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# taz.de -- Konservative in der Union: Anstand, Recht, Ordnung!
> Einwanderer müssen sich assimilieren. Integration und ein Bekenntnis zum
> deutschen Grundgesetz reichen der Werteunion nicht aus.
Bild: Alexander Mitsch: Respekt, Anstand, Verantwortung, Recht, Ordnung!
Schwetzingen taz | Vor ziemlich genau einem Jahr trafen sich von Merkel und
ihrer Flüchtlingspolitik frustrierte Unions-Mitglieder zum ersten Mal als
bundesweiter Freiheitlich-konservativer Aufbruch im badischen Schwetzingen.
Dafür gab es von den CDU-Oberen nur gallige Kommentare.
Diesmal verliest der Vorsitzende der Werteunion, Alexander Mitsch, den etwa
80 Teilnehmern ein warmes Grußwort von Jens Spahn, in dem alle Buzz-Words,
die den Konservativen so wichtig sind vorkommen: Respekt, Anstand,
Verantwortung, Recht, Ordnung. Werte die jetzt wieder wichtig würden.
Dafür gibt es Applaus. Und Manuel Hagel, der junge, stets tadellos
gebügelte Landesgeneralsekretär der CDU ist nach Kritik im letzten Jahr
diesmal selbst gekommen. Er hält ein ausführliches Referat darüber, was
„konservativ“ eigentlich heute ist. Und er stellt fest, dass die Strömung,
die einstmals von so stolzen wie sturen Vertretern wie Alfred Dregger oder
Roland Koch repräsentiert wurde, selbstverständlich zur CDU und zur
gesamten Union gehöre.
Die Worte tun den Anwesenden gut. Heimatdebatten und die Frage, was die
Gesellschaft verbindet, wässern diese lange vernachlässigte Wurzel der
Union. Ausserdem könne der konservative Flügel manche AfD-Wähler
zurückholen – so kalkuliert man nicht nur in der CSU. Da macht es dann auch
nichts, dass der Südwest-Landesvorsitzende der Werte-Unionisten, Holger
Kappel, noch vor wenigen Tagen über Spahn, der seit kurzem in schwuler Ehe
lebt, gesagt hatte, er sei „kein klassischer Konservativer“, weil er im
Bundestag für die Ehe für alle gestimmt hatte.
## Es ist unübersichtlich geworden
Tja, es ist unübersichtlich geworden für Konservative. Hatte doch erst
neulich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann in der taz
erklärt, man solle doch ihn mal ein konservatives Manifest schreiben lassen
und nicht Leute wie Alexander Dobrindt. Am gleichen Wochenende hatte
Merkel-Vize Armin Laschet in der FAZ erklärt, das Konservative gehöre nicht
zum Markenkern der CDU.
Nicht erst seit dieser Bemerkung fühlten sich die selbsternannten
konservativen Werte-Unionisten in der eigenen Partei heimatlos und
verbringen deshalb bei ihrer ersten ordentlichen Versammlung viel Zeit mit
Selbstvergewisserung. Im Unterschied zur AfD beschreiben Konservative nicht
die Welt, wie sie mal war, sagt Hagel. Sie seien da, wo Bewahren und
Verändern zusammenkommt. Der Historiker Andreas Rödder, Podiumsteilnehmer
und ehemals Mitglied im Schattenkabinett von Julia Klöckner, hat eine
ähnlich milde Definition zu bieten: Konservative wüssten, dass sie den
Wandel nicht aufhalten könnten und wollten ihn erträglich gestalten.
Das klingt politisch wenig brisant. Wie tief die Verwundungen der
Merkel-Ära sitzen, zeigt sich, als es um konkrete Politik geht. Ein
Teilnehmer nennt die Bundeswehr „Ursulas Schrotttruppe“. Und Hessens
ehemaliger Innenminister Christean Wagner spricht in einem Zwischenruf
Kardinal Marx und Bedford-Strohm, Vorsitzender der EKD, unter allgemeinem
Gelächter ab, überhaupt Christen zu sein. Die CDU-Bundestagsabgeordnete
Sylvia Pantel erinnert daran, dass vor allem die Familienpolitik eine
Domäne der Konservativen sein müsse und fordert, das Elterngeld an die
Kosten eines Kita-Platzes anzupassen.
## Integrationspolitik und Islam
Auch ein Manifest, das von den Werte-Unionisten am Nachmittag im Galopp
verabschiedet wird, lässt wohl bewusst offen, wo denn eigentlich die Grenze
zwischen Konservatismus und Populismus verläuft. Überproportional viel
Platz nehmen Integrationspolitik und Islam ein. In drei Absätzen, die noch
über Nacht vom Kölner Promi-Anwalt Ralf Höcke in das Dokument geschubst
wurden, ist zu lesen, dass die Flüchtlingspolitik von 2015 rückgängig
gemacht werden soll. Ziel für die Mehrheit im Saal ist eine Änderung des
Grundrechts auf Asyl, der Genfer Flüchtlingskonvention und die Abschaffung
der doppelten Staatsbürgerschaft.
Integration und ein Bekenntnis zum Grundgesetz genügen den
Wertkonservativen bei Einwanderern nicht. „Assimilation“, also das Einebnen
von kulturellen Unterschieden, wird vor allem von Muslimen verlangt. Denn
der Islam weise als einzige Religion eine „Doppelstruktur“ auf, heißt es in
dem Papier. Während also Flüchtlingsthemen das Papier dominieren, fehlt ein
Bekenntnis zum Erhalt der Schöpfung bzw. zum Umwelt- und Klimaschutz
völlig. Und das Manifest wird fast einstimmig angenommen.
Es ist das Programm eines konservativen Lummerlands, in dem bestimmte Dinge
einfach abgeschafft werden, statt sie zu gestalten. Derweil zieht direkt
vor dem Fenster die Wirklichkeit vorbei: Familien aus aller Herren Länder,
schwule Pärchen, ein Heiratskorso aus dunklen Limousinen mit türkischen
Flaggen. All denen haben die Wertkonservativen in der CDU nichts an zu
bieten.
8 Apr 2018
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Flüchtlingspolitik
Islam
CDU
CSU
Integration
CDU/CSU
Konservatismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt AfD
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