in den
vergangenen Jahren genutzt wurde.
## Übrigens: der Gewinner
Ach ja, ein sportliches Ergebnis gab es in Berlin auch. Der Kemptener
Daniel Abt gewann in seinem Audi in souveräner Manier. Als Schnellster im
Training durfte er von der Pole-Position starten, schaffte im Rennen die
schnellste Runde und wurde als Erster abgewinkt. Den Erfolg für Audi machte
Weltmeister Lucas di Grassi (Brasilien) als Zweiter komplett. Danach wurde
kräftig gefeiert.
Als Abt am Sonntagfrüh um 5.15 Uhr im Hotel wieder auftauchte, machte sich
sein Chef Dieter Gass gerade auf zum Lausitzring. Dort gastierte das
Deutsche Tourenwagen-Masters (DTM). Nach dem Ausstieg von Mercedes zum
Saisonende ist dessen Zukunft mehr als ungewiss.
21 May 2018
## LINKS
[1] /Umstrittenes-Elektrorennen-in-Berlin/!5303091/
[2] /!5505036
## AUTOREN
Klaus-Eckhard Jost
## TAGS
Formel E
Formel 1
Lesestück Recherche und Reportage
Kolumne Press-Schlag
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Oldtimer
Formel E
Formel E
Formel E
## ARTIKEL ZUM THEMA
Formel-2-Pilot Hubert stirbt bei Unfall: Tödliche Zumutungen
Auf den Tod des Fahrers Anthoine Hubert reagiert die Branche mit
anachronistischem Zynismus. Die Schreckensmeldung wirkt wie eine ultimative
Barbarei.
Status des E-Sports: Schießen aus dem Handgelenk
E-Sport liegt im Trend, sagt sogar die Bundesregierung. Doch auf eine
Anerkennung wartet die Disziplin immer noch. Wann ist ein Sport ein Sport?
Heidi Hetzer zurück von Weltumrundung: Zwei Oldtimer erreichen Berlin
Die 79-Jährige Ex-Autohändlerin und Ex-Rallyefahrerin ist nach 85.000
Kilometern, vielen Pannen und verschlissenen Beifahrern in Berlin
eingetroffen.
Umstrittenes Formel-E-Rennen in Berlin: Einblicke in eine verkehrte Welt
Bei dem Autorennen durch Mitte wurde vom Senat versäumt, für
Elektromobilität zu werben. Dafür sammelten andere für den Volksentscheid
Fahrrad.
Umstrittenes Elektrorennen in Berlin: Genetisch bedingter Autowahnsinn
Am Samstag brettern Ex-Formel 1-Piloten in Elektro-Rennautos mitten durch
Berlin. Angeblich der Nachhaltigkeit wegen. Was soll das?
E-Autorennen: Senat fördert das Rasen
Wenn Elektroautos mit 220 Sachen durch die Innenstadt rasen, sieht der
Senat darin ein Zeichen für die Zukunft. Grüne und Anwohner stöhnen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.