# taz.de -- Berliner Wochenkommentar II: Der ehrlichste Feiertag | |
> Der 1. Mai war am Ende doch revolutionär. Das ist vor allem der Demo | |
> durch Grunewald zu verdanken. | |
Bild: Ein friedliches Volksfest: der 1. Mai in Berlin-Kreuzberg | |
Die Revolution mag vielleicht tot sein, revolutionär war dieser 1. Mai | |
trotzdem. Was wir am Dienstag in Berlin auf den Straßen gesehen haben, | |
fasst perfekt zusammen, was in unserer politischen Kultur gerade passiert. | |
Die traditionelle DGB-Demo durch Berlin-Mitte wirkte so blass, weil mit | |
14.000 Demonstrierenden noch weniger kamen als in früheren Jahren. Dabei | |
mangelt es den Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen gar nicht an Inhalten: | |
Die Berliner Feuerwehr weiß zum Beispiel sehr wohl, was sie möchte – nicht | |
mehr 48 Stunden die Woche arbeiten müssen und den gleichen Lohn wie ihre | |
überregionalen KollegInnen bekommen. Diese Nöte und diese Forderungen | |
bleiben. | |
Es wirkt aber schal, wenn jene, die die Zustände zu verantworten haben, | |
neben denen laufen, die sie kritisieren. Was man als Miteinander lesen | |
könnte, wird als Heuchelei verstanden. Für die, die sich engagieren, ist | |
die Demo trotzdem wichtig: Um sich zu vergewissern, dass da noch jemand | |
ist, dass man nicht ganz allein dasteht. | |
Und in Kreuzberg? Da kann der radikalen Linken eigentlich nur zum Heulen | |
sein. Die Revolutionäre 1.-Mai-Demo irrte am Abend wie ein verstörter Tiger | |
im Kolosseum durch die Gassen, bejubelt vom Feierpublikum des MyFest und | |
MaiGörli. Es nützte alles nichts. Noch nicht einmal die auf den letzten | |
Metern formulierte Provokation, bitte ganz viele verbotene PKK-Fahnen zu | |
zeigen, konnte genug ärgern. Die Berliner Polizei reagierte lässig. | |
Am Ende war ihr das Schauspiel so egal, dass die übliche Pressekonferenz am | |
nächsten Tag einfach ausfiel. Von den 20.000 Demonstrierenden 2014 waren | |
laut Polizeiangaben noch 6.000 übrig geblieben. Ein ähnliches Bild gab es | |
übrigens in Hamburg. Dort urteilte die Polizei über die Revolutionäre | |
1.-Mai-Demo, es sei „der friedlichste Einsatz seit Jahren“ gewesen. | |
Eine Überraschung gab es dann aber doch, im Grunewald. Eine Gruppe, die | |
sich der „Hedonistischen Internationalen“ verschreibt, hatte dort | |
medienwirksam zu einer Demonstration durch den „Problembezirk“ aufgerufen. | |
Die Satire-Demo war gut, weil sie konkret war. | |
Aus 200 angemeldeten Demonstrierenden wurden 3.000. Der Humor mobilisierte, | |
am Ende ging es trotzdem um Umverteilung und soziale Gerechtigkeit. Genau | |
das ist DNS des 1. Mai – und seine vielen Widersprüche, die ihn zum | |
ehrlichsten Feiertag machen, den wir haben. | |
6 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Katharina Meyer zu Eppendorf | |
## TAGS | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Myfest | |
Kreuzberg | |
Wochenkommentar | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Görlitzer Park | |
Bedingungsloses Grundeinkommen | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess nach 1.Mai-Demo in Berlin: Prozess ohne Opfer | |
Wegen Körperverletzung steht eine Mai-Demonstrantin vor Gericht. Das Opfer, | |
eine Polizistin, hat von dem angeblichen Angriff nichts bemerkt. | |
1.Mai Kreuzberg: Partyfreie Zone | |
Im Görlitzer Park sollen am 1. Mai 2019 keine Partys stattfinden. | |
Sicherheitskräfte und Parkläufer sollen das Verbot durchsetzen. Anwohner | |
wollen das so. | |
Demo in Berlin gegen Arbeitszwang: Arbeit ist Verrat – am Proletariat | |
Ernst und ironisch: Hunderte demonstrierten am Mittwoch in Prenzlauer Berg | |
gegen den Zwang zur Lohnarbeit und für mehr Muße. | |
Revolutionärer 1. Mai: Totgefeiert und auferstanden | |
Der Revolutionäre 1. Mai in Kreuzberg ist nicht mehr zu retten. Im | |
Grunewald findet der radikale Protest einen neuen Hotspot. | |
Kreuzberg am 1. Mai: Myfest mit Anspruch | |
Langsam kommt Kreuzberg am 1. Mai in die Gänge, dafür wird es dann umso | |
voller. Eindrücke aus dem Kiez rund um die Oranienstraße. |