# taz.de -- Kali-Abbau in Hessen und Thüringen: In die Werra fließt zu viel S… | |
> K+S leitet Millionen Tonnen mit Abfall aus dem Kali- Bergbau in die | |
> Umwelt. Weil das Wasser versalzt, klagen Umweltschützer und Kommunen. | |
Bild: Hübsch und salzig: Häuser an der Werra, dahinter ein Kali-Berg | |
HATTORF taz | Ohne Einweisung in das Rettungsgerät gibt es keinen Zutritt | |
zum Förderkorb des Kali-Bergwerks in Hattorf. Wer nach unten will, muss im | |
Notfall den kleinen Koffer mit Atemmaske bedienen können. Unter Tage könnte | |
Kohlendioxid austreten. Im Notfall würde der Sauerstoff aus dem | |
„Selbstretter“ eine Stunde reichen. Auch wenn der Kaliabbau als | |
„Salonbergbau“ gilt – wenig Schmutz, kaum Explosions- oder Feuergefahr �… | |
Bergbau ohne Risiko gibt es nicht. | |
Der luftige Förderkorb schießt in die Tiefe. Für rund 2.000 Kumpel ist das | |
der tägliche Weg zu ihrem Arbeitsplatz, 800 Meter unter der Erde im | |
Kalirevier diesseits und jenseits der früheren DDR-Grenze in Hessen und | |
Thüringen. Hier lässt der DAX-Konzern K+S Salz abbauen. Produziert werden | |
damit Kali- und Magnesiumdünger, Speise- und Industriesalze oder | |
hochwertige Speziallösungen für die Medizin. | |
Die Arbeitsplätze im Kalibergbau sind vergleichsweise sicher und sauber. | |
Die Branche schafft ihre gravierenden Umweltprobleme über Tage. Da sind die | |
weithin sichtbaren gigantischen Abraumhalden, aus denen nach jedem | |
Regenguss Tausende Liter salzige Brühe auslaufen. Da sind Millionen Tonnen | |
salzhaltiger Abwässer, die K+S seit Jahrzehnten in die Werra einleitet. Da | |
sind zudem weitere Millionen Tonnen Salzbrühe, die das Unternehmen Jahr für | |
Jahr in tiefere Gesteinsformationen presst. | |
Mit diesem umstrittenen Verfahren ist es immerhin ab dem Jahr 2021 vorbei. | |
Der BUND und die Gemeinde Gerstungen hatten K+S verklagt. Nachdem in | |
Gerstungen drei Trinkwasserbrunnen wegen Versalzung hatten geschlossen | |
werden müssen, zogen die Verantwortlichen gegen den wichtigsten Arbeitgeber | |
der Region vor Gericht. „Wir haben dafür nicht nur Beifall bekommen“, sagt | |
Bürgermeisterin Sylvia Hartung. | |
## Gigantische Spezialgeräte für „weißes Gold“ | |
Die Wände und Decken im Bergwerk schimmern mattschwarz. In den Berg führen | |
Tausende im Schachbrettmuster angelegte Stollen. Es gibt unter Tage 600 | |
Kilometer befahrbare Straßen, auf denen mehr als 1.000 Fahrzeuge unterwegs | |
sind. Hier befindet sich die größte unterirdische Werkstatt der Welt, mit | |
Hunderten Montagegruben, über denen Fahrzeuge vom kleinen Jeep bis zum | |
größten Schaufelbagger gewartet werden. | |
Gigantische Spezialgeräte bergen das „weiße Gold“ aus dem Steinsalz. Die | |
bis zu 15 Meter breiten Pisten sind in Nord-Süd oder West-Ost-Richtung | |
angelegt. Sie folgen den Wellen der vergleichsweise dünnen Schicht, in der | |
sich das wertvolle Kalisalz vor Millionen von Jahren abgelagert hat. Unter | |
Tage gilt Tempo 50. Am Rand der Steinsalzpisten weisen Verkehrsschilder den | |
Weg. Die Kreuzungen der Straßen sind taghell erleuchtet. Da hier seit mehr | |
als 100 Jahren Kali und Salz abgebaut werden, sind die Wege zu den | |
aktuellen Schürfstellen wie den Revieren 2 und 20 weit. | |
In der zentralen Grotte und den von hier ausgehenden Stollen arbeiten | |
mehrere Kumpel. Der „Berauber“ bedient eine Maschine mit einem gewaltigen | |
Dorn aus hartem Stahl. Nach einer Sprengung, oder wenn die Gesteinsbrocken | |
aus einem Bereich ausgeräumt sind, kratzt der „Berauber“ loses Gestein oder | |
lockere Salzplatten von der gerade freigelegten Decke. | |
