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# taz.de -- Kolumne Minority Report: Reale Ängste
> Rechte Ängste ernst nehmen? Es ist dumm zu glauben, dass man dem
> Rechtsruck entgegenwirkt, indem man rechte Positionen salonfähig macht.
Bild: Das Land ist vor die gelben Jagdhunde gegangen
Das hier geht an alle Lehrer*innen, die mir den Mund verbaten, jedes Mal
wenn ich von Diskriminierung sprach; an alle Linken, die glauben, das
Rassismusproblem vor zwanzig Jahren schon gelöst zu haben; und an alle
Leserbriefautor*innen, die es nicht lassen können, mir regelmäßig Nachhilfe
in deutscher Geschichte zu geben:
Hallo, wo stecken Sie jetzt?
Hätten Sie Ihre Kinder und Nachbarn halb so oft belehrt wie mich, wäre das
Land vielleicht nicht vor die Hunde gegangen. Gelbe Jagdhunde, versteht
sich, wie auf dem Print der einzigen Krawatte, die Alexander Gauland
besitzt. Armer Lauch.
Als ich kurz vor der Wahl darüber schrieb, dass ich eine Tarotberatung zu
Hilfe genommen habe, weil ich mich nicht entscheiden konnte, wen zur Hölle
ich wählen soll, ist mein Posteingang explodiert. Mails, die sich darüber
empörten, dass ich ausgerechnet der Linken Rechtspopulismus vorwerfe. Was
mir einfiele, meine Stimme von „den Sternen“ abhängig zu machen. Dass ich
auf Schülerzeitungsniveau argumentierte.
Ganz ehrlich: Eure Mütter sind Schülerzeitungsniveau.
Wenn jede*r achte Deutsche eine holocaustleugnende, Waffeneinsatz an den
Grenzen fordernde, Minister*innen in Anatolien entsorgende Dummbatzpartei
wählt, dann checken Sie mal besser Ihr eigenes Umfeld, statt mir mit
deutschem Oberlehrerton zu kommen. Aber wissen Sie, wir müssen wir gar
nicht erst die Nazipartei bashen. Denn es gibt genügend Horrornachahmer
auch links davon. Und die schämen sich nicht mal!
Die Linke schämt sich nicht, jetzt ihre Positionen in der
Flüchtlingspolitik weiter „verschärfen“ zu wollen. Der Grüne Boris Palmer
erklärt auf Facebook Antirassismus zur „abschreckenden Ideologie“. Und die
SPD, die seit Jahren jeder einzelnen Asylrechtsverschärfung zugestimmt hat,
will nach ihrem historischen Stimmenverlust einen härteren Asylkurs fahren.
Ähm ja, macht voll Sinn.
Ich hasse Deutschland. Ich habe den Satz bestimmt schon öfter gesagt, aber
ich glaube nicht, dass ich ihn jemals so ernst gemeint habe wie jetzt in
diesem Augenblick: Ich hasse Deutschland. Seit Monaten höre ich geduldig
zu, wenn es heißt, es spiele den Nazis nur in die Hände, wenn man sie
ausschließt und stigmatisiert. Man müsse ihre „Ängste“ ernst nehmen.
Ich bin gespannt, wer unsere Ängste ernst nehmen wird in den nächsten vier
Jahren. Das sind nämlich reale Ängste, wissen Sie? Keine wilden
Überfremdungsfantasien in ostdeutschen Dörfern, wo de facto kein*e
einzige*r Geflüchtete*r wohnt.
Es ist nichts als pure Dummheit, zu glauben, dass man dem Rechtsruck
entgegenwirkt, indem man rechte Positionen salonfähig macht. Sachsens
Ministerpräsident Stanislaw Tillich etwa, den ich mehrmals bei euphorischen
Eröffnungsreden der Leipziger Buchmesse erlebt habe, will neuerdings, dass
„Deutschland Deutschland bleibt“. Wie interessant! Ich bin gespannt, wer
nächstes Jahr in Leipzig den Preis für Europäische Verständigung erhält.
Björn Höcke vielleicht?
2 Oct 2017
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Minority Report
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Stanislaw Tillich
Angst
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