# taz.de -- Neuer Schauplatz für Kämpfe in Syrien?: Nach Ghouta droht nächst… | |
> Die syrischen Streitkräfte könnten als nächstes das südliche Grenzgebiet | |
> ins Visier nehmen. Dann wären Reaktionen Israels und der USA zu erwarten. | |
Bild: In der südlichen Provinz Daraa könnten erneut Kämpfe losgehen; bereits… | |
AMMAN ap | Im südlichsten Zipfel Syriens war es monatelang relativ ruhig. | |
Eigentlich gilt hier seit dem Sommer eine Waffenruhe. Doch [1][nach der | |
Offensive in Ost-Ghouta] haben die Kampfjets von Präsident Baschar al-Assad | |
und seinen russischen Verbündeten auch hier erste Angriffe geflogen. Damit | |
bedrohen sie nicht nur Rebellengruppen, die lange direkt von den USA | |
unterstützt wurden. Vor allem aufgrund der Nähe zur israelischen Grenze | |
sind die Vorstöße äußerst heikel. | |
Washington unterstützte die Rebellen in dem Gebiet seit vielen Jahren mit | |
Waffen, Geld und militärischer Ausbildung. Die Gruppe, die sich „Südliche | |
Front“ nennt, bekämpfte nicht nur die Terrormiliz IS, sondern auch | |
Einheiten Assads. US-Präsident Donald Trump ließ die Mission des | |
Geheimdienstes CIA zwar im vergangenen Jahr einstellen. Aber die | |
strategische Bedeutung der von den Kämpfern gehaltenen Region könnte die | |
Amerikaner im Zweifel doch wieder zu einem Eingreifen zwingen. | |
An das „Deeskalations-Abkommen“ vom vergangenen Sommer scheint sich das | |
syrische Regime jedenfalls nicht mehr gebunden zu fühlen. Bereits im März | |
bombardierte es neben Ost-Ghouta auch die südliche Provinz Daraa. Tausende | |
Menschen sind seitdem innerhalb der Provinz auf der Flucht und fürchten | |
eine weitere Eskalation. Die Rebellen würden sich angesichts der Drohungen | |
des Regimes und Russlands bereit machen, sagt der örtliche Aktivist Ahmed | |
al-Massalmeh. Zugleich träten die Amerikaner und Israel mit Luftangriffen | |
gegen Assad immer aggressiver auf. | |
Israel hat den ebenfalls mit Assad verbündeten Iran mehrfach gewarnt, sich | |
aus dem Grenzgebiet fernzuhalten. Experten gehen davon aus, dass Israel | |
hinter einem Luftangriff auf einen Stützpunkt der syrischen Streitkräfte | |
steckt, bei dem kürzlich sieben iranische Militärangehörige ums Leben | |
kamen. Im Februar flog das Land eine Reihe von Angriffen, nachdem es im | |
eigenen Luftraum eine iranische Drohne abgefangen hatte. Insgesamt hat | |
Israel seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 schon mehr als | |
hundert Luftangriffe auf Ziele in Syrien geflogen. | |
## Moskau kann jederzeit den Kurs ändern | |
„Die iranische Krake versucht, uns die Luft abzuschneiden und uns | |
einzuschüchtern. Aber Israel ist stärker, als sie es sind“, sagte | |
Bildungsminister Naftali Bennett am Dienstag bei einer Feier zum Gedenken | |
an die israelische Staatsgründung vor 70 Jahren. „An dieser Stelle sei den | |
Anführern des Irans, Syriens sowie der Hamas und der Hisbollah gesagt: | |
Fordert uns nicht heraus!“ | |
Es ist jedoch sehr gut möglich, dass Assad und seine Verbündeten die | |
Risiken eines militärischen Vorstoßes Richtung Süden in Kauf nehmen. Denn | |
seit das Gebiet 2015 in Rebellenhand geriet, ist dort auch die Grenze nach | |
Jordanien gesperrt – und damit sind wirtschaftlich wichtige Handelswege | |
unterbrochen. Das vor allem um die eigene Stabilität bemühte Jordanien hat | |
angekündigt, die Grenze erst dann wieder zu öffnen, wenn die Region | |
unmittelbar auf der anderen Seite wieder in den Händen der syrischen | |
Regierung ist. | |
Nach Angaben der US-Botschaft in Amman gibt es regelmäßige Kontakte | |
zwischen Jordanien, Russland und den USA, bei denen es um die | |
Sicherheitslage im südlichen Syrien geht. Moskau hat allerdings bereits im | |
Fall von Ost-Ghouta gezeigt, dass es Vereinbarungen in der Region sehr | |
schnell wieder über Bord werfen kann, wenn dies den eigenen Interessen | |
dient. In Ost-Ghouta wurde im Februar aus einer Waffenruhe schlagartig eine | |
brutale Offensive, in deren Rahmen die syrischen Streitkräfte am 7. April | |
sogar Chemiewaffen eingesetzt haben sollen. | |
Die Rebellen im Süden fürchten nun eine ganz ähnliche Entwicklung. Seit sie | |
nicht mehr von den USA unterstützt werden, sind sie zudem geschwächt. In | |
den zurückliegenden Monaten mussten sie sowohl vor Regierungstruppen als | |
auch vor IS-Kämpfern zurückweichen. Inzwischen kontrollieren sie daher nur | |
noch ein recht kleines Gebiet. „Für das Regime werden sie eine leichte | |
Beute sein. Es gibt keinen Schutz“, sagt der Rebellensprecher Junis | |
Salameh. | |
## Der IS stellt weiterhin eine große Gefahr dar | |
Die Hoffnung der Rebellen ruht aktuell auf Spezialkräften der USA, die im | |
syrischen al-Tanf stationiert sind. Deren Aufgabe ist es vor allem, Teheran | |
am Aufbau eines direkten Landkorridors in den südlichen Libanon und damit | |
bis an die Grenze Israels zu hindern. Auch der IS stellt für die Stabilität | |
im Süden Syriens aber weiterhin eine große Gefahr dar. Seit ihren schweren | |
Verlusten im Osten halten sich die verbliebenen Kämpfer überwiegend in | |
Wüstengebieten und abgelegenen Dörfern auf. Im Süden könnten sie sich nun | |
neu formieren. | |
Es sei davon auszugehen, dass die Präsenz der sunnitischen Terrormiliz noch | |
als Vorwand für weitere militärische Aktionen im Süden Syriens dienen | |
werde, sagt Rami Abdurrahman von der in Großbritannien ansässigen Syrischen | |
Beobachtungsstelle für Menschenrechte – und zwar sowohl dem Regime als auch | |
den USA. Die „wahre Absicht“ der von den Amerikanern angeführten Koalition | |
werde aber das Verhindern eines iranischen Korridors sein. „Es wird eine | |
umfassende Offensive mit mehreren Fronten“, sagt der Aktivist. | |
Unabhängig von den Beweggründen der einzelnen Konfliktparteien müssen sich | |
die Bewohner der Region, die in den Jahren des Bürgerkriegs ohnehin schon | |
sehr gelitten haben, womöglich auf das Schlimmste einstellen. „Die Menschen | |
leben in ständiger Anspannung, und es gibt innerhalb der Provinzen viele | |
Vertriebene“, sagt Mohammed al-Migdad, der Mitglied des Provinzrates von | |
Daraa ist. „Sie haben Angst – große, große Angst.“ | |
21 Apr 2018 | |
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