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# taz.de -- ZUHÄLTER-RAP: Kollegah ist nicht willkommen
> Eine Bremer Initiative will den dortigen Auftritt des Rappers Kollegah
> verhindern - wegen der Verherrlichung von Vergewaltigungen und Gewalt
> gegen Schwule.
Bild: "Kunstfigur ohne Straßenvergangenheit": Kollegah auf einem PR-Foto aus d…
BREMEN taz | Bis auf Platz 5 der deutschen Charts ist der Rapper Kollegah
im Oktober mit seinem Album "Bossaura" vorgestoßen. "Hochkreative
Wortspiele gepaart mit einer herausragenden Raptechnik, verpackt in
humorvollen, unterhaltsamen Texten", So bewerben die Veranstalter einen für
nächsten Mittwoch geplanten Kollegah-Auftritt in Bremen.
Ein Blick in Kollegahs Booklets zeigt: Zeilen wie "Ich bau Aggressionen ab
durch Vergewaltigungen von Bordsteinschlampen" finden sich in vielen Songs
des selbsterklärten "Zuhälter-Rappers", der eigentlich Felix Antoine Blume
heißt. Er rappt über den Missbrauch Minderjähriger, Mord an Prostituierten
oder Angriffe auf Schwule.
Gegen das Konzert in Bremen regt sich Protest: Die DGB-Jugend, die
Landesgleichstellungsstelle und eine Initiative aus der Queer-Szene wollen,
dass der Auftritt abgesagt wird. Eine Kollegah-Show sei eine "zutiefst
menschenverachtende" Veranstaltung, heißt es in einem offenen Brief an die
Veranstalter des Konzerts. Blume schreibe "ausschließlich abscheuliche
Texte, in denen Frauen und nicht heterosexuell Orientierte bis zum tiefsten
denkbaren Niveau degradiert und beleidigt werden".
Der Club Modernes, in dem Kollegah spielen soll, hat im Internet eine
Erklärung veröffentlicht. "Wir wissen um die Problematik bezüglich des
Auftritts von Kollegah", heißt es da. Man habe gemeinsam mit dem
Veranstalter eine Stellungnahme des Rappers angefordert - danach werde man
entscheiden, ob er wirklich kommen dürfe.
Kollegahs Texte allerdings seien nur im Kontext des "Battle Rap" zu
verstehen. Adressat sei da stets ein anderer, dem Publikum bekannter
Rapper. "Alle Aussagen beziehen sich auf ihn persönlich." Eine
"muttergefickte Schlampe" ist demnach "tatsächlich keine Frau, der
,stockschwule Rapper' kein Homosexueller", so die Erklärung weiter. "Auch
wenn sich uns bei solchen Texten die Haare sträuben, sind sie in der Szene
üblich und werden nicht als Aufforderung zu Gewalt gegen Frauen,
Homosexuelle etc. verstanden."
Im übrigen sei Kollegah seit 2007 im Geschäft, seine Veröffentlichungen
aber nie auf dem Index gelandet. "Wo findet am 14. Dezember die neue
Qualität statt", fragt der Club, "die plötzlich und in Bremen ein
Auftrittsverbot seitens des Veranstaltungsortes zwingend notwendig macht?"
Ähnlich äußert sich Kollegahs Tourmanager, Ilke Ulusoy gegenüber der taz:
Dass die Texte "für Außenstehende nicht vertretbar" seien, könne er
"komplett nachvollziehen". Allerdings sei Rap eine "Kunstform, bei der
bewusst polarisiert und provoziert" werde.
Initiiert hat den Protest gegen das Konzert in Bremen das Mädchenkulturhaus
(MKH). Dass im Battle-Rap gar keine Frauen gemeint, sondern andere Rapper
mit sexistischen Metaphern herabgesetzt werden sollen, sei einerlei, sagt
die pädagogische Leiterin des MKH, Roberta Menendez. "Diese Beleidigungen
bleiben Beleidigungen." Kollegah transportiere zutiefst frauen- und
schwulenfeindliche Bilder, "da ist es völlig egal, wer der Adressat der
Beleidigung ist".
Ihre Kollegin Maren Hauck versteht nicht, warum das Modernes sich zwar
gegen rassistische Inhalte verwahrt, Kollegah aber auftreten lassen will:
"Offensichtlich gibt es für sie eine Grenze, aber ich verstehe nicht, warum
Homophobie und sexistische Äußerungen weniger schlimm sind." Man müsse die
Musik von Kollegah nicht verbieten, "aber man muss ihm deswegen noch lange
keine Bühne geben", sagt Hauck.
In Bielefeld hatte eine ähnliche Auseinandersetzung dazu geführt, dass ein
geplanter Kollegah-Auftritt wegen der hohen Nachfrage vom kommunalen
Jugendzentrum Kamp in einen größeren Club verlegt wurde. Das Kamp hatte
zuvor erklärt, sich dem Druck von außen nicht beugen zu wollen. Dass auch
die Bremer Debatte dem Rapper zusätzliche Popularität bescheren dürfte,
nennt Menendez einen "bedauerlichen Kollateraleffekt". Wichtiger sei aber,
sich zu positionieren. "Was menschenverachtend und diskriminierend ist,
muss auch so kritisiert werden."
Auch Ulrike Hauffe, Leiterin der Gleichstellungsstelle des Landes Bremen,
hat beim Veranstalter interveniert. "Es ist wirklich keine gute Idee,
jemandem, dessen Texte überwiegend Gewalt gegen Frauen und Schwule
propagieren, eine Bühne zu geben", sagt sie. Kollegahs Texte hätten "nichts
mit künstlerischer Freiheit zu tun, das ist menschenverachtend". Die Stelle
prüfe, ob sie sich an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
wende.
Der Bochumer Soziologe Martin Seeliger hat den deutschen Gangsta-Rap
erforscht. "Kollegah überzeichnet sehr, sehr stark", sagt Seeliger. Im
Gegensatz zu anderen Rappern sei er eine "reine Kunstfigur ohne
Straßenvergangenheit" und deshalb in der Szene "nicht so angesehen". Die
Herabwürdigung von Minderheiten sei da ein "kalkulierter Tabubruch". Dass
Kollegah dabei nur andere Rapper dissen wolle, nennt Seeliger allerdings
eine "bewusst geschönte" Darstellung des Managements.
Wer aber seine Konzerte skandalisiere, der "besorgt das Geschäft von ihm",
sagt der Rap-Experte. Auch einem Verbot steht Seeliger ablehnend gegenüber:
"Jugendliche sind medienkompetenter, als man denkt. Die glauben nicht, dass
Kollegah auch vergewaltigt, nur weil er davon rappt."
5 Dec 2011
## AUTOREN
Christian Jakob
Christian Jakob
## TAGS
Jugendzentrum
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