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# taz.de -- Kolumne Minority Report: Wie übersetzt man Seehofers Amt?
> Home ministry? Klingt wie ein Bettwäsche-Discounter. Native country
> ministry? Klingt nach Abschiebeknast. Schon besser.
Bild: Hat genaue Vorstellungen davon, wie Deutschland aussehen soll: Horst Seeh…
Ich bin gerade in New York und muss sagen: An Amerika ist nicht alles
schlecht. Aus der Ferne können wir uns überheblich über Trumps Reden,
Entscheidungen und orange Hautfarbe kaputtlachen, aber hier sitzen die
Leute in Kneipen, in Theatern, an Supermarktkassen und diskutieren über
Politik.
Im Ernst. Überall werden Flyer verteilt, die dazu aufrufen, sich gegen
Sexismus zu organisieren. Uma Thurman hat am Broadway mit „The Parisian
Woman“ monatelang die korrupten Machenschaften der US-Regierung seziert.
Die Kunst und die Menschen haben sich politisiert, und das auch wegen einer
Regierung, die alle Verfechter einer offenen Gesellschaft gleichermaßen in
die Opposition zwingen kann.
Wissen Sie, was sich aus der Ferne noch besser belächeln lässt?
Deutschland. Ich logge mich ins WiFi ein und werde überschwemmt mit
rassistischen Zitaten von preisgekrönten Schriftstellern und Essays zur
Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört (weil irgendeinem Horst schon am
ersten Arbeitstag die Themen ausgegangen sind).
Neulich erzählte ich einer Amerikanerin von Seehofer – und bin schon an der
Übersetzung seines Amtes gescheitert. Home ministry? Klingt wie ein
Bettwäsche-Discounter. Native country ministry? Klingt nach Abschiebeknast.
Schon besser. Sie wollte wissen, ob in Deutschland denn Staat und Religion
nicht getrennt würden. Ich konnte ihr keine Antwort geben. Eher nicht? So
obsessiv, wie das Islam-Thema immer wieder in die Mikrowelle der
Schlagzeilengaranten geschoben wird, scheinen wir tatsächlich in einem
Gottesstaat zu leben. (Shoutout an die Türkei an dieser Stelle.)
Aus der Ferne sieht Deutschland aus wie ein wackliges Riesenrad, das alle
verlassen wollen, das aber wegen des stürmischen Deutschlandwetters nicht
zum Stehen kommt. Wir sind gefangen im Kreislauf der immer selben
Diskussion. – „[Irgendwas Rassistisches]“. –„Das war rassistisch.“ …
„Nichts darf man mehr sagen!“ Dieser chronische Konservatismus in einem
Einwanderungsland, das sich weigert, sich als solches zu begreifen,
veranlasst langweilige Schriftsteller und paranoide Wohnungseigentümer
dazu, sich ständig nach dem Gestern zu sehnen. Aber mal ehrlich, was war
denn an Gestern so gut? Die Mauer? Straffreie Vergewaltigung in der Ehe?
Hitler?
Ich sag Ihnen, was gestern war: Gestern hat in diesem Land kein Mensch
gewusst, was eine Aubergine ist. Gestern ist dieses Land wieder zu Reichtum
gelangt, weil billige Arbeitskräfte aus dem Süden die Drecksarbeit erledigt
haben – Leute, in deren Bildung man keinen Pfennig investieren musste,
deren Lohn aber trotzdem noch fett Steuern abwarf. Damals hat keiner
gesagt: „Wir wollen nur Christen, der Islam gehört nicht nach Deutschland.“
Aber ganz ehrlich: Wer will schon zu so einem Land gehören? Eben, nur die,
die keine andere Wahl haben.
19 Mar 2018
## AUTOREN
Fatma Aydemir
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