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# taz.de -- Ukrainische Politikerin über Krieg: „Man macht uns ständig Angs…
> Putin und Poroschenko profitieren vom Krieg in der Ostukraine. Das sagt
> die ukrainische Abgeordnete Nadia Sawtschenko.
Bild: Trägt die Auszeichnung „Held der Ukraine“: Nadia Sawtschenko
taz: Frau Sawtschenko, Generalstaatsanwalt Juri Luzenko wirft Ihnen vor, im
Parlament einen Terroranschlag geplant zu haben. Ist da etwas dran?
Nadia Sawtschenko: Ich bin bereit, mich dazu zu äußern, öffentlich und mit
einem Lügendetektor. Damit die Menschen die Wahrheit wissen. Ich werde aber
nicht hinter verschlossenen Türen etwas sagen. Denn unsere Organe werden
dies dann verdreht wiedergeben.
Über hundert Menschen sind 2014 auf dem Maidan getötet worden. Wer trägt
dafür die Verantwortung?
Auf diese Frage geben die Ermittlungsbehörden schon fast fünf Jahre lang
keine Antwort. Aber sie haben eine. Aber die Leute, die mit an diesen
Morden schuld sind, sind ja immer noch an der Macht. Der damalige Präsident
Wiktor Janukowitsch trägt nur die halbe Schuld. Einige Personen nutzen die
Morde auf dem Maidan, die Aufgabe der Krim und den Krieg im Donbass, um an
der Macht zu bleiben. Und solange diese Leute an der Macht sind, wird diese
Frage nicht beantwortet werden.
Sie meinen Paschinski und Luzenko?
Paschinski (Sergei Paschinski, ukrainischer Abgeordneter der
Regierungspartei „Volksfront“, 2014 Maidan-Aktivist, Anm. der Red.) und
Luzenko hatten etwas mit den Waffen auf dem Maidan zu tun. Luzenko hat
Personen angesprochen und gesagt, am Morgen würden Waffen da sein. Und dann
werde man die Macht stürzen. Er hat damals genau das gemacht, was er mir
vorwirft, nämlich versucht, einen Staatsstreich durchzuführen. Leute wie
Paschinski sind heute Abgeordnete. Sie wussten, dass Waffen auf den Maidan
kommen und es Tote geben würde. Trotzdem haben sie all das nicht gestoppt.
Das ist ein sehr großes Verbrechen.
Wie kann man im Donbass einen stabilen Waffenstillstand erreichen?
Ein stabiler Waffenstillstand ist mit Leuten, die diesen Krieg begonnen
haben, nicht möglich. Kriege werden von Politikern angezettelt, nicht von
Soldaten. Mit Putin und Poroschenko sind Personen an der Macht, die vom
Krieg profitieren. Und die werden den Krieg nicht beenden.
Die beiden verhindern also, dass der Krieg aufhört ?
Kein Politiker in der Ukraine will die Stimmen der Wähler in den besetzten
Gebieten und die der Binnenflüchtlinge. Denn diese Menschen haben am
meisten gelitten und sie hassen unsere Machthaber am meisten. Sie haben
begriffen, dass die Macht sie im Stich gelassen hat. Und so geht es den
Machthabern darum, diese Wählerschaft auszugrenzen.
Mit Hilfe des Reintegrationsgesetzes?
Dieses Gesetz gibt Präsident Poroschenko das Recht, teilweise den
Ausnahmezustand auszurufen. Dort, wo die Unzufriedenheit am größten ist,
kann man Wahlen verbieten. So kann man die halbe Ukraine ausgrenzen, nur
noch dort wählen lassen, wo man loyale Wähler hat.
Und Putin?
Putin ist unser Feind. Wir sind ein mutiges Volk. Nur: Warum dem eigenen
Volk immer wieder Angst machen mit Putin? Wenn du deinen Feind besiegen
willst, ermunterst du dein Volk, mutig zu sein. Doch man macht uns ständig
Angst, fordert uns auf, stillzuhalten, rote Linien nicht zu überschreiten,
ansonsten wäre Putin bald in Kiew. Wir haben es überhaupt nicht nötig, uns
hier im Hinterland von unserem inneren Feind Angst machen zu lassen.
Man braucht also einen politischen Prozess?
Man muss auf der politischen Ebene ansetzen. Es gibt einen humanitären
Dialog und die Minsk-Verhandlungen. Das ist gut, führt aber nur für einen
kurzen Zeitraum zu einem Waffenstillstand. Was politisch begonnen hat, muss
politisch beendet werden. Klar, dass Russland hier um seine geopolitische
Einflusszone kämpft. Doch weiterkommen können wir nur politisch, kreativ,
mit Vereinbarungen, mit Wahlen.
Zum politischen Prozess gehören auch Wahlen?
Man sollte es, wie im Minsk-Prozess beschrieben, nicht bei lokalen Wahlen
belassen. Auch der Präsident soll von der Gesamtbevölkerung gewählt werden,
also auch von den Menschen auf der Krim und aus dem Donbass. Das würde das
Land konsolidieren.
Alle Ukrainer sollen an allen Wahlen teilnehmen dürfen?
Ja. Natürlich werden die Menschen in den besetzten Gebieten eine andere
Position haben. Aber sie müssen spüren, dass ihre Stimmen zählen. Den
Präsidentschaftswahlen müssen Parlamentswahlen folgen. Erst dann sollten
Kommunalwahlen stattfinden. Klar, auf der Krim wird man die Wahlen
verbieten. Aber deren Bewohner können ja hier ihre Stimme abgeben. In
Donezk und Lugansk wird Russland eine Teilnahme an Wahlen nicht verbieten.
Hat Europa Fehler gemacht in den letzten vier Jahren?
Europa hätte bei Russland viel schneller, konkreter, härter reagieren
müssen. Mit Russland kann man nicht tricksen. Russland muss man mit harten
Ultimaten konfrontieren und zeigen, dass man die Kraft hat, die Ultimaten
auch durchzusetzen.
22 Mar 2018
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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