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# taz.de -- Status des E-Sports: Schießen aus dem Handgelenk
> E-Sport liegt im Trend, sagt sogar die Bundesregierung. Doch auf eine
> Anerkennung wartet die Disziplin immer noch. Wann ist ein Sport ein
> Sport?
Bild: Hochleistungssport mit Wasserglas und Schreibtischsessel: E-Sports
Krefeld taz | Als sich an einem Freitag Mitte März 32 der besten
europäischen Spieler des Fußballkonsolenspiels „Fifa 18“ in einer Bar in
Krefeld zum „DraftStory Cup“ treffen, kämpft sich draußen mit aller Macht
der Winter zurück. Es weht ein eisiger Wind, Schnee und Regen wechseln sich
ab, die Straßen sind wie leergefegt.
Drinnen bekommt davon niemand etwas mit. Das „TaKeTv“ ist keine klassische
Bar, hierher kommt niemand, um Zeitung zu lesen oder weil der Kaffee so gut
schmeckt. Hier wird gezockt, vor allem aber gestaunt: Die Stars der
E-Sport-Szene sind angereist und zeigen ihre Skills.
Sie heißen Kai „Deto“ Wollin, Timo „TimoX“ Siep oder Cihan Yasarlar,
stehen bei Vereinen wie Manchester City, dem VfL Wolfsburg oder RB Leipzig
unter Vertrag und leben den Traum von Millionen von Jugendlichen. Jeden Tag
trainieren sie mindestens sieben Stunden, die Vereine stellen ihnen
Ernährungsberater zur Seite, Zigtausende folgen den Spielern in den
sozialen Netzwerken. Es gibt Trainer, Berater, Scouts, nichts wird dem
Zufall überlassen. Denn wer an der Konsole zur Weltspitze gehört, kann
richtig reich werden.
Glaubt man den Schätzungen von Experten, dann dürften unter diesen 32
jungen Männern, von denen der jüngste gerade 16 ist, einige sein, die im
Jahr 100.000 Euro brutto verdienen. Prämien nicht eingerechnet.
Nicht nur deshalb blicken viele traditionelle Sportarten, die um jedes
Mitglied, jeden Fan und jeden Euro kämpfen müssen, argwöhnisch auf den
E-Sport, also den elektronischen Sport. Die Zeiten der kleinen LAN-Partys
sind vorbei, heute sind die E-Sportler weltweit vernetzt und treten in
Ballerspielen, Strategiespielen oder eben Sportsimulationen wie „Fifa“
gegeneinander an.
## Es wartet ein Millionengeschäft
Laut einer Studie des niederländischen Marktforschungsinstituts Newzoo
hatte der E-Sport im Jahr 2016 weltweit 323 Millionen Zuschauer, bis 2020
könnte diese Zahl auf 589 Millionen Zuschauer steigen. Längst ist die
Branche auch für Sponsoren und Investoren attraktiv geworden, sie wittern
ein Milliardengeschäft.
Nur offiziell, da ist der E-Sport noch gar keine Sportart, schon seit
vielen Jahren bemüht er sich um die Anerkennung als solche. Bislang
erfolglos. Diese Entscheidung spaltet die Sportwelt, die Verbände und auch
die Politik in zwei Lager.
Etwa zur gleichen Zeit, als die E-Sportler in Krefeld von aufgeregten
jugendlichen Fans umringt werden, ist der DFB-Präsident Reinhard Grindel in
Kolumbien, dort tagt in der Stadt Bogotá der Fifa-Council, nur hat das
nichts mit dem Konsolenspiel zu tun. Es geht um Fußball, um Geld und Macht.
Wichtige Menschen treffen noch wichtigere Entscheidungen. Und man darf
davon ausgehen, dass Grindel in diesem Moment mehr als die 13 Flugstunden
und 15 Grad Temperaturunterschied von den Interessen der E-Sportler in
Krefeld trennen. Denn Grindel, das weiß man spätestens, seit er dem Weser
Kurier kürzlich sagte, E-Sport sei für ihn „kein Sport“, tut sich schwer
mit den Trends der virtuellen Welt.
Wenn Grindel die Contra-Seite verkörpert, dann könnte der
Sportwissenschaftler Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln
einer seiner Gegenspieler sein. „E-Sport ist aus meiner Sicht eine
Sportart“, sagt Froböse. „Es wird zielgerichtet trainiert, und es sind
mentale, taktische und soziale Fähigkeiten gefordert.“ Er beschäftigt sich
seit Jahren intensiv mit dem Thema. Gerade erst habe er die E-Sportler des
1. FC Köln auf Herz und Nieren geprüft, sagt Froböse. „Ihre körperliche
Leistungsfähigkeit ist auf einem hohen Niveau, von dem der Normalbürger
weit entfernt ist.“ Die Herzfrequenz der E-Sportler liegt in der Spitze
über der von Schachspielern, Bogenschützen und nahe an der von
Formel-1-Fahrern. Dazu müssen Gamer 200 bis 300 Bewegungen pro Minute
ausführen – auch da können nicht alle Sportarten mithalten.
