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# taz.de -- Biologe über globale Wasserprobleme: „Technik allein reicht nich…
> Bevölkerungswachstum führt weltweit zu Wasserproblemen. Der Biologe
> Dietrich Borchardt über Lösungen wie Gründächer und Feuchtgebiete.
Bild: Natürliche Feuchtgebiete können so einiges
taz: Herr Borchardt, die UN haben den diesjährigen Weltwassertag unter das
Motto „Naturbasierte Lösungen (NBS) für Wasserprobleme“ gestellt. Was ist
damit gemeint?
Dietrich Borchardt: Darunter versteht man Lösungen im Umgang mit Wasser,
die sich an natürlichen Prinzipien orientieren. Zum Hochwasserschutz etwa
kann man Deiche anlegen oder große Talsperren bauen. Das wären technische
Lösungen. Man kann aber auch den Wasserrückhalt in der Landschaft erhöhen,
also natürliche Überflutungsflächen bauen. Das wird inzwischen auch wieder
gemacht.
Wo zum Beispiel?
An der Elbe werden in großem Stil Deiche rückgebaut und überall dort, wo es
möglich ist, Überflutungsflächen geschaffen. Durch die Hochwasser 2002,
2006 und 2013 sind jeweils über 10 Milliarden Euro Schaden entstanden, und
man hat gelernt, dass der technische Hochwasserschutz nicht reicht.
Sind Entscheidungen für NBS also auch ökonomisch motiviert?
Das kann man sagen, wenn man sich die vermeidbaren Schadenspotenziale
anguckt. Ein zweites Thema ist Trinkwasser. Das muss man häufig aus
Gebieten nehmen, in denen das Grundwasser mit Nitraten oder Nährstoffen
belastet ist. Die Reinigung ist teuer und aufwendig. Besser ist es, die
Landnutzung an den Wasserhaushalt anzupassen. Auf diese Weise lässt sich
Trinkwasser gewinnen, das nur eine sehr geringe oder gar keine Aufbereitung
erfordert.
Wie soll diese angepasste Landnutzung aussehen?
Das bedeutet ökologische Landwirtschaft, Aufforstung und nachhaltige
Forstwirtschaft.
Wenn NBS auch weniger Geld kosten, woran hakt es dann in der Umsetzung?
In Ländern wie Deutschland haben wir eine stark ausgebauten Infrastruktur.
95 Prozent der Gewässer sind kanalisiert. Wenn man so einen technischen Weg
eingeschlagen hat, ist es nicht leicht, davon abzukommen. Ein Projekt wie
der Deichrückbau an der Elbe bei Lenzen in Brandenburg dauert in der
Planung und mit den Landnutzungskonflikten zehn Jahre.
Und in Schwellen- und Entwicklungsländern?
Sie haben viele Optionen für dezentrale Lösungen und sind gut beraten, ihre
Flüsse nicht so auszubauen, wie wir es in Europa gemacht haben. An NBS zu
denken ist dort auch ökonomisch enorm wichtig. Deswegen ist das Thema beim
Weltwassertag gut gesetzt.
Ein Motto mit Signalwirkung?
Ja, denn wir haben es weltweit mit großen Veränderungen zu tun. 2050 müssen
9 Milliarden Menschen ernährt werden. Das heißt, wir müssen die
Landwirtschaft ausweiten und intensivieren. Gleichzeitig ziehen immer mehr
Leute in die Städte, wo heute schon mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung
lebt.
Spielen NBS auch dort eine Rolle?
In der Natur ist es so, dass 60 Prozent des Regens verdunsten und nur etwa
ein Drittel des Wassers abfließt. In der Stadt ist es umgekehrt. 70 bis 80
Prozent fließen von den komplett versiegelten Flächen in die Kanalisation
und belasten dann Kläranlagen. Eine NBS wäre Versickerung auf Gründächern,
durch Platzbeläge und Parkplätze, deren Böden durchlässig sind. Trotz der
Nutzung für den Verkehr würden wir wieder so nah wie möglich an den
natürlichen Wasserhaushalt kommen.
Lässt sich diese grüne Infrastruktur mit der grauen, technischen verbinden?
In Kernstädten ist die graue Infrastruktur sinnvoll und effizient. Die
Lebenszeit einer Kanalisation liegt in Mitteleuropa bei weit über
einhundert Jahren. Anderswo wachsen Städte aber rasant, etwa durch Slums.
So schnell kann die technische Struktur nicht mitwachsen, eine grüne aber
schon. Man kann Abwasser auch dezentral über Bodenzonen und Feuchtgebiete
reinigen, die einen hohen Nährstoffrückhalt aushalten.
Das klingt, als wären NBS ein Allheilmittel.
Nein. Es braucht eine sinnvolle Kombination von Technik und Natur. Da sind
Innovation und das Verlassen von eingetretenen Pfaden gefragt – bei
Ingenieuren, Stadtplanern, Architekten, aber auch in der Bevölkerung. Man
muss akzeptieren, dass man auch in der Stadt mal in eine Pfütze läuft und
der Regen nicht sofort weg ist.
23 Mar 2018
## AUTOREN
Jonas Mayer
## TAGS
Hochwasser
Hochwasserschutz
Wassermangel
Abwasser
Elbe
Mikroplastik
Dürre
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