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# taz.de -- „Schwarze Liste“ bei der Fußball-WM: Russland will ihn nicht
> Zuerst sollte ARD-Sportjournalist Hajo Seppelt kein Visum bekommen, nun
> darf er doch zur WM nach Russland fahren. Doch zu welchem Preis?
Bild: Seine Recherchen zum russischen Dopingsystem brachten beinahe die gesamte…
Berlin taz | Es ist nicht so, dass die Fifa grundsätzlich keine
Journalisten leiden kann. Der internationale Fußballverband hat einem
Reporter sogar schon mal den Presidential Award verliehen – die höchste
persönliche Auszeichnung des Verbands. [1][Der ARD-Sportreporter Hajo
Seppelt] hingegen wird wohl nie einen Preis von der Fifa verliehen
bekommen.
Hinter dem Mann, dessen Recherchen in den Untiefen des russischen
Staatsdopingsystems beinah die gesamte Sportwelt ins Wanken brachten, liegt
eine verrückte Woche: An Christi Himmelfahrt ließ ihm ein hochrangiger
russischer Konsulatsmitarbeiter mitteilen, er sei in Russland eine
„unerwünschte Person“. Seppelt wurde das bereits ausgestellte Visum für d…
Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland entzogen. Eine Woche, etliche
Politikerproteste und viele sportdiplomatische Telefonate später hieß es
dann, Seppelt dürfe doch zur WM.
Eines dieser Telefonate führte der Präsident des Deutschen Fußballbundes
(DFB) Reinhard Grindel. Er hatte Fifa-Präsident Gianni Infantino erklärt,
dass Russland akkreditierten Journalisten ein Visum ausstellen muss. Und
wie angebracht es sei, dass Infantino „persönlich bei der russischen
Regierung vorstellig wird, um die Einhaltung der Staatsgarantien zu
fordern“. Am Dienstag machte Grindel in Dortmund, bevor dort der vorläufige
WM-Kader der deutschen Nationalmannschaft bekannt gegeben wurde, dennoch
klar, dass das Thema Seppelt nicht gerade eine Herzensangelegenheit für ihn
ist. Er freue sich darauf, „wenn der Ball rollt“ in Russland.
Von der Fifa war in der Causa Seppelt keine Stellungnahme zu erhalten. Sie
mag sich für Seppelt eingesetzt haben – dessen Doping-Recherchen im
russischen Fußball auch zu einer Untersuchung im Weltverband geführt
hatten. Sie mag bei der russischen Regierung auf die genannten
Staatsgarantien gedrängt haben, die Russland im Gastgebervertrag mit der
Fifa zugesichert hatte. Was die Fifa jedoch nicht gemacht hat, ist ein für
jedermann vernehmliches Signal zu senden, dass sie sich für die
zugesicherten Rechte von Journalisten einsetzt.
## Die Fifa versucht, die Berichterstattung zu kontrollieren
Gewundert hat das niemanden. Seppelt gehört gewiss nicht zu denen, die
Bilder und Geschichten liefern, die im Sinne der Fifa zum Ruhm des
Fußballsports beitragen. Der taz sagte Seppelt, man könne sich darauf
verlassen, dass die ARD weiter zu Doping im Fußball berichten werde. Es
gebe genug Informationen zu diesem Thema. Der Fifa wird das nicht gefallen
– versucht sie doch gerade während ihrer Großveranstaltung die
Berichterstattung vollständig zu kontrollieren. Genauso wie die europäische
Fußballunion Uefa oder das Internationale Olympische Komitee übrigens.
Ein Wort, das im Zusammenhang mit kontrollierter globaler Berichterstattung
Karriere gemacht hat, lautet: „Weltregie“. Etwa wenn wieder einmal nur zu
erahnen ist, dass Fans in der Kurve begonnen haben, bengalische Feuer
abzubrennen, wenn jemand ein Transparent mit einer politischen Botschaft in
die Höhe hält oder wenn Zuschauer auf den Rängen anfangen, sich zu prügeln.
Bei solchen Szenen werden Fernsehsender, die sich für teures Geld
Übertragungsrechte gekauft haben, nicht mit Bildern versorgt.
