# taz.de -- Sachsens Ministerpräsident auf Tour: Kretschmers persönlicher Dä… | |
> Michael Kretschmer reist durch sein Bundesland und spricht mit den | |
> Leuten. Denn viele in Sachsen wählen nicht die CDU, sondern die AfD. | |
Bild: Der Ministerpräsident (l.) lässt sich in Schönbach von einem Arbeiter … | |
SCHÖNBACH/NIESKY/SEIFHENNERSDORF taz | Die graue Halle ist wie ein | |
geschliffenes Raumschiff – herabgekommen in die Oberlausitz mit ihren | |
Bergkuppen, Wäldern und Kirchtürmen. In Schönbach ist der Klotz, groß wie | |
ein Fußballstadion, am Dorfrand gelandet und hat die Pforten geöffnet. Von | |
Zeit zu Zeit eilen Arbeiter hinein, ohne Hektik zu verbreiten. Plötzlich | |
biegt ein Konvoi um die Ecke und hält auf das Mitteltor zu. Der Wagen | |
stoppt, die Beifahrertür öffnet sich, und schon springt Michael Kretschmer, | |
der sächsische Ministerpräsident, heraus. Er marschiert durch das Werkstor | |
der Gebrüder Frindt GmbH und bleibt vor der weltgrößten Abkantpresse | |
stehen. | |
Oder haben die Chinesen eine größere? Ein Ingenieur sinniert kurz. Egal. | |
Was die Gebrüder Frindt in Schönbach geschaffen haben, hat das Zeug zur | |
Erfolgsgeschichte. Die passt gut zum Aufbruch, zum Frühling und zu dem 42 | |
Jahre alten Burschen, der seit 13. Dezember 2017 den Freistaat Sachen | |
regiert und sich jetzt von einem Arbeiter die Abkantmaschine erklären | |
lässt. Zehn Meter breit, zehn hoch steht sie in der Halle – ein | |
Papierschneider für Riesen. | |
Wie ein Hänfling in dunkelblauem Anzug wirkt Kretschmer, den Kopf schräg | |
geneigt, vor dem Ungetüm. Ein Politiker im Gespräch mit einem Mann aus dem | |
Volke, aufmerksam, neugierig, zugewandt. Das ist schon ein prima Bild für | |
den Tag. Schade nur, dass der Arbeiter das Monstrum nicht zum Leben | |
erweckt. „Zu laut!“, winkt er ab. Kretschmer hätte kein Wort verstanden. | |
Und er solle doch wissen, wo die Steuergelder geblieben sind, feixt der | |
Kerl. Die Gebrüder Frindt führen Kretschmer weiter durch ihr metallenes | |
Reich, ein Unternehmen aus der Lausitz – global erfolgreich und | |
heimatverbunden. | |
Wie verwandelt wirkt die Welt an diesem Frühlingstag. Und mit ihr Michael | |
Kretschmer. Gleich einem Hans im Glück läuft er durch die Hallen. Die | |
schlanken Hosenbeine verleihen ihm etwas Dynamisches, als würden sich | |
darunter Federn verbergen. Kretschmer blickt zu den Hochregalen, schaut auf | |
die Paletten zu seinen Füßen. Noch vor einem halben Jahr lag er genauso am | |
Boden wie die Stahlplatte, herabgesunken vom Gipfel der Bundespolitik in | |
die Bedeutungslosigkeit von Ostsachsen, von wo er einst aufgebrochen war. | |
## Das prominenteste Opfer der AfD | |
Der 24. September, der Tag der Bundestagswahl, endete für Kretschmer mit | |
einem Debakel. Er verlor seinen Wahlkreis, in dem er viermal triumphierte, | |
an einen Nobody, einen der AfD-Dämonen, die aus den Tiefen der Provinz | |
auftauchten, um die politische Landschaft umzuwühlen. Kretschmers Dämon ist | |
der Malermeister Tino Chrupalla. Der AfD-Kreisvorsitzende holte sich mit | |
32,4 Prozent der Stimmen das Mandat. Kretschmer, seit 2009 | |
stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kam auf 31,4 | |
Prozent. | |
Ausgerechnet Kretschmer, der sich ab 2015 [1][als rechtgläubiger Fels] in | |
einer sandweich gewordenen Merkel-CDU profilierte, der als Generalsekretär | |
die Sachsen-CDU nach Bayern ausrichtete, der gemeinsam mit der CSU Heimat | |
