# taz.de -- Eindrücke vom „March for our lives“: „Wir bewaffnen uns mit … | |
> Die RednerInnen auf der Demonstration in Washington sind direkt, | |
> emotional und visionär. Sie glauben daran, dass sie etwas ändern können. | |
Bild: Yolanda Renee King am Samstag in Washington | |
Berlin taz | Es waren die größten Massenproteste seit Jahrzehnten: Allein | |
in Washington D.C. kamen rund 800.000 Menschen zusammen, weitere Tausende | |
gingen am Samstag an Hunderten von Orten in den USA und auch in einigen | |
Europäischen Städten für schärfere Waffengesetze auf die Straße. Knapp | |
sechs Wochen nach dem Blutbad an der Marjory-Stoneman-Douglas Schule in | |
Parkland, Florida, waren die Demonstranten dem Aufruf einer Gruppe von | |
Überlebenden gefolgt. Die RednerInnen in Washington D.C., zwischen neun und | |
18 Jahren alt, forderten Reformen, die von dem Verbot von halbautomatischen | |
Sturmgewehren bis hin zu einer Beschränkung des Fassungsvermögens von | |
Waffenmagazinen und einer genauen Überprüfung jedes potenziellen | |
Waffenkäufers reichen. | |
Ryan Deitsch, der das Massaker an der Stoneman Douglas High School | |
überlebte, forderte in seiner Rede Papier und Stifte statt Waffen für | |
Lehrer. Wütend sprach der erst 18-Jährige, der bereits zwei Amokläufe | |
miterlebte, ins Mikrofon: „Wir müssen unsere Lehrer mit Bleistiften, | |
Füllern, Papier und dem Geld, das sie brauchen, bewaffnen“. Mit kräftiger | |
Stimme setzte er nach: „Wir müssen auch unsere Schüler bewaffnen – mit | |
Fakten, Bildung, und dem Wissen, das sie brauchen, um in der echten Welt zu | |
leben“. | |
Das Wort ergriff auch die erst elf Jahre alte Naomi Wadler aus Alexandria | |
in Virginia. Die afroamerikanische Grundschülerin lächelte zunächst | |
verlegen angesichts der großen Menge an Demonstranten vor ihr, die ihr | |
lautstark zujubelten. Dann sprach sie mit ernster Stimme über erschossene, | |
schwarze Jugendliche in ihrer Nachbarschaft. | |
„Ich bin hier um die afroamerikanischen Mädchen zu würdigen und zu | |
repräsentieren, deren Geschichten es nicht auf die Titelseite schaffen“, | |
sagt Naomi Wadler. Mit ihrer Rede wolle sie auf die afro-amerikanischen | |
Frauen Amerikas aufmerksam machen, die durch Waffengewalt ihr Leben | |
verlieren. Auf Twitter wird die junge Aktivistin weltweit gefeiert. | |
Zu den stärksten Momenten gehörte wohl der Auftritt von Emma González. Fast | |
sechs Minuten und 20 Sekunden lang, was der Dauer des Massakers vom 14. | |
Februar 2018 entsprochen hätte, stand die Überlebende schweigend am | |
Mikrofon, den Blick auf die Menschenmenge gerichtet, während ihr die Tränen | |
über die Wangen liefen. | |
Zu Beginn ihres Auftritts hatte González die Namen ihrer erschossenen | |
SchulkameradInnen aufgezählt: „In wenig mehr als sechs Minuten sind uns 17 | |
unserer Freunde genommen worden“ , sagt die 18-Jährige. Das Leben von jedem | |
an ihrer Schule sei „für immer verändert worden“. | |
Eine andere junge Überlebende, die bei dem Massaker Schussverletzungen an | |
Bein und Gesicht erlitten hatte, musste sich während ihrer Rede übergeben. | |
„Hallo, ihr schönen Menschen Amerikas“, war Samantha Fuentes zuerst | |
selbstbewusst an das Rednerpult getreten. Von ihren Emotionen überwältigt, | |
tauchte sie kurze Zeit später dahinter ab, setzte ihre Rede aber wenige | |
Sekunden darauf mit der Bemerkung fort: „Ich habe gerade vor den | |
internationalen TV-Kameras gekotzt und es fühlt sich großartig an“. | |
Zum Schluss sang Fuentes ein Happy Birthday für den am 14. Februar | |
erschossenen Nick Dworet, einen Freund, der am Samstag 18 Jahre alt | |
geworden wäre. Die Menge sang – viele unter Tränen – das Geburtstagslied | |
für den jungen toten Schüler mit. | |
Auf die Bühne trat auch die Enkelin des US-amerikanischen Bürgerrechtlers | |
Martin Luther King. 55 Jahre nach seiner historischen Rede „I Have a Dream“ | |
am 28. August 1963 in Washington D.C., anlässlich des Marsches für Arbeit | |
und Freiheit, an dem mehr als 250.000 Menschen teilnahmen, nahm die | |
neunjährige Yolanda Renee King das Mikrofon in die Hand. | |
Die Neunjährige sprach über ihren Traum von einer waffenfreien Welt: „Mein | |
Großvater hatte einen Traum, dass kleine Kinder nicht aufgrund ihrer | |
Hautfarbe beurteilt werden, sondern aufgrund ihrer Charaktereigenschaften“. | |
Sie träume von einer Welt ohne Waffen, sagte King. Zum Schluss ihrer Rede | |
forderte sie die Demonstranten auf, drei mal ihre Botschaft in die Menge zu | |
rufen. Sie lautete: „Wir werden eine große Generation sein“. | |
. | |
25 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Julia Boek | |
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