| # taz.de -- Sozialgesetze in Österreich: Schlappe für die Konservativen | |
| > Das Verfassungsgericht kippt ein Gesetz in Niederösterreich, das die | |
| > Mindestsicherung deckelt. Eine solche Regelung ist auch im Bund geplant. | |
| Bild: Muss sich jetzt etwas einfallen lassen: Niederösterreichs ÖVP-Landeshau… | |
| Wien taz | Einer schallenden Ohfeige für die Sozialpolitik der neuen | |
| Rechtsregierung in Österreich kommt der jüngste Spruch des | |
| Verfassungsgerichtshofes gleich. In nüchternem Juristendeutsch wenden sich | |
| die 14 Verfassungsrichter gegen das Schüren von Sozialneid und | |
| Ausländerfeindlichkeit von oben. | |
| „Unsachlich und daher verfassungswidrig“ sei Niederösterreichs Regelung, | |
| die Mindestsicherung für größere Haushalte einzuschränken. So lautet das | |
| Urteil des Verfassungsgerichtshofes, das am Montag publik wurde. | |
| Die Mindestsicherung – laut Gesetz für Menschen ohne Einkommen oder | |
| Vermögen – dürfe „nicht nach rein politischen Gesichtspunkten eingeschrä… | |
| werden“. Auch eine Koppelung der Mindestsicherung an eine minimale | |
| Aufenthaltsdauer In Österreich sei „unsachlich und daher | |
| verfassungswidrig“. Die Bestimmungen wurden daher mit sofortiger Wirkung | |
| aufgehoben. | |
| Niederösterreich, wo die konservative ÖVP mit einer absoluten Mehrheit | |
| ausgestattet ist, hatte im November 2016 beschlossen, die Mindestsicherung | |
| für Mehrpersonenhaushalte bei 1500 Euro zu deckeln. Getroffen werden | |
| sollten vor allem Zuwandererfamilien und Asylberechtigte mit vielen | |
| Kindern. Deswegen wurde auch ein fünfjähriger Aufenthalt als Bedingung ins | |
| Gesetz geschrieben. | |
| ## Keine Überraschung | |
| Auch diesen Passus kippten die Verfassungsrichter, denn diese Menschen | |
| seien geflüchtet wegen „wohl begründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, | |
| Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe | |
| oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden“. | |
| Für Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer der | |
| Armutskonferenz, kommt die Entscheidung nicht überraschend: „Fast 80 | |
| Prozent der Menschen, die sich im Sozialbereich auskennen, haben das | |
| erwartet“. Überrascht hatte ihn vielmehr, dass Sebastian Kurz (ÖVP) und | |
| Heinz-Christian Strache (FPÖ) die niederösterreichische Gesetzgebung als | |
| Zielvorstellung für eine bundesweite Regelung ins Regierungsprogramm | |
| geschrieben hatten. | |
| Helga Krismer, Chefin der Grünen in Niederösterreich, hätte sich gewünscht, | |
| dass das Urteil noch vor den Landtagswahlen vom 28. Januar ergangen wäre. | |
| Ihre Partei habe im Landtag in St. Pölten immer auf die | |
| Verfassungswidrigkeit des Gesetzes hingewiesen und dagegen gestimmt: „In | |
| den Bundesländern, wo die Grünen mitregieren, ist so etwas auch nicht | |
| durchgegangen“. | |
| Martin Schenk glaubt auch, dass die Landesregierung mit der Aufhebung | |
| gerechnet habe. „Es geht um Symbolpolitik, nicht um Einsparungen“. Die | |
| Menschen sollten glauben, es treffe nur Ausländer. Nach einer Analyse der | |
| Armutskonferenz treffe es „Geringverdiener mit Frau und kleinen Kindern. | |
| Alleinerziehende Mütter, die sich zum Schutz ihrer Kinder von gewalttätigen | |
| Männern getrennt haben. | |
| ## Schlechte Karten | |
| Chronisch kranke Personen, die zwar als erwerbsfähig gelten, auf dem | |
| Arbeitsmarkt aber enorm schlechte Karten haben. Eltern, die mit ihren | |
| erwachsenen Kindern mit Behinderung im selben Haushalt leben. | |
| Familienväter, die sich mit schwerer Arbeit körperlich ruiniert haben und | |
| gekündigt wurden“. | |
| In Oberösterreich, wo die ÖVP schon seit drei Jahren mit der FPÖ regiert, | |
| ist die Mindestsicherung schon vorher gekürzt worden. Dort sei man aber | |
| schlauer zu Werk gegangen, als in Niederösterreich, meint Schenk, weil dort | |
| mehrere Ausnahmen definiert worden seien. | |
| Helga Krismer ist „gespannt, was sich die ÖVP jetzt einfallen lässt“. Die | |
| Bundesregierung hält jedenfalls an ihren Plänen fest: Man werde eine | |
| bundesweit einheitliche Lösung erarbeiten, die zwischen jenen | |
| unterscheidet, „die schon länger in das Sozialsystem eingezahlt haben und | |
| jenen Nicht-Österreichern, die neu in das Sozialsystem dazu gekommen sind“, | |
| so die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP) und Norbert Hofer (FPÖ) | |
| in einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme. | |
| 12 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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