Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ethnische Gruppe ohne Staat: Wer sind die KurdInnen?
> 25 bis 30 Millionen Menschen sind KurdInnen. Wo leben sie? Was wollen
> sie? Und warum werden sie so häufig mit Terrorismus in Verbindung
> gebracht?
Bild: Kurdische Flaggen bei einer Demo gegen die türkische Militäroffensive i…
Wer sind die KurdInnen?
Eine ethnische Gruppe von 25 bis 30 Millionen Menschen. Sie leben in der
Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien. Sie sprechen Kurdisch, die meisten
KurdInnen sind sunnitische Muslime, legen den Islam aber traditionell sehr
moderat aus. Die übrigen sind vor allem AlevitInnen oder JesidInnen.
Was wollen sie?
Lange Zeit sind Teile der KurdInnen für einen eigenen Staat eingetreten.
Diese Forderung wurde vor allem in der Türkei von der kurdischen
Arbeiterpartei PKK erhoben. Deren [1][Anführer Abdullah Öcalan wurde 1999
verhaftet] und sitzt in einem türkischen Gefängnis. Von dort aus spricht er
sich seit einigen Jahren jedoch für ein Modell regionaler Autonomie
innerhalb bestehender Staaten („Demokratischer Konföderalismus“) aus.
Die KurdInnen in Nordsyrien – sie selbst nennen das Gebiet Rojava – stehen
teils der PKK nahe. Sie haben vor einigen Jahren die Situation in Syrien
genutzt, um eine Regionalverwaltung nach dem Modell Öcalans aufzubauen. Die
Türkei fürchtete, das Modell könnte sich in die Nachbarstaaten ausbreiten.
Das wollte sie unbedingt verhindern und ist im Februar in dem Gebiet
einmarschiert.
Warum werden die KurdInnen mit Terrorismus in Verbindung gebracht?
Als die PKK gegründet wurde, vertrat sie eine stalinistische Ideologie und
kämpfte mit Guerilla-Methoden für einen eigenen Staat. Die Türkei reagierte
mit militärischer Gewalt und verfolgte alle, die sich für
Minderheitenrechte für die KurdInnen einsetzten. Nach einer Zählung der
Terrorismusdatenbank START der Universität von Maryland sind der PKK in
jener Zeit etwa 1.800 militante Aktionen zuzurechnen. Rund vier Fünftel
davon fanden zwischen 1991 und 1995 statt, als der Krieg eskalierte.
Seither gilt die PKK international als Terrororganisation.
Soweit bekannt, waren etwa zwei Drittel der Getöteten türkische SoldatInnen
oder PolizistInnen, ein Drittel der Opfer waren ZivilistInnen. Rund die
Hälfte der Anschläge richtete sich gegen Militäreinrichtungen,
Polizeistationen oder Regierungsgebäude, die übrigen gegen zivile Ziele.
Insgesamt wurden damals laut START etwa 4.500 Menschen durch PKK-Kommandos
getötet und weitere 3.000 verletzt.
Im selben Zeitraum kamen weit mehr Menschen durch die Gewalt des türkischen
Militärs zu Tode. Amnesty International schätzt dass der Konflikt zwischen
PKK und Türkei seit 1980 etwa 40.000 Todesopfer forderte. Die Türkische
Stiftung für wirtschaftliche und soziale Studien schätzt, dass die
türkische Armee bis zu 1,2 Millionen KurdInnen gewaltsam vertrieben hat und
Tausende Dörfer zerstörte.
Und was ist heute?
Als Ministerpräsident vertrat Erdoğan vorübergehend eine Linie der
Deeskalation mit den KurdInnen. In dieser Zeit gab es keine Anschläge. Doch
als die kurdische Autonomieverwaltung in Nordsyrien Konturen gewann, griff
die türkische Armee im Südosten der Türkei kurdische Dörfer und Städte an
und tötete dabei viele Menschen. Außerdem ging Erdoğan gegen die
prokurdische Partei HDP in der Türkei vor, die bei den Wahlen 2015 über 13
Prozent der Stimmen bekam.
Tausende Funktionäre und Mandatsträger der HDP wurden verhaftet, darunter
auch der [2][Vorsitzende Selahattin Demirtaş, der bis heute in Haft sitzt].
In der Folge verübte vor allem die PKK-Vorfeldorganisationen TAK wieder
verstärkt Anschläge, unter anderem zwei Attentate im Dezember 2016 in
Istanbul mit 38 Toten.
Und in Deutschland?
In Deutschland gab es in den 1990er-Jahren etwa 240 Anschläge der PKK gegen
türkische Einrichtungen und Geschäfte. 1996 ordnete Öcalan an, diese
einzustellen. Seit der türkischen Offensive in Nordsyrien registriert die
Polizei wieder eine Zunahme von „prokurdischen“ Anschlägen gegen türkische
Einrichtungen, etwa Moscheen und Vereine. Es ist aber unklar, ob sie auch
von protestierenden deutschen AktivistInnen verübt wurden.
Die Bundesregierung hat die Türkei seit jeher in ihrer KurdInnenpolitik
unterstützt, auch mit Waffen, die gegen die KurdInnen eingesetzt wurden.
Seit 1993 ist in Deutschland die PKK verboten. Später wurde das Zeigen von
Öcalan-Bildern auf Demos unter Strafe gestellt. [3][2017 kam ein Verbot des
Zeigens von Symbolen kurdischer Organisationen hinzu], die selbst legal
sind.
Warum machen die USA mit den KurdInnen gemeinsame Sache?
Die USA – und auch die Bundeswehr – haben die KurdInnen lange Zeit auch
militärisch unterstützt, weil sie die einzige Akteure waren, die sich dem
„Islamischen Staat“ in den Weg gestellt haben. Doch als die türkische Armee
die KurdInnen in der Türkei und Syrien angriff, unternahm der Westen
nichts.
21 Mar 2018
## LINKS
[1] /Linken-Politiker-zeigt-Oecalan-Bild/!5489512
[2] /Prozess-gegen-HDP-Politiker/!5488738
[3] /Kommentar-Verbot-von-Kurdengruppen/!5477919
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt Syrien
Kurden
Irak
PKK
Lesestück Meinung und Analyse
taz.gazete
## ARTIKEL ZUM THEMA
Geschichte der kurdischen Gesellschaft: Der Traum vom eigenen Staat
Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches fanden sich die Kurden in vier
neuen Staaten wieder. Sie konnten ihren Weg seither nie selbst bestimmen.
Newroz: Sind IS-Jäger nicht mehr in Mode?
Die Kurd*innen waren mal richtig cool. Dann sind sie in Vergessenheit
geraten. Oder?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.