| # taz.de -- Tourismus in der Türkei: Alles friedlich und normal | |
| > Wie verkauft man ein Land, das langsam in die Diktatur gleitet, als | |
| > attraktives Reiseziel? In der Türkei hat man darin schon Übung. | |
| Bild: Beliebtes Reiseziel: Antalya | |
| Berlin taz | Dreitausendneunundsiebzig Quadratmeter Ausstellungsfläche hat | |
| sich die Türkei auf der ITB gesichert. Für seinen Auftritt auf der | |
| Tourismusmesse in Berlin, die am Dienstag beginnt, hat das Land „Troja“ als | |
| Thema bekanntgegeben. | |
| Keine Angst, das heißt nicht, dass die Türkei Deutschland von innen heraus | |
| erobern will. Sie will nur deutsche Touristen – und die wollen überzeugt | |
| werden. | |
| Der Tourismus in die Türkei erholt sich langsam wieder, zuletzt hatte die | |
| Branche mit einem heftigen Rückgang zu kämpfen. Terroranschläge und der | |
| Putschversuch von 2016 sorgten dafür, dass statt 5,6 Millionen im Jahr 2015 | |
| plötzlich nur noch knapp unter 4 Millionen Deutsche in die Türkei reisten. | |
| Im vergangenen Jahr, als die Reisewarnung des Auswärtigen Amts hinzukam, | |
| waren es sogar nur 3,6 Millionen. Jetzt aber spricht der türkische | |
| Tourismusminister Numan Kurtulmuş von einer Steigerung von 70 Prozent bei | |
| den Reservierungen und äußert die Vermutung, dass „unsere deutsche Gäste | |
| einen Großteil der Steigerung ausmachen“. | |
| An der ITB sieht man die Herausforderung, vor der türkische | |
| Tourismusverbände derzeit stehen: Wie kann ein Land einerseits in die | |
| Diktatur rutschen und andererseits für TouristInnen interessant bleiben? | |
| Vor allem, wenn es immer nur eine Frage der Zeit ist, bis die nächste Krise | |
| ansteht. Immerhin sitzen gerade noch mindestens fünf Deutsche aus | |
| politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis. | |
| Schon im November trafen sich deshalb Kurtulmuş und Vertreter der großen | |
| Tourismusverbände, um zu besprechen, wie man „die Tourismusindustrie vor | |
| negativer Berichterstattung schützen“ kann. Und entschied: Eine „Einheit | |
| für Risikomanagement“ muss her. | |
| Das heißt so viel wie Schadensbegrenzung in den internationalen | |
| Wirtschaftsbeziehungen. Denn dass sich die politischen Beziehungen in Bälde | |
| beruhigen, damit rechnet niemand. Stattdessen muss jede Menge Geld dafür | |
| ausgegeben werden, um das makellose Image der Türkei zu bewahren, das | |
| JournalistInnen und NGOs mit ihrer „Terrorpropaganda“ kaputtzumachen | |
| versuchen. | |
| Turkish Airlines bezahlt deshalb zum Beispiel Millionen für Kampagnen mit | |
| bekannten Gesichtern wie Morgan Freeman, um ein Gefühl von Normalität und | |
| Frieden zu erzeugen. | |
| Die Türkei ist davon abhängig, wirtschaftlich weiterzuwachsen, während sie | |
| innerlich von Absurdität befallen ist. Die Regierung hofft auf eine | |
| Verdopplung der Einkünfte durch Tourismus innerhalb weniger Jahre, Istanbul | |
| baut einen dritten Flughafen, der der größte der Welt werden soll. | |
| ## Bewusstsein schaffen | |
| Und so gibt es eine ganze Branche, die daran arbeitet, das Bild von der | |
| Türkei im Ausland zu „korrigieren“. PR-SpezialistInnen, Beamte, | |
| Messepersonal. Diese Menschen sind keineswegs alle konservative, religiöse | |
| Hardliner auf Linie der Regierung. Es gibt dort ebenso progressive | |
| BefürworterInnen liberaler Demokratie. Nur arbeiten sie täglich daran, | |
| ihr Land entgegen allen Fakten anzupreisen; lassen in peinlichen Meetings | |
| Rassismen im Raum stehen, treffen sich mit Männern, die keine Hände | |
| schütteln – und müssen sich vorwerfen lassen, für den Teufel zu arbeiten. | |
| Nur, was sollen sie tun? Menschen müssen reisen, und türkische Geschäfte | |
| müssen daran verdienen, dass sie reisen. Weder die lokale Wirtschaft noch | |
| Reisende sollten darunter leiden, dass eine Regierung kriminell ist. | |
| Niemand sollte sich deshalb die Schönheiten dieses Landes entgehen lassen. | |
| Was sich aber lohnt, ist ein Bewusstsein dafür, wen man bezahlt, mit wem | |
| man fliegt – und, am wichtigsten, was einen möglicherweise erwartet, wenn | |
| die nächste innenpolitische Krise einen mitten im Urlaub erwischt. | |
| Übersetzung: Peter Weissenburger | |
| 6 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Ali Çelikkan | |
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