Die Regie, die die Bilder des Großereignisses um die Welt schickt, versucht
alles auszublenden, was nicht unmittelbar mit dem sportlichen Wettkampf zu
tun hat. So war auf den Fernsehbildern der Fußball-Europameisterschaft 2016
nicht zu sehen, wie russische Hooligans nach dem Spiel ihrer Mannschaft
gegen England im Stade Vélodrome von Marseille auf die gegnerischen Fans
eingedroschen haben.
Ein Rechercheur, der im Dopingmilieu des Weltsports wühlt, ist in dieser
sauberen Welt der professionellen Körperertüchtigung allenfalls geduldet.
Seppelt hat wegen seiner Rolle bei der Enttarnung des Staatsdopingsystems
auch von den offiziellen Medien Russlands wenig Rückendeckung zu erwarten.
Hier wird er als „Propagandist“, als „sogenannter Journalist“ und, wenn…
besonders gehässig wird, einfach als „dieser Seppelt“ bezeichnet. Seppelt
selbst sagt, er sei in Russland bekannter als in Deutschland. Wer russische
Sportmedien liest, der weiß, dass er dort als konsequent russophob
dargestellt wird.
## Drohungen bleiben von Fifa meist unkommentiert
Der Vorsitzende des russischen Journalistenverbands Wladimir Solowjow hatte
sich zuletzt dafür ausgesprochen, Seppelt ins Land zu lassen – fügte dann
aber hinzu, dass dieser alles andere als ein Journalist sei, und sagte:
Seppelt müsse „ganz bestimmt Personenschutz bereitgestellt werden, damit
Kenner seines ‚journalistischen Talents‘ ihn nicht zufällig verprügeln“.
Solche unverhohlenen Drohungen bleiben von der Fifa und anderen
Sportverbänden meist unkommentiert.
Während der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro soll Seppelt
tatsächlich unter Polizeischutz gestanden haben. Darüber, wie er sich
schützt, wenn er in Russland auf Recherchereise unterwegs ist, möchte
Seppelt verständlicherweise nicht sprechen. Ob er wirklich zur WM reist,
steht noch nicht fest. Russische Behörden hatten angekündigt, Seppelt
vorladen zu wollen. Er solle im Fall des in Russland angeklagten Kronzeugen
im Staatsdopingkomplex aussagen – und zwar gegen Grigori Rodschenkow, er
war einst Leiter des Dopingkontrolllabors in Moskau. Unter solchen
Umständen ist freie Sportberichterstattung für Seppelt kaum möglich.
Dass eine solche sowieso nicht erwünscht ist, wurde den Journalisten, die
sich vor einem Jahr um eine Akkreditierung für das Vorbereitungsturnier zur
Weltmeisterschaft in Russland, den Confederations Cup, bemüht haben,
schwarz auf weiß vorgeführt. Sie dürften, so stand es auf dem Anmeldebogen,
nur aus den Stadien und dem unmittelbaren Fußballumfeld berichten. Nach
Protesten verschwand diese Klausel wieder, die Botschaft dürfte dennoch
angekommen sein.
Die Zukunft des Sportjournalismus, so wie ihn sich die Fifa gewiss wünscht,
ist übrigens schon unterwegs bei den Turnieren. Manch ein Reporter hat sich
im vergangenen Jahr beim Confederations Cup sicherlich gewundert, dass
Jugendliche nach den großen Spielen in den Pressekonferenzen saßen und
Fragen stellten. Die Kids haben an einem internationalen Programm
teilgenommen, das „Fußball für Freundschaft“ heißt und vom Fifa-Sponsor …
weltweit größten Erdgasförderunternehmen Gazprom ins Leben gerufen wurde.
Während des Confederations Cup haben die Jungjournalisten eine
Kinderzeitung und ein paar Videos fürs Internet erstellt. Als Ziel des
Jugendprogramms bezeichnet der russische Staatskonzern die Werterziehung
hin zu „Freundschaft, Gleichheit, Fairness, Gesundheit, Frieden, Hingabe,
Erfolg, Traditionen und Ehre“. Eine „einzigartige Initiative des
offiziellen Partners der Fifa“, das findet jedenfalls der Weltverband.
19 May 2018
## LINKS
[1] /Schwarze-Liste-bei-Fussball-WM/!5506258
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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