Am äußersten Ende des Stollens arbeitet Morris Prager. Er bedient ein | |
riesiges Gefährt, mit dem er in einem neuen Abschnitt Hunderte vertikale | |
Bohrlöcher für die nächste Sprengung anbringt. Die wertvolle | |
Gesteinsschicht mit Kalium und anderen Mineralien ist hier 3 bis 4 Meter | |
stark. Das Spezialsalz ist farblich vom wertlosen Steinsalz zu | |
unterscheiden und mit Sprühfarbe markiert. Ein anderer Arbeiter wird | |
anschließend Sprengstoff in die Bohrlöcher einbringen. Die Sprengsätze | |
werden über Tage gezündet, jeweils zum Schichtwechsel, also dreimal am | |
Tage, von oben elektronisch überwacht und gesteuert. | |
Vorderlader transportieren das Material in die zentrale Halle und kippen | |
ihre Last in den „Brecher“. Der riesige Stahlkoloss zermalmt die | |
Salzbrocken in einer Art Steinmühle. Auf kilometerlangen Förderbändern | |
wandert das „weiße Gold“ schließlich zu den Schächten, durch die es nach | |
oben direkt in die Fabriken des Unternehmens gebracht wird.10.500 Tonnen | |
Gestein sind es allein von hier aus, jeden Tag. | |
## Weniger salzhaltige Abwässer | |
Immerhin: K+S will nun einen Teil der Umweltbelastungen einschränken. Mit | |
einem „einstelligen Millionenbetrag“ finanziert das Unternehmen die Bohrung | |
neuer Brunnen und einen Trinkwasserhochbehälter. „Für uns ist das eine gute | |
Lösung, auch wenn das Unternehmen die Verpressung als Ursache für die | |
Versalzung der Brunnen nicht anerkennt“, sagt die Bürgermeisterin. | |
Auch der BUND hat sich mit K+S geeinigt. „Wir konnten nur so per Vertrag | |
das Ende der Verpressung von Salzlösungen im Jahr 2021 sichern“, sagt | |
Thomas Norgal, Umweltreferent des BUND Hessen. Außerdem versprach K+S den | |
Bau einer 180 Millionen teuren Anlage, mit der die Menge der salzhaltigen | |
Abwässer verringert wird. | |
Im Januar bei der Einweihung der Anlage sprach der K+S-Vorstandsvorsitzende | |
Burkhard Lohr in Anwesenheit von Thüringens linkem Ministerpräsidenten, | |
Bodo Ramelow, und Hessens grüner Umweltministerin, Priska Hinz, gar von | |
einem „Umweltfrieden“. Der BUND widerspricht entschieden. „Von einem | |
Umweltfrieden kann keine Rede sein“, sagt Referent Norgall. „Es gibt nach | |
wie vor kein schlüssiges Entsorgungskonzept, nach wie vor fließt zu viel | |
Salz in die Werra.“ | |
Bis in die 60er Jahre dieses Jahrtausends reichen die Vorkommen in den | |
Kaliflözen in Hessen und Thüringen. Dann ist der Kalibergbau an der Werra | |
Geschichte. Doch die Umweltlasten bleiben der Region deutlich länger | |
erhalten. Dazu gehören die gigantischen Abraumhalden, deren Volumen nach | |
Schätzungen bis zum Auslaufen der Produktion sogar auf das Doppelte des | |
heutigen Umfangs anwachsen werden. Mit einer dauerhaften Abdeckung und | |
Begrünung der Halden lasse sich der stete Strom versalzenen Regenwassers | |
aus diesen Halden deutlich verringern, sagt das K+S-Management. Doch der | |
BUND widerspricht. „Diese festen Abfälle müssen dauerhaft dort gelagert | |
werden, wo sie herkommen, also unter Tage“, sagt Thomas Norgall vom BUND | |
der taz. „Viel zu aufwendig und kaum machbar“, kontert K+S. | |
Es bleiben Millionen Kubikmeter Salzlauge, die bis zum Jahr 2021 in tiefe | |
Gesteinsschichten gepresst wurden und werden, zum Beispiel in die | |
Gerstunger Mulde. „Diese marodierenden Salzmengen drängen nach oben und | |
bedrohen Trinkwasser und Oberflächengewässer“, sagt Norgall und fügt hinzu. | |
„Es gibt bislang keine überzeugenden Konzepte für die Lösung der | |
Umweltprobleme, die der Kalibergbau hinterlässt.“ | |
16 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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