Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- JournalistInnen im Weißen Haus: Der Präsident lässt bitten
> Die US-Regierung mag keine JournalistInnen? Im Gegenteil, sagen die
> KorrespondentInnen im Weißen Haus. Unter Trump läuft einiges gut.
Bild: Wieder mal umringt: Donald Trump
Washington taz | Neulich hat die Sprecherin des US-Präsidenten etwas
Erstaunliches behauptet. „Ich denke wir sind für die Presse eine der
zugänglichsten Regierungen seit Jahrzehnten“, sagte Sarah Huckabee Sanders
im Weißen Haus. Es war die tägliche Pressekonferenz, ein Reporter hatte die
gerade veröffentlichte Rangliste von Reporter ohne Grenzen angesprochen –
die USA sind dieses Jahr wieder einmal abgesackt: von Platz 43 auf 45.
Ein Grund dafür sind die verbalen Attacken des Präsidenten gegen die
Presse. Gerade hat Donald Trump erneut die Einladung zum jährlichen Dinner
der JournalistInnenvereinigung White House Correspondents’ Association
[1][ausgeschlagen]. Der letzte Präsident, der diese Feier verpasst hat, war
Ronald Reagan 1981 – und das nur, weil kurz vorher auf ihn geschossen
worden war. Trump hingegen macht sich keine Mühe zu verbergen, wie wenig er
von JournalistInnen hält. Und da hat seine Sprecherin die Chuzpe zu
behaupten, es hätte lange keine so offene Regierung mehr gegeben?
Doch aus Sicht einiger KorrespondentInnen in Washington hat sie gar nicht
so Unrecht: „Präsident Trump lässt sich bei vielen Gelegenheiten Fragen
stellen“, sagt Jeff Mason. Mason ist Korrespondent für die
Nachrichtenagentur Reuters. „Etwa wenn er zu seinem Hubschrauber läuft,
oder am Rande von offiziellen Treffen im Oval Office.“
Das bestätigt Julie Davis, die für die New York Times aus dem Weißen Haus
berichtet. „Präsident Trump beantwortet spontane Fragen bereitwilliger, als
es Obama oder Bush taten.“ Auch bekomme man bei dieser Regierung mehr
Informationen unter der Hand: kleine Leaks, die MitarbeiterInnen abseits
der regulären Pressetermine durchgeben.
## Permanent bei der Regierung zu Gast
Tatsächlich stammt das Image von der pressefeindlichen Trump-Regierung noch
aus ihren ersten Tagen. Trump hatte vor seiner Wahl die Nachrichtenmedien
so oft attackiert und abgewertet, dass man besorgt sein musste. Im Januar
2017 zog er dann ins Weiße Haus ein, mit dem rechten Medienmacher Steve
Bannon als Strategen – und [2][mit dem Choleriker Sean Spicer als
Pressesprecher].
Laut einem Reporter wollte Spicer umgehend einigen unliebsamen
JournalistInnen den Zugang verweigern. Kurzzeitig verbot er Kamera- und
Tonaufnahmen. Zwischendurch hieß es sogar, die press briefings würden in
ein anderes Gebäude verlegt. „Das hätte der Auftakt werden können, uns ganz
aus dem Weißen Haus zu drängen“, sagt Reuters-Korrespondent Mason, der
damals für die White House Correspondents’ Association mit Spicer
verhandelte, um das zu verhindern.
Anders als in Berlin ist die Washingtoner Presse bei der Regierung
permanent zu Gast. Die täglichen press briefings finden im Weißen Haus
statt. Auch die KorrespondentInnen arbeiten direkt vom Wohnhaus des
Präsidenten aus. Man muss sich diese Zentrale der Macht vorstellen wie eine
sonderbare Wohngemeinschaft. In Laufweite vom Beraterstab des Präsidenten
sitzt die Presse in winzigen, fensterlosen Büros – „Telefonzellengröße�…
beschreibt es eine Reporterin. Man ist sich nah, pflegt Kontakt, und
verfolgt doch gegensätzliche Ziele. Anlässe wie das Correspondents Dinner
sind eigentlich dazu da, um Spannungen abzubauen.
## Trump will kontrollieren
Vor Trump war das Verhältnis zwischen beiden Gruppen, Presse und Regierung,
hochformalisiert, sagen die KorrespondentInnen in Washington. Entweder der
Präsident gab eine Pressekonferenz – oder der Sprecher oder die Sprecherin
äußerte sich an seiner Stelle beim täglichen press briefing. Jede Aussage
war stets bis ins Detail geprüft. „Obamas Kommunikationsteam verwendete
viel Zeit darauf, Statements zu erarbeiten, die der Wahrheit entsprechen
ohne zu viel zu verraten“, sagt Julie Davis. „Sie gingen äußerst kalkulie…
vor. Es war dann so gut wie unmöglich, von irgendjemandem im Weißen Haus
etwas zu hören, was von dieser Aussage abwich.“
Mit Trump hat sich das radikal geändert. Der amtierende Präsident hat in
seinen 15 Monaten im Amt gerade mal eine offizielle Pressekonferenz
gegeben. Barack Obama gab elf im ersten Jahr, George Bush immerhin vier.
Stattdessen lädt Trump zu sogenannten pool sprays: Ein Grüppchen
ReporterInnen wird am Ende eines Termins ins Oval Office geholt, am besten
wenn gerade Hände geschüttelt oder Papiere unterzeichnet werden. Die
ReporterInnen können dann Fragen stellen und Fotos machen. Oder der
Präsident lässt sich auf dem Weg zum Hubschrauber im Garten ansprechen –
muss dann aber natürlich gleich weiter.