und Patriotismus als Kraftquell pries. Ausgerechnet Kretschmer war das | |
prominenteste Opfer beim Aufstieg der AfD zur bundesweit drittstärksten | |
Kraft. In Sachsen aber kam sie mit 27 Prozent auf Platz eins. Die CDU, seit | |
der Wiedergründung des Freistaates 1990 unangefochten die stärkste Partei, | |
war entthront. Im Sommer 2019 ist Landtagswahl. Sollte Kretschmer kein | |
Gegengift finden, könnte Sachsen das erste Bundesland werden, in dem die | |
AfD nicht nur einzelne Kreise erobert, sondern einen ganzen Flächenstaat. | |
Jetzt noch mit den Gebrüdern Frindt ein Foto, schon zieht der Tross von | |
dannen. Erleichtert zündet sich der Bürgermeister eine Zigarette an. Seit | |
dem denkwürdigen Jahr 1990, erzählt er, ist er der Dorfschulze. 28 Jahre | |
Politik für die Menschen im Auftrag der CDU. Einmal hat er dafür eine | |
Urkunde erhalten – und im vorigen Jahr einen Denkzettel: In Schönbach hat | |
die AfD im September mit 46,9 Prozent das deutschlandweit höchste Ergebnis | |
erzielt. | |
In den übrigen Kommunen des Landkreises sah es allerdings nicht anders aus. | |
In 46 von 53 Gemeinden lag die AfD vorn, nur in 7 die CDU. Deshalb diese | |
Idee: Der neue Ministerpräsident sollte mit seinen Bürgern ins Gespräch | |
kommen, eine Art Stammtisch wäre gut, ein „Sachsengespräch“, wo jeder das | |
Wort ergreifen kann und Kretschmer erst mal zuhört. Anfang Februar hat | |
Kretschmer im Erzgebirge erstmals dazu eingeladen. Dort begann seine Tour | |
durch die Landkreise, Kretschmers Heimat war die fünfte Station. | |
## Eintritt durch den Seiteneingang | |
Jetzt weht ein Banner am Bürgerhaus im 10.000-Einwohner-Städtchen Niesky, | |
vierzig Kilometer von Schönbach entfernt, und lädt zum „Sachsengespräch“ | |
ein. Der Ministerpräsident betritt das Bürgerhaus durch den Seiteneingang. | |
Ist das Ihr neuer Regierungsstil, Herr Kretschmer? „Es ist zumindest meine | |
Art, Politik zu machen. Ich habe immer gesagt, ich will gegenüber der | |
Bevölkerung kein Volkserzieher sein.“ Drinnen brummt es wie in einem | |
Bienenstock, Leute drängeln sich, viele sind von weit her gekommen. | |
„Politik, die ist dann erfolgreich, wenn man das mit der kommunalen Ebene | |
gemeinsam macht“, fährt Kretschmer fort. „Besser ist, man fragt die.“ | |
Wenn er mit Presseleuten redet, wird er bedächtig, ein wenig staatstragend. | |
Da ähnelt er seinem Vorgänger Stanislaw Tillich. Dem haftete etwas | |
Einstudiertes, Unechtes an. Das silbrige Haar konnte noch so getrimmt, die | |
Anzüge konnten noch so knitterfrei sein, unter dem Zwirn lugte der | |
DDR-Funktionär hervor, der nach 1990 seine Biografie aufhübschen musste, | |
um in der neuen Zeit nicht den Anschluss zu verpassen. Tillich trat bald | |
nach der letzten Bundestagswahl zurück und schlug Kretschmer als Nachfolger | |
vor, den Mann, den gerade die Fortune verlassen hatte. Es schien, als rüste | |
sich die einst stolze Sachsen-CDU, die 28 Jahre lang regierte, für das | |
letzte Gefecht. | |
Etwa 400 Personen sind im Saal, Bauern, Lehrerinnen, drahtige Sportler, | |
Alte auf wackligen Beinen, Gemeinderäte, junge Eltern, Menschen mit offenem | |
Gesicht und manche mit verstocktem. „Wir sind Sachsen – hart in der Sache, | |
anständig im Ton!“ Kretschmer hat das Mikro mit beiden Händen ergriffen, | |
steht am Rande der Bühne und präsentiert nach diesem Appell nahezu die | |
gesamte Staatsregierung. Acht Ministerinnen und Minister, viele von der | |
CDU, einige Sozialdemokraten, blinzeln in den Saal und wirken wenig | |
