# taz.de -- Fußball und Gesellschaft: Den Hass wegkicken | |
> Wie wird Fußball das „schöne Spiel“, das er noch nie war? Fans und | |
> Wissenschaftler diskutierten über Antisemitismus und Rassismus. | |
Bild: Einfache Botschaft, wird dennoch nicht überall verstanden | |
Berlin taz | Emma Poulton singt. Und zwar Chants von Fußballfans. Dabei | |
spricht die Engländerin auf einer wissenschaftlichen Konferenz. Um | |
kollektive Identität bei Fußballfans geht es der Soziologin von der Durham | |
University. Poulton trägt beispielhaft Fangesänge vor. Nicht jeder ist | |
schön. | |
„The Beautiful Game?“ hieß es vergangene Woche in Berlin. Zu einer mit | |
Fanvertretern und internationalen Wissenschaftsexperten hochklassig | |
besetzten Konferenz hatte das Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU | |
Berlin eingeladen. Es ging um Erfahrungen aus Russland, Polen, Iran, | |
Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Israel, den Niederlanden, Österreich, | |
USA, Argentinien und Deutschland. | |
„Es gibt ‚Fußballantisemitismus‘ als eigenständiges Phänomen“, sagte | |
Stefanie Schüler-Springorum von der TU Berlin zur Eröffnung. Wenn man das | |
akzeptiert, hat man sich schon von der so beliebten These vom „Hass, der | |
mit Sport nichts zu tun hat“, verabschiedet. | |
Andrei S. Markovits von der Michigan University in den USA begründete, | |
warum der Sport nicht irgendein Medium ist, dessen sich manchmal böse | |
Menschen bemächtigen: Sport konstituiert aus sich selbst heraus eine | |
kollektive Identität, denn er ist immer durch Gegensätze strukturiert. Wir | |
gegen die. So entsteht beinah ein permanentes Verlangen, den anderen | |
zumindest auszugrenzen. | |
## Umdeutung eines diskriminierenden Begriffs | |
Emma Poulton hatte zuvor schon herausgearbeitet, dass Antisemitismus wie | |
auch Rassismus die sogenannte HBT (Homo-, Bi- und Transphobie) und anderes | |
tatsächlich auch witzig sein können. Sie sind häufig nicht als Hassrede | |
konzipiert. Oft ist nicht zu erkennen, ob sie so ernst gemeint sind, wie | |
sie von Verbänden oft wahrgenommen werden. Das lässt sich nur selten sicher | |
sagen. | |
Eines ihrer Beispiele ist die „Yid Army“ der Fans von Tottenham Hotspur. | |
Wer „Yid“ sagt, diskriminiert, will seinen Hass ausdrücken, verachtet – | |
meint man. Nun nennen sich Fans selbst Yids, nehmen also eine Umdeutung des | |
diskriminierenden Begriffs vor – stolze Eigenbezeichnung. | |
Was ist aber von „fucking yids“ zu halten, wenn Fans anderer englischer | |
Vereine es singen? Poulton rät, genau hinzuschauen oder zu -hören. Ein | |
„fucking yids“ könne auch bloße Fußballsprache sein. „Eine simple | |
Null-Toleranz-Politik versagt hier“, so die Soziologin. | |
## Das Fare-Konzept | |
Einen anderen Akzent setzte da Pavel Klymenko aus der Ukraine, der jetzt | |
für das Netzwerk FARE, Football against Racism in Europe, in London | |
arbeitet. „Fußball muss höhere Standards setzen“, sagt Klymenko. Auch in | |
Ländern, in denen etwa der „Hitlergruß“ nicht gesetzlich verboten ist, | |
müssen solche NS-Symbole im Stadion sanktioniert werden – und zwar auf | |
fußballspezifische Weise: etwa Geisterspiele vor leeren Rängen. | |
Klymenko stellte ein Fare-Beobachtungssystem vor: Im Jahr 2016/17 wurden | |
von dafür ausgebildeten Experten 114 Spiele observiert, es wurden 25 | |
Vorfälle dokumentiert, in 14 Fällen gab es Strafen. „Damit macht man diese | |
Leute nicht zu besseren Menschen“, sagt Kylenko, aber das Fare-Konzept | |
wolle halt die Hegemonie rechter Gruppen in den Stadion brechen. | |
Ein anderes Herangehen favorisiert man in den Niederlanden. Joram Verhoeven | |
vom Anne-Frank-Haus in Amsterdam stellte ein Projekt für Fans unter anderem | |
von Feyenoord Rotterdam vor. Rechte Supporter treffen etwa jüdische Fans, | |
sie werden mit der jüdischen Historie des Vereins, den sie lieben, vertraut | |
gemacht. Dass dieses „Helping Hooligans“ funktioniert, davon zeigten sich | |
Verhoeven und seine Kollegen überzeugt. | |
Vielleicht sind auch die sich widersprechenden Thesen alles Belege für Emma | |
Poultons Appell: Hört und seht genau hin! | |
15 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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