# taz.de -- Rauchverbot in Österreich: In Lokalen wird weiter gequalmt | |
> Mit den Stimmen der schwarz-blauen Regierungsparteien wird das | |
> Rauchverbot in Gaststätten gekippt. In der Kritik steht die | |
> 180-Grad-Wende der ÖVP. | |
Bild: In Österreich kommt nun doch kein Rauchverbot in Lokalen zum 1. Mai | |
WIEN taz | Donnerstag wurde es emotional im österreichischen Nationalrat: | |
„Ich schäme mich für diesen Berufstand“ – Matthias Strolz, Fraktionschef | |
der liberalen Neos, war den Tränen nahe, als er das E-mail einer Tirolerin | |
vorlas, die ihre Mutter zwei Tage vorher an den Lungenkrebs verloren hatte. | |
Immer wieder wurde er dabei von erbosten Abgeordneten der | |
Regierungsaprteien ÖVP und FPÖ unterbrochen. Der rhetorisch brilliante | |
Vorarlberger Strolz warf „28 Wendehälsen in der ÖVP“ vor, in der Frage des | |
Rauchverbots in Lokalen eine 180-Grad-Wende vollzogen zu haben und den Tod | |
von täglich zwei bis drei Menschen in Österreich in Kauf zu nehmen. | |
Nach der Budgetdebatte stand die Aufhebung des Rauchverbots in Lokalen auf | |
der Tagesordnung. Auch Pamela Rendi-Wagner, Gesundheitssprecherin der SPÖ | |
und ehemalige Gesundheitsministerin, appellierte an die 28 | |
ÖVP-Abgeordneten, die 2015 noch für das Gesetz gestimmt hatten, das am | |
kommenden 1. Mai in Kraft treten sollte und jetzt aufgehoben wurde. | |
Sie sprach von „beinahe militanter Selbstgefälligkeit“ der Regierung und | |
warf dem Nationalrat Einmaligkeit vor: „Kein anderes Land hat im | |
Nichtraucherschutz einen Schritt zurück gemacht“. Über die fast 550.000 | |
Menschen, die bisher für das Zustandekommen eines | |
Anti-Raucher-Volksbegehrens unterschrieben haben, würde man sich | |
hinwegsetzen. | |
Sie rief das parlamentarische Hearing in Erinnerung, bei dem die Opposition | |
Anfang März medizinische Expertinnen und Experten aufgeboten hatten, die | |
über die Gefahren des Passivrauchens aufklärten und Studien zitierten, | |
wonach die Nichtraucherzonen in Lokalen völlig unwirksam seien. | |
## „Wir wollen freie und mündige Bürger“ | |
Die FPÖ hatte damals die Ökonomin Barbara Kolm vom wirtschaftsliberalen | |
Hayek-Institut geladen, die das Rauchverbot aus wirtschaftsphilosophischen | |
Gründen ablehnt. Sie sieht es als Einschränkung der unternehmerischen | |
Freiheit und fragte, ob man „Kapitalismus oder Planwirtschaft“ wolle. | |
Auf dieser Linie argumentierten auch die Abgeordneten der FPÖ bei der | |
Parlamentsdebatte. Konsumentensprecher Peter Wurm ortete bei den Gegnern | |
der Regelung „unsachliche Diskussion, missionarischen Eifer“ und | |
„Gutmenschentum“: „Wir wollen freie und mündige Bürger in einer toleran… | |
Gesellschaft“. | |
Er versuchte das neue Gesetz mit den strengeren Auflagen für Jugendliche zu | |
verteidigen. Das Mindesalter für legalen Konsum von Tabakwaren wird von 16 | |
auf 18 Jahre erhöht und im Auto wird das Rauchen verboten, wenn sich | |
Minderjährige an Bord befinden. Wenn es nur darum ginge, würde man gerne | |
zustimmen, meinte Peter Kolba von der Liste Pilz, der ÖVP und FPÖ vorwarf | |
„für mehr Lungenkrebs im Land zu stimmen“. | |
Die ÖVP, für die die Debatte hochgradig peinlich war, zog es vor, ihre | |
Hinterbänkler in die Debatte zu schicken. Carmen Jeitler-Cincelli, die erst | |
ihre zweite Parlamentsrede hielt, verglich die Regierungskoalition mit | |
einem Ehepaar: „Loyalität ist die Basis für eine solide Partnerschaft“. A… | |
dreifache Mutter sei sie auch gegen das Rauchen. Aber die FPÖ hätte eben | |
diesen Wunsch geäußert. Daher sei es manchmal mutiger, „im Sinn einer | |
umsichtigen Zukunftsperspektive … gegen die eigene Überzeugung zu handeln“. | |
Kurz nach 15:00 Uhr wurde das Gesetz, das das absolute Rauchverbot in | |
Lokalen aufhebt, mit den Stimmen der Regierungsparteien durchgewinkt. Die | |
ÖVP zeigte sich diszipliniert. Ein Antrag der SPÖ, die Frage einer | |
Volksabstimmung zu unterwerfen, wurde mit der Regierungsmehrheit nieder | |
gestimmt. | |
22 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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