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# taz.de -- Streit über Nachtruhe im Sielwallhaus: Viel Lärm um links
> Ohne Beweise wollte eine Eigentümergemeinschaft gegen ein linkes
> Jugendzentrum klagen. Das Gericht riet den Streitparteien, miteinander zu
> reden.
Bild: Gentrifizierung kollidiert mit Jugendzentrum: Sielwallviertel im Bremen
Bremen taz | Vorerst auf Eis gelegt ist eine Unterlassungsklage einer
Eigentümergemeinschaft gegen das linke Jugendzentrum im Sielwallhaus. Wegen
Lärmbelästigung hatten Nachbarn des 1983 gegründeten Zentrums im Viertel
vor dem Amtsgericht Bremen geklagt.
Der Richter hielt die Streitparteien dazu an, sich im nächsten Schritt zur
Mediation an einen Güterichter zu wenden. Für eine Unterlassungsklage
reichten laut Richter keine pauschalen Behauptungen. Um zu bestätigen, dass
die gesetzliche Nachtruhe nach 22 Uhr gestört werde, müssten konkrete
Dezibel-Messungen und -zahlen erstellt werden, welche die Kläger allerdings
nicht vorlegen konnten.
Offiziell beklagt war die Stadt Bremen als Eigentümerin des Gebäudes, in
dem der Verein Jugendinitiative Sielwallhaus e.V. sitzt. In der
Gerichtsverhandlung nahm Immobilien Bremen Stellung zu den Vorwürfen.
Die Beteiligten hatten bereits im Voraus versucht, sich außergerichtlich zu
einigen. Die Gespräche wurde aber „überraschenderweise“ abgebrochen und v…
der Eigentümergemeinschaft vor Gericht gebracht.
Den Eigentümern zufolge hat dies daran gelegen, dass die gesetzliche
Nachtruhe von 22 Uhr grundsätzlich in Frage gestellt wurde und der Streit
daher ohne gerichtliche Hilfe nicht zu lösen sei. „Jeder muss sich daran
halten, warum die nicht?“, beklagte sich die Vermieterin des Nachbarhauses,
die selbst nicht dort wohnt, jedoch von Anrufen der Mieter berichtet, die
sich über Lärm und Küchengerüche beschwerten.
## Luftabzug gegen Küchengerüche
Gegen die Gerüche sei mit einem verbesserten Luftabzug bereits etwas getan
worden, sagte ein Vorsitzender des Sielwallhauses, der den Verein in der
Gerichtsverhandlung vertrat. Von Partys, die länger als 22 Uhr liefen, habe
es in der Vergangenheit auch nur jeweils eine Handvoll pro Jahr gegeben,
der Vorwurf, dass dort „wild rumgefeiert“ werde, sei nicht korrekt.
Der Richter verweist auf unterschiedliche Lärmempfindlichkeiten und sagte:
„Es gibt nun mal Musik, die man nur ein wenig lauter hören kann – sonst
macht das keinen Spaß.“ Er stellte in Frage, ob es für ein Jugendzentrum
die Rechtsgrundlage für öffentliche Veranstaltungen nach 22 Uhr gebe. Durch
die unbegrente Zahl von Teilnehmer*innen gingen diese über normale
Nachbarschaftsfeiern hinaus.
Allerdings verwies er auf die negativen Auswirkungen von Lärm auf die
Gesundheit. Er mahnte in Richtung Zuschauerraum, dass jüngere Leute
tolerant gegenüber dem Ruhebedürfnis von älteren Menschen sein müssten.
## Veränderung des Viertels beklagt
Gekommen waren rund fünfzehn Unterstützer*innen des Sielwallhauses. Ein
älterer Herr ohne Ruhebedürfnis erzählte bereits vor der Verhandlung, dass
er 1984 bei der Eröffnungsveranstaltung des Sielwallhauses dabei war und
heute aus Solidarität gekommen sei.
Gleichzeitig machten sowohl Richter als auch Beklagte die Lage des Hauses
in der Nähe der Sielwallkreuzung geltend. Es sei natürlich auch
gerichtsbekannt, dass sich das Haus in einer auch zur späten Stunde
lebhaften Gegend mit vielen ebenfalls lauten Kneipen und Verkehr befinde.
Da sei „doch menschlich verständlich, wenn drauflos gekocht und gefeiert
wird – wir waren doch alle mal jung“, so der Richter.
Das Jugendzentrum hatte vor der Verhandlung beklagt, dass das Viertel sich
verändert habe, zunehmend Besserverdienende anziehe, die dort ruhig wohnen
wollten. Der Richter war der Meinung, dass es sehr gute Gründe für die
Existenz des Sielwallhauses gebe, das auch durch soziale Dienste gefördert
werde. Er schlug den Streitparteien etwa vor, bestimmte Tage, an denen
gefeiert werden darf, zu vereinbaren.
## Eigentümer wollen Nutzungsregelung
Die Eigentümer deuteten an, dass sie auch mit einer Art Nutzungsregelung
zufrieden seien und führten an, keine aberwitzigen Forderungen zu stellen.
Man wolle das Sielwallhaus nicht weg haben, sondern vor allem den Punkt mit
den Uhrzeiten geklärt haben. Der Wortlaut der Beschwerdebriefe sei seit 20
Jahren der gleiche und „wir würden es gerne nach 20 Jahren mal
formalisieren“.
Dem Verein sei selbstverständlich bewusst, dass gesetzliche Vorschriften
auch für ihn gälten, man habe mit Lärmschutzvorhängen und einer
Ausbesserung der Haustür bezüglich des Lärmschutzes bereits versucht, die
Problematik zu verbessern.
## Hoher Sanierungsbedarf
Auch ein „Partytelefon“ für Lärmbeschwerden sei eingerichtet worden. Die
Anwältin von Immobilien Bremen verweist jedoch auf den Sanierungsbedarf,
der auch dem Vorsitzenden des Sielwallhauses zufolge immens hoch ist.
Die alten Wände mit Rohrleitungen würden den Lärm teilweise sogar
verstärken, aus eigenen Mitteln könne eine Sanierung von dem
selbstverwalteten Jugendzentrum jedoch nicht gestemmt werden, sagte die
Anwältin.
Bei einigen Punkten sei sicher eine Einigung möglich, so der Richter, bei
anderen müsse man noch einmal schauen. Eigentümer und Stadt sind zu einer
Güteverhandlung bereit – im Sielwallhaus will man über eine Teilnahme
abstimmen.
8 Mar 2018
## AUTOREN
Teresa Wolny
## TAGS
Jugendzentrum
Lärmschutz
Gentrifizierung
Häuserkampf
Rapper
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