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# taz.de -- Geheimdienst in Südkorea: Zur Flucht aus Nordkorea gezwungen
> Zwölf Kellnerinnen flohen 2016 aus Nordkorea. Jetzt enthüllt ein Ex-Agent
> Südkoreas, dass es eine Entführung war.
Bild: Flüchtlinge aus Nordkorea feiern im Süden das koreanische Neujahrsfest,…
SEOUL taz | Für die heute in Haft sitzende Ex-Präsidentin Park Geun Hye war
es ein Coup in ihrer sonst von innenpolitischen Skandalen und Krisen
überschatteten Amtszeit: Im April 2016 verkündete ihre konservative
Regierung in Seoul, dass zwölf Kellnerinnen und der Manager eines
nordkoreanischen Restaurants aus dem chinesischen Ningbo nach Südkorea
geflohen sind.
Die Flucht galt als politisch brisant, denn schließlich gehören Angestellte
nordkoreanischer Staatsrestaurants im Ausland in der Regel der Elite an.
Die meisten Medien deuteten denn auch die Flucht als Indiz, dass selbst
unter Angehörigen hochrangiger Parteikader die Loyalität zu Kim Jong Un
schwindet.
Heute nimmt die Geschichte nun eine thrillerartige Wendung: „Es war eine
Entführung. Ich weiß das, weil ich sie selber ausgeführt habe“, sagte
Ex-Restaurantmanager Huh Kang Il kürzlich Südkoreas TV-Sender JTBC.
Eine der Kellnerinnen, sagt anonym und verpixelt im gleichen Beitrag: „Ich
möchte nach Hause. Das hier ist nicht das Leben, das ich mir vorgestellt
habe.“ Als Beleg der Echtheit der Identitäten verweist der Sender auf die
nordkoreanischen Reisepässe.
## Wer glaubt schon Nordkorea?
Nordkorea behauptete schon 2016, seine Staatsbürgerinnen seien gegen ihren
Willen ins Ausland gebracht worden. Von den meisten Beobachtern inklusive
der internationalen Presse wurde dies als unhaltbarer Vorwurf abgetan: Wer
wollte schon freiwillig nach Nordkorea zurück?
Dabei gibt es unter den 30.000 Nordkoreanern im Süden jedes Jahr ein
Dutzend freiwilliger Rückkehrer. Oft spielen finanzielle Schulden eine
Rolle oder der Wunsch, gegen Lebensende noch einmal die Heimat zu betreten.
Ältere Flüchtlinge haben auch Probleme, sich in Südkoreas äußerst
kompetitiven Gesellschaft zu integrieren. Statistiken legen nahe, dass die
Hälfte der Flüchtlinge unter Depressionen leidet. Oft hatten sie
unrealistische Erwartungen an ihr Leben im Süden.
Rückkehrern drohen nicht wie im Süden angenommen grundsätzlich hohe
Gefängnisstrafen in Nordkorea. Schließlich bieten sie dem Regime einen
hohen Propagandawert.
## Flüchtlinge dienen der Propaganda
In Fernsehbeiträgen werden sie gedrängt, „Reue“ zu zeigen und die
„Überlegenheit“ des nordkoreanischen Systems zu bezeugen. Doch auch südli…
des 38. Breitengrads, der die Koreas trennt, werden die Flüchtlinge oft
politisch instrumentalisiert.
Im Fall der Kellnerinnen äußerten vor allem linksgerichtete südkoreanische
Zeitungen leise Zweifel an Seouls offizieller Sichtweise.
Viele Fragen blieben schließlich offen: Wieso wurden Menschenrechtsanwälten
der Zugang zu den Nordkoreanerinnen verweigert? Weshalb dauerte die
gefährliche Flucht von China über Südostasien nur zwei Tage statt wie sonst
mehrere Wochen? Wieso machten die Behörden den Fall umgehend öffentlich, wo
sonst mit Verweis auf die Sicherheit der Angehörigen in Nordkorea
Stillschweigen vereinbart wird?
Vor allem der Zeitpunkt kam verdächtig vor: Nur wenige Tage später fanden
in Südkorea Parlamentswahlen statt. Die konservative Partei war intern
zerstritten und brauchte einen Erfolg. Früher hatte sie immer die
Nordkorea-Karte ausgespielt, um ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren.
Laut Restaurantmanager Huh steckte Südkoreas Geheimdienst hinter der
erzwungenen Flucht: 2014 heuerte Huh dort als verdeckter Spion an, nachdem
Kim Jong Un bei einer Säuberungswelle fünf seiner Ex-Klassenkameraden
hingerichtet habe.
## Geheimdienst besteht auf „Flucht“ der Kellnerinnen
Zwei Jahre später jedoch drohte Huhs Informantentätigkeit aufzufliegen.
Mithilfe seines Kontaktmanns wollte er nach Südkorea fliehen. Der jedoch
bestand darauf, dass er sein Personal mitnimmt.
„Er hat mir gedroht, mich an Nordkoreas Botschaft zu verraten“, behauptet
der Ex-Spion. Die Kellnerinnen hätten bis zur Einfahrt von Südkoreas
Botschaft im malaysischen Kuala Lumpur gedacht, sie würden zu einem neuen
Restaurant versetzt.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Südkoreas Geheimdienst politisch
manipuliert. Im Wahlkampf 2013 ordnete der Geheimdienstchef an, mit
gefälschten Twitter-Profilen die spätere Präsidentin Park Geun Hye zu
unterstützen.
Ihr Vater, Park Chung Hee, hatte in den 1960er Jahren den Geheimdienst zum
brutalen Überwachungsapparat aufgebaut. Kritiker sagen, der habe sich bis
heute nicht ausreichend reformiert.
Ein Deutscher, der in den 1990er Jahren eine parteipolitische Stiftung in
Seoul geleitet hat, sagt mit Verweis auf Anonymität: „Wann immer wir von
einer Delegationsreise aus dem Norden in den Süden zurückkamen, verfolgten
uns Geheimdienstmitarbeiter die nächsten Wochen auf Schritt und Tritt.
Teilweise fühlten wir uns stärker überwacht als in Nordkorea“.
16 May 2018
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
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Geheimdienst
Flüchtlinge
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Atomtest
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Moon Jae In
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