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# taz.de -- Kolumne Minority Report: Immer alle schön ausreden lassen, ja?
> Nichts darf man mehr sagen. Wer es gewohnt ist, Tag und Nacht nur sich
> selbst zu hören, empfindet natürlich jede Gegenrede als „Sprechverbot“.
Bild: Es ist so wahnsinnig schwer zu ertragen, wenn auch mal andere die Deutung…
Wir leben in gefährlichen Zeiten. Eine Debatte geht los (#metoo,
#ausnahmslos, #whatever), und noch bevor alle Argumente ausgetauscht sind,
wird darüber diskutiert, wer sprechen darf und wer nicht. Und vor allem:
wer worüber sprechen darf! So interessieren sich viele Frauen* heute beim
Thema Sexismus nicht mehr für die Meinungen von Cis-Männern, vor allem bei
bekannten Argumentationsmustern („alles nicht so schlimm“, „ihr seid doch
selber schuld“).
Wofür sich Frauen* interessieren, ist sowieso erst mal zweitrangig. Aber
wenn sie öffentlich sagen oder schreiben, dass sie die Meinung von xy nicht
interessiert, dann ist das wahrlich ein Problem. Denn damit erteilen sie
Sprechverbote (= Person xy traut sich unter Umständen gar nicht mehr zu
sprechen, armes Ding).
Dasselbe Spiel bei Rassismus: Wie schön waren die Zeiten, in denen weiße
Deutsche allein die Deutungshoheit darüber hatten, was rassistisch und wie
dagegen vorzugehen ist. Plötzlich aber reden von Rassismus betroffene
Personen selber mit. Und halten ihren Standpunkt auch noch für relevant.
Und kritisieren auch noch jene weißen Antirassist*innen, die ihnen nur
helfen wollen. Unverschämt. Nichts darf man mehr sagen. So funktioniert das
nicht mit der Gesprächskultur, Leute. Immer alle schön ausreden lassen, ja?
Wir sind hier schließlich nicht auf dem Basar.
Ich liebe das Wort „Sprechverbote“. Vor achtzig Jahren war es noch der
Propagandaminister, der solche erteilte. Heute sind es die angeblichen
Berufsopfer (People of Color, queere Personen, Frauen*). Noch mehr liebe
ich aber Kollegen, die mir vorwerfen, ich würde Sprechverbote erteilen, und
mir im selben Atemzug erklären, wie ich zu sprechen habe.
Vor ein paar Monaten etwa hatte ich einen wütenden Kollegen von einer
anderen Zeitung am Telefon, über dessen Text ich mich in einer Kolumne
mokiert hatte. Er warf mir vor, ich würde ihm mit meiner Kritik das
Sprechen verbieten, nur weil er ein (O-Ton) „alter, weißer Mann“ sei – u…
drohte mir gleichzeitig lautstark mit einer Klage, wenn ich die
Onlineversion meiner Kolumne nicht nach seinen Vorstellungen korrigieren
würde.
Das Problem mit privilegierten Personen ist nicht, dass sie sich ihrer
Privilegien nicht bewusst sind. Ich glaube, das sind sie schon („ich bin
ein alter, weißer Mann“). Es scheint nur so wahnsinnig schmerzhaft zu sein,
das Megafon auf einmal mit anderen teilen zu müssen. Und fürs Teilen nicht
mal ein „Danke“ zu bekommen. Wer es gewohnt ist, sich nur selbst reden zu
hören, empfindet natürlich jede Gegenrede als „Sprechverbot“. Eine
besonders raffinierte Gesprächskultur ist das aber nicht. Wieso nicht
gleich die Dinge beim Namen nennen – und rufen: „Hilfe! Ich will mein
Megafon zurück!“
4 Dec 2017
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Minority Report
Schwerpunkt #metoo
Sexismus
Diskurs
People of Color
Minority Report
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Anti-Rassismus
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