## Der starke Deutsche Olympische Sportbund
Warum also, so lautet die Frage, die sich nicht nur Froböse, sondern auch
Millionen von Gamern stellen, sind Schach, Bogenschießen und die Formel 1
anerkannte Sportarten, E-Sport aber nicht? Und: Wann ist ein Sport ein
Sport? Und wer entscheidet das?
Wer in Deutschland eine neue Sportart anmelden möchte, kommt am Deutschen
Olympischen Sportbund (DOSB) nicht vorbei. Der betont auf Nachfrage, man
definiere nicht, was Sport ist und was nicht, sondern lediglich, ob ein
Verband Mitglied werden kann. Im Anschluss aber müssten noch die fast 100
Mitgliedsverbände zustimmen, und die verfolgen nicht selten eigene
Interessen. Jeder neuzugelassene Verband bekommt ein Stück ab vom
Fördergelderkuchen. Es geht um Millionen.
Doch wenn der Dachverband den Daumen senkt, kommt es gar nicht erst zu
einer Abstimmung. In der Aufnahmeordnung des DOSB heißt es, die Ausübung
einer Sportart müsse eine „eigene, sportartbestimmende motorische
Aktivität“ haben. Eine Sportart müsse „die Einhaltung ethischer Werte wie
Fairplay und Chancengleichheit“ gewährleisten und gewisse organisatorische
Voraussetzungen erfüllen.
Während Experten wie Ingo Froböse davon ausgehen, dass der E-Sport die
motorischen Anforderungen erfüllt, wird noch darüber diskutiert, inwieweit
das auf die ethischen Werte zutrifft. Es geht ja nicht nur um
Sportsimulationen, Stichwort: Killerspieldebatte. „Mich interessiert nicht,
welches Spiel gespielt wird, sondern der Sportler“, sagt Froböse. Er
verweist auf Sportarten wie das Schießen oder Amateurboxen, die vom DOSB
anerkannt sind. Bleibt die Frage, was ethisch wertvoller ist: zwei
Menschen, die sich in einem Ring mit Schlägen malträtieren? Oder
E-Sport-Teams, die mit virtuellen Figuren in virtuellen Welten aufeinander
schießen?
## Unterstützung der Bundesregierung
Und dann sind da ja noch die Strukturen. Eine Sportart braucht einen
offiziellen Verband, muss Ansprechpartner angeben können und sich
organisieren, lange war das ein Ausschlusskriterium für den E-Sport. Doch
als im November 2017 der E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) in Leben gerufen
wurde, schien beim DOSB ein Umdenken stattzufinden. Mittlerweile gibt es
eine Arbeitsgruppe, die laut DOSB aus Fachleuten verschiedener Sparten
besteht. Sie soll prüfen, wo „E-Sport und gemeinnützig organisierter Sport
Gemeinsamkeiten aufweisen und was sie trennt“. Kenner der
Verbandsstrukturen sagen hinter vorgehaltener Hand, mit einer schnellen
Entscheidung sei trotzdem nicht zu rechnen, die Interessen seien zu
unterschiedlich.
Auch die Politik hat erkannt, welche Chancen der E-Sport bietet. Es geht um
Millionen potenzieller Wähler, die man mit einer Entscheidung für sich
gewinnen kann. Wen kümmert es da noch, dass man noch vor wenigen Monaten
vor allem die Unterschiede zwischen E-Sport und traditionellem Sport betont
hatte? Und so finden sich im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung
um CDU, CSU und SPD einige verklausulierte Sätze zum E-Sport. Der schule
Fähigkeiten, die nicht nur in der digitalen Welt wichtig sind, man werde
ihn „künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht
anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive
unterstützen“, heißt es dort.
Im Sportausschuss des Bundestags kam dieser Vorstoß gar nicht gut an, die
Stimmung ist frostig. Sie finde es merkwürdig, dass die Große Koalition
E-Sport „eigenständig als Sport anerkennen will“, sagt die
Grünen-Politikerin Monika Lazar, dafür seien doch andere, sprich: der DOSB,
zuständig. Dort fühlt man sich von der Bundesregierung übergangen. Man
könne das als „klaren Angriff der Fachpolitiker im Bereich Digitales auf
die Autonomie des Sports verstehen“, heißt es in einer Pressemitteilung des
DOSB.
So trägt der E-Sport das Wörtchen Sport zwar im Namen, eine Sportart ist er
deshalb noch lange nicht. Vermutlich wird es in den kommenden Monaten,
vielleicht sogar Jahren auch so bleiben. Und man kann durchaus Eindruck
bekommen, dass das nicht nur DFB-Präsident Reinhard Grindel auch ganz recht
wäre.
25 Mar 2018
## AUTOREN
Tim Beyer
## TAGS
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Computerspiel
Lesestück Recherche und Reportage
Formel E
Feminismus
Computerspiel
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