glücklich, ihre Dienstsitze in Dresden gegen eine Provinzbühne getauscht zu | |
haben. | |
Karin Berndt sitzt in einer der vorderen Reihen im Publikum mit versunkenem | |
Blick. Die Bürgermeisterin von Seifhennersdorf plagt ein Albtraum: Sie | |
steht vor fünf brennenden Häusern und weiß, dass sie nur eins retten kann. | |
Dann läuft sie zur Feuerwache. „Und die Feuerwehrleute sagen: Was willst du | |
denn hier? Die sterben doch eh alle!“ So hat sie es am Abend zuvor im | |
heimischen Rathaus erzählt. | |
Berndt ist über den Landkreis hinaus bekannt, seit sie vor fünf Jahren | |
einen zähen Kampf mit dem Kultusministerium ausgefochten hat, das die | |
Seifhennersdorfer Mittelschule schließen wollte. Die „Schulrebellen“ | |
schafften es bis vors Bundesverfassungsgericht. Zum Schluss bekamen sie | |
recht. Die Schule lebt. Das Verhältnis zur Staatsregierung in Dresden kann | |
man seitdem als belastet bezeichnen. | |
## Das Desaster ist komplex | |
Im Rathaus hat Berndt das Drama ihrer Stadt erläutert. Vor den Fenstern bot | |
sich ein lieblicher Blick, ein Hügel, ein Schlösschen, mit Händen zu | |
greifen. „Alles Tschechien“, sagte Berndt. Über den Türmchen braute sich | |
ein Unwetter zusammen, erste Blitze zuckten. „Das passt zu unserer | |
Haushaltslage.“ Die Sache ist hoffnungslos. Knapp 5 Millionen Euro | |
Einnahmen stehen 6,7 Millionen Ausgaben gegenüber. Woher die 1,7 Millionen | |
nehmen? Die Gewebesteuer, die vor Kurzem noch sprudelte, ist nur noch ein | |
Rinnsal. | |
Karin Berndt, 61 Jahre alt, parteilos, Krippenerzieherin, haftet etwas | |
Zupackendes an. Doch bei diesen Zahlen beschleicht sie Mutlosigkeit. Das | |
Desaster ist komplex und hat mit der Absurdität der Finanzbürokratie zu | |
tun: Zunächst durfte die Stadt die üppigen Steuereinnahmen nicht nutzen. | |
Dann musste sie, obwohl die Steuern schon spärlicher flossen, in eine Art | |
sächsischen Finanzausgleich einzahlen. Zu allem Übel erhält die Stadt nicht | |
wie sonst üblich Zuwendungen vom Freistaat. Denn auf dem Papier gilt | |
Seifhennersdorf als reich, in der Realität ist es pleite. „Unverschuldet“, | |
wie Berndt betont. | |
Und die Einwohnerzahl sinkt und sinkt. Seit dem Jahr 2000 hat die Stadt | |
1.300 Bewohner verloren. Weil der Haushalt 2018, wenn überhaupt, nur mit | |
tiefen Einschnitten genehmigt werden wird, muss Berndt Mitarbeitern | |
kündigen. Die Bibliothek, das Museum, das Freibad – alles wird geschlossen. | |
„Ich darf nicht mal Stiefmütterchen pflanzen lassen in den Blumenkübeln auf | |
der Straße.“ Es ist still in dem wuchtigen Rathaus, das von einstigem | |
Wohlstand kündet. Was bleibt für die Zukunft? „Wölfe ansiedeln? Atommüll? | |
Schweinemastanlagen?“ Es ist, als würde Karin Berndt ein ganzes Bündel | |
Albträume quälen. Einer hat sich jetzt erfüllt: Tino Chrupalla war zu einer | |
Bürgersprechstunde gekommen. „Und da sammelt die AfD Geld für | |
Stiefmütterchen! Wissen Sie, wie mir da zumute ist?“ | |
Nicht nur Kretschmer, auch Chrupalla bereist emsig die Gegend. Der | |
Abgeordnete legt seine 100-Tage-Bilanz vor, präsentiert sich als Hüter des | |
Handwerks und verkündet das Ende der CDU. Es ist wie das Fernduell zweier | |
Bekannter, die – so jedenfalls erzählt es Chrupalla – zusammen in der | |
Jungen Union aktiv waren. Chrupalla scheint wie der Antipode, er sammelt | |
alles ein, was Kretschmer nicht mehr erreicht, auch nicht durch | |
„Sachsengespräche“. Erfolglos ist er nicht. | |
## Fast ein Happening | |
In dem Städtchen Oppach kam es dabei zu einer denkwürdigen Szene. Der Saal | |