„Der Präsident will seine Umgebung genau kontrollieren“, sagt
Times-Korrespondentin Davis. „Am Pult einer Pressekonferenz ist es
schwieriger, die Unterhaltung in eine Richtung zu lenken. Beim spontanen
Austausch im Garten hingegen haben wir weniger Zeit, uns Fragen zu
überlegen, oder eine Nachfrage zu stellen.“ Für die KorrespondentInnen
heißt das: immer auf Abruf sein. Viele Redaktionen haben ihr Personal im
Weißen Haus aufgestockt. Für die New York Times und die Washington Post,
sind inzwischen je sechs Personen vor Ort, für das Magazin Politico sieben.
Um die vier Personen waren bislang üblich.
Bei Agenturen wie Reuters gibt es eine Schicht um sechs Uhr morgens, allein
für die Trump-Tweets. Der Präsident äußert sich gerne direkt nach dem
Aufstehen über das soziale Medium. Oft greift er dabei Themen aus der
TV-Sendung „Fox and Friends“ auf, die um sechs Uhr Ostküstenzeit anfängt.
## Nicht sicher, was stimmt
Die Arbeitstage im Weißen Haus sind dadurch lang und unberechenbar
geworden. Dazu kommt, dass man sich auf Aussagen aus Trumps Stab nicht
verlassen kann. „Sie wissen selber nie genau, wie lange ihre Informationen
gültig sind“, sagt Julie Davis. „Es kann sein, dass der Präsident ihnen
fünf Minuten später per Twitter widerspricht.“ Dass die Trump-Regierung
mehr lügt, will Davis nicht bestätigen, formuliert es lieber so: „Die
SprecherInnen der aktuellen Regierung sind eher bereit, sich ans Pult zu
stellen und etwas zu sagen, bei dem sie nicht sicher sind, ob es stimmt.“
Es kommt weiterhin vor, dass sich KorrespondentInnen von dem Personal im
Weißen Haus vor den Kopf gestoßen fühlen. Zur Weihnachtsfeier – noch so ein
Anlass, um mal die Waffen ruhen zu lassen – „vergaß“ man im vergangenen
Jahr zwei Einladungen zu verschicken.
Ausgerechnet April D. Ryan, eine langjährige Korrespondentin und die
einzige schwarzen Frau im press corps, sowie Chris Johnson, Reporter für
das LGBT-Magazin Washington Blade. Ein Versehen, hieß es offiziell. Johnson
wartet bis heute auf eine Erklärung oder Entschuldigung. Verwundert ist er
aber nicht. „Das passt dazu, dass Sarah Sanders meine Wortmeldungen im
press briefing ignoriert“, sagt er.
## Kleiner Plausch im Garten
Offene Feindseligkeiten dagegen, wie die zwischen Sean Spicer und einzelnen
ReporterInnen im briefing room gibt es inzwischen weniger. Die lieferten
nämlich gerade den Sendern, die der Präsident nicht mag, hervorragendes
Bildmaterial. Mit Sarah Huckabee Sanders ist nun eine Frau Sprecherin, die
sich unter Kontrolle hat und sich kaum provozieren lässt – und dazu so
monoton spricht, dass es für Popcornkino einfach nicht taugt.
Die Trump-Regierung scheint verstanden zu haben, dass es einen viel
besseren Weg gibt, mit ReporterInnen umzugehen, als offene Konfrontation.
Trump entscheidet selbst, wann er zur Verfügung steht, für wie lange – und
wem. Dass er sich lieber im Garten ansprechen lässt oder eine handvoll
JournalistInnen in sein Büro ruft, schützt ihn davor, mit zu vielen
kritischen Stimmen gleichzeitig konfrontiert zu sein. Es ermöglicht dem
Präsidenten, seine rhetorischen Schwächen zu überspielen und selbst zu
entscheiden, was von ihm an die Öffentlichkeit kommt.
Und das Ganze hat noch einen Nebeneffekt: Es gibt viel mehr Bilder und
Videos von Trump in Aktion – beim Händeschütteln, Unterzeichnen, auf dem
Weg irgendwohin – als von ihm an einem starren Rednerpult. Der Präsident,
der handelt, statt zu reden.
6 May 2018
## LINKS
[1] /!5502318
[2] /!5434426
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Fake News
US-Medien
Donald Trump
Weißes Haus
Lesestück Recherche und Reportage
Kolumne Flimmern und Rauschen
Donald Trump
USA
Lesestück Recherche und Reportage
Times
## ARTIKEL ZUM THEMA
Live-Übertragung von Trump-Briefings: Sogar Fox hat keinen Bock mehr
Der Fernsehsender MSNBC hat erstmals die Übertragung von Trumps täglichem
Corona-Briefing gekappt. US-Stationen erwägen, nun gemeinsam vorzugehen.
Donald Trump streitet über Mauer: Der Nachrichtenapparat bin ich
US-Präsident Trump streitet sich mit demokratischen
Oppositionsführer*innen. Ein CNN-Video zeigt die Eskalation.
Tote in US-Zeitungsredaktion: Schüsse durch die Glaswand
Ein 38-Jähriger erschießt fünf MitarbeiterInnen einer Zeitung in Annapolis
nahe Washington. Am deutlichsten reagiert Kanadas Premierminister.
Sperrung eines Twitter-Accounts: Der Mann, der Trump abschaltete
Bahtiyar Duysak aus Paderborn hat in San Francisco für Twitter gearbeitet.
Und die Welt für elf Minuten von Trumps Tweets befreit. War das Absicht?
Medienkonzerne in den USA: Zwei gegen Trump
Der US-Verlag Meredith kauft das „Time“-Magazin und bekommt Geld von den
erzkonservativen Koch-Brüdern. Das hat Folgen für den US-Medienmarkt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.