war mit hundert Gästen gefüllt und ein Besucher räsonierte, dass es wegen | |
der Flüchtlinge bald nur noch „hellbraune Deutsche“ geben werde. Von | |
„Umvolkung“ war die Rede und vom Widerstand dagegen. Dann klagte er: „Und | |
das hat unsere Jungs in Nürnberg an den Galgen gebracht.“ Die Anteilnahme | |
für die Hauptkriegsverbrecher nahm Chrupalla so verständnisvoll hin wie | |
seine Gäste. Nur eine Frau protestierte. Darüber hat die Sächsische Zeitung | |
berichtet, die Überschrift: „Chrupalla-Auftritt begeistert“. | |
Im Bürgerhaus in Niesky ist die Begrüßung inzwischen vorbei. Kretschmer | |
sitzt im Stuhlkreis, etwa 50 Personen im Rund, hat die Beine ausgestreckt | |
und hört zu. Es geht querbeet, um das Ende der Braunkohle, um das | |
Siemenswerk in Görlitz, von Schließung bedroht, es geht um | |
Feuerwehrfahrzeuge, Windräder, Gewässer zweiter Ordnung und um uralte | |
Apfelbäume. Mancher verliert sich in Details. Trotzdem steckt Kretschmer im | |
Stoff. Gelegentlich schaut er auf seine Finger, zieht er die Stirne kraus, | |
als würde er eine Gegenrede vorbereiten. Dann hockt er auf der Stuhlkante. | |
„Wir haben das als Thema erkannt“, sagt er dann. Oder: „Da bleiben wir | |
jetzt dran!“ Oder: „Wir haben Leute auf unserer Seite wie Peter Altmaier.“ | |
Köpfe nicken, andere schweigen, kein Unmut, keine Wutbürger, kein Gebrüll. | |
„Die Landesverwaltung solle öfter herkommen“, fordert einer. Der kleine | |
Saal füllt sich immer mehr, viele stehen. Es hat etwas von einem Happening. | |
Und das Themenkarussell dreht sich weiter. | |
„Seifhennersdorf?“, fragt Kretschmer, als hätte er sich verhört. Nein, es | |
ist nicht Karin Berndt, die nun das Wort ergreift. Sie hat Kretschmer schon | |
am Vormittag das Elend verkündet, jetzt rückt sie nebenan dem | |
Finanzminister auf den Pelz. Aber sie hat Verstärkung dabei. Zwei Frauen | |
blicken Kretschmer an und fordern Entschädigung für die „Schulrebellen“, | |
deren Kampf, wie sie erläutern, mit erheblichen Kosten verbunden war. | |
Kretschmer bügelt das ab und lenkt den Blick auf die Gegenwart. „Frau | |
Bürgermeisterin hat heute lange erklärt, wie die Steuereinnahmen nach unten | |
gegangen sind.“ Dann schließt er versöhnlich: „Ich habe ein großes Herz … | |
Seifhennersdorf.“ Könnte heißen, eine Lösung wird sich finden. | |
## Der Ministerpräsident veteilt Millionen | |
Auch die Schlussrunde ist von Zuversicht geprägt. Wieder nimmt das Kabinett | |
Aufstellung, wieder steht Kretschmer am Rande und hört den Ministern zu. | |
Die Haare sind verschwitzt, müde wirkt Kretschmer aber nicht, eher | |
aufgekratzt, mal schaut er auf seine Truppe, mal in den Saal, hebt dabei | |
die Fußspitzen, um dann schnell wieder, fast tanzend, nur auf den Hacken zu | |
stehen. Man darf annehmen, er ist zufrieden. „Mutmacher“ wird ihn die | |
Sächsische Zeitung bald loben. | |
Der Abend weckt Erinnerungen an den Herbst 89. Was jetzt „Sachsengespräch“ | |
heißt, war damals der „Dialog“. Plötzlich wollten die Repräsentanten der | |
„Arbeiter-und-Bauern-Macht“ mit dem Volk reden. Im Gedächtnis blieben | |
orientierungslose Oberbürgermeister, überforderte SED-Bezirkssekretäre und | |
ein stammelnder Minister für Staatssicherheit. Volksgetümmel ist eben auch | |
ein Wagnis. Stanislaw Tillich war sicher nicht darauf erpicht, sich so ganz | |
ohne Abstand mit Hinz und Kunz zu treffen. Kretschmer schreckt das nicht. | |
Oder hat keine Wahl. | |
Wie wurden die „Schulverweigerer“ doch einst in Dresden empfangen! Bei | |
Karin Berndt kommt heute noch Bitterkeit auf. Wie Unbotmäßige von der | |
böhmischen Grenze, die es wagten, der Staatsregierung in ihrer Sparsamkeit | |
am Zeug zu flicken. Und jetzt kämpft sich der Ministerpräsident im | |
Bürgerhaus zum Tresen vor und verteilt nebenbei Millionen: 1,7 Milliarden | |
Euro für die sächsischen Schulen, 1.000 neue Stellen für die Polizei und | |
70.000 Euro Soforthilfe für jede Gemeinde. Kretschmer hat schließlich nicht | |
nur aufmunternde Worte im Gepäck. | |
Und als ob das „Sachsengespräch“ nicht genug wäre, hat der | |
Ministerpräsident noch ein zweites Format eingeführt – „Direkt: Michael | |
Kretschmer im Gespräch in Ihrer Gemeinde“. Es ist, als hätte Kretschmer | |
eine neue Dimension entdeckt. Nicht mehr mürrischer Generalsekretär, auch | |
nicht Landesvater, sondern der Kumpel, der die Sorgen seiner Freunde | |
versteht. Und nennt ihn Karin Berndt nicht längst „Micha“ und duzt ihn seit | |
Jahren? | |
## Micha muss gewinnen | |
Doch auch an ganz anderer Stelle wird Kretschmer aktiv. In Ostritz, einem | |
Städtchen bei Görlitz, wo an diesem Wochenende das wohl größte | |
Rechtsrockfestival des Jahres stattfindet, hat er die Schirmherrschaft über | |
das Friedensfest übernommen, ein Festival mit Menschenkette, das die Stadt | |
dem Naziaufmarsch entgegensetzt. Kretschmer wird das Wort ergreifen. | |
Und Karin Berndt meldet sich später noch am Telefon mit einer Nachricht wie | |
ein Silberstreif. Der Haushalt für 2018 ist, wenn auch mit Einschnitten, | |
genehmigt worden. Ganz ohne Schwierigkeiten, die Stimmung im Görlitzer | |
Landratsamt sei wie verwandelt. Es zeitigt Wirkung, dass Kretschmer den | |
Landrat bei seinem Besuch stets an seiner Seite hatte. Die Entlassungen | |
muss Berndt natürlich aussprechen. Doch bei Kündigungsfristen von einem | |
halben Jahr wird das Leben so schnell nicht zusammenbrechen. Und wer kann | |
heute sagen, was im Herbst sein wird? So viel ist sicher, „Micha“ muss im | |
nächsten Jahr die Landtagswahl gewinnen. Pleite-Schlagzeilen machen sich da | |
gar nicht gut. | |
Kretschmer ist Seifhennersdorf noch auf andere Weise verbunden. Ein paar | |
Kilometer entfernt restauriert er ein Umgebindehaus. Dieser Haustyp, eine | |
Synthese aus slawischer und deutscher Baukunst, war im Süden der | |
Oberlausitz sehr verbreitet. An dem Haus, so versichert der | |
Ministerpräsident, werde er weiterbauen. | |
Es gibt ein Bild, das zeigt ihn vor seinem Anwesen. Für ein Hexenhaus ist | |
es zu groß, aber es ist doch märchenhaft und sehr idyllisch. Und manches | |
wirkt bei Kretschmer ja wirklich wie ein Märchen. Da hat ein Mann seinen | |
Broterwerb und sein Stückchen Erde verloren. Wenig später aber bekommt er | |
ein ganzes Land überreicht. Bei Hans im Glück geht die Sache andersrum. Der | |
beginnt seine Karriere mit einem Goldklumpen und steht am Schluss vor dem | |
Nichts. Bei Michael Kretschmer ist das Ende noch offen. | |
23 Apr 2018 | |
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[1] /Sachsens-Ministerpraesident-und-Rechte/!5478177 | |
## AUTOREN | |
Thomas Gerlach | |
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Lesestück Recherche und Reportage | |
Michael Kretschmer | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Sachsen | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Michael Kretschmer | |
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2023